Computeranimiert im Cockpit

Von Arne Lichtenberg · 01.12.2011
Abheben und trotzdem am Boden bleiben: Der Flugsimulator macht es möglich. In Düsseldorf hat jetzt das virtuelle Cockpit eines Jumbo-Jets eröffnet - das erste in Deutschland. Kunden können sich hier in die Situation eines Piloten versetzen.
Co-Pilot: "Geben wir jetzt Gas und mit den Pedalen auf die Mittellinie."

Teilnehmerin: ""Ach, muss ich damit machen, verstehe. Bei wieviel ziehen wir hoch?"

Co-Pilot: "Bei 140. Jetzt haben wir 130."

Teilnehmerin: "Ja, jetzt sind wir schon langsam da."

Co-Pilot: "Und jetzt. Genau. Ganz langsam ziehen, nicht zu viel. So ist wunderbar."

Die Teilnehmerin des iPilot-Flugsimulators hat es geschafft. Sauber hat sie die Boeing 747-400 vom Flughafen Nizza gestartet. Die Maschine steigt zügig in die Luft. Auf der linken Seite der drei Großbildschirme erkennt man die Côte d´Azur. Weiter dahinter liegen die schneebedeckten Alpen. Auf einmal macht das Flugzeug eine starke Rechtskurve, raus auf das Mittelmeer, um eine Lärmbelästigung der Bewohner der Küstenstädte zu vermeiden. Die Illusion ist perfekt und der Start gelungen.

"Hier ist es jetzt so: Mit unserem Visualsystem, wenn man Kurven fliegt, die Leute denken also auch oft, sie fliegen auch wirklich eine Kurve und halten sich fest. Das Gehirn wird schon ein bisschen so in diese Illusion mitgerissen. Also insofern ist das schon sehr realistisch."

sagt Wolfram Schleuter, der Geschäftsführer der iPilot Ltd, der in Düsseldorf seinen insgesamt fünften Standort für Flugsimulatoren in Deutschland eröffnet hat. Der Unternehmer ist selber Pilot.

"Die Idee entstand eigentlich dadurch, dass ich vor circa vier Jahren einen Gutschein geschenkt bekommen habe für einen Flug in einer 747, damals noch in London. Mir gefiel das Erlebnis unheimlich gut, nur, was mir nicht so gefiel war, dass so ein Erlebnis damals so in der Zeit 70 bis 800 Euro gekostet hat. Meine Idee war halt, wie kann man sowas günstiger anbieten und trotzdem realitätsgetreu dem Kunden dieses Erlebnis bieten."

Im Cockpit der Boeing 747 sieht es sehr realistisch aus. Der hintere Teil des Cockpits ist offen, so können Pilot und Co-Pilot bequem einsteigen und Begleiter des Simulatorpiloten haben die perfekte Aussicht auf das Geschehen. Von der Steuerkanzel hinten rechts gesehen sind vier Sitzplätze der Business Class installiert. Wer möchte, kann dort auch etwas zu essen zu sich nehmen - aus dem Originalservice einer österreichischen Airline. In Düsseldorf steht der gesamte Flugsimulator in einem nur circa 40 Quadratmeter großen Raum. Die Zimmerfenster sind nach draußen hin verdunkelt. Direkt vor den Cockpitfenstern stehen drei Flachbildschirme als 180-Grad-Leinwand, auf denen die Umgebung computeranimiert und detailgetreu nachgebildet ist. Im Cockpit selber sieht es aus wie in einem richtigen Flugzeug. Es gibt zwei Sitze und jede Menge Instrumente. Bastian Landgraf ist ausgebildeter Pilot und gibt eine Kurzeinweisung.

"Die Instrumente sind hier kompakt drauf. Bei Ihnen Linksaußen, bei mir Rechtsaußen, ist komplett das gleiche. Auf der linken Seite, die Reihe, haben wir die Geschwindigkeit – in Knoten. Da beschleunigen wir gleich bis 140, heben ab, sehen hier im künstlichen Horizont in der Mitte die Flugzeugnase, den linken Flügel und den rechten Flügel. Und das kleine Viereck, die Flugzeugnase, ziehen wir nach dem Start hoch auf 15 Grad. Das ist der mittellange Strich."

Vor den Sitzen der Piloten ist das Steuerruder angebracht, das auffällig leichtgängig ist. Und im Fußraum sind die Pedale, mit denen man das Flugzeug am Boden steuern muss. Noch müssen aber ein paar Hausaufgaben erledigt werden, bevor das Flugzeug starten kann.

"Und hier haben wir drei Flugcomputer. Wir nehmen jetzt mal den, weil der am nächsten dran ist. Grundsätzlich gibt man dann vor dem Flug die ganzen Daten ein: Das Wetter, die Route und die Beladung vom Flugzeug und die ganzen Freigaben. Wir machen jetzt mal keine Wissenschaft draus und geben jetzt nur mal die Route ein. Also das funktioniert grundsätzlich hier: Es gibt einen Origin, einen Startort und eine Destination, und dann wählt man noch eine Landebahn aus, damit die dann auch in die Karte reinprojiziert werden."

Als alle Startvorbereitungen abgeschlossen sind und die Freigabe vom Tower erfolgt ist, geht es los.

"So, wenn sie bereit sind, einfach den Schubhebel nach vorne. Alle vier gleichmäßig."

Die Datenbank des Flugsimulators verfügt über 24.000 Flughäfen auf der ganzen Welt. Besonders gerne wird dabei der anspruchsvolle Anflug über die Häuserschluchten auf dem alten Flughafen Kai Tak in Hongkong gewählt oder auf der extrem kurzen Landebahn in St. Maarten auf den Niederländischen Antillen. Simuliert werden kann fast alles. Auch das Wetter.

"Wir können Wetterphänomene simulieren, wir können Triebwerkfeuer, Triebwerkausfälle simulieren. Nicht ausfahrbares Landfahrwerk simulieren. Wir können null Sicht, Landung bei Nebel und so weiter. Was wir nicht so simulieren können, sind Turbulenzen, aber das wollen die Kunden auch nicht,"

denn da würde man schon kräftig durchgeschüttelt, und das würde einige dann doch überfordern, sagt Wolfram Schleuter, der Geschäftsführer. Wegen der vielfältigen Simulationsmöglichkeiten bietet man aber auch Flugangstprogramme an. Instruktoren erklären dann die verschiedenen Geräusche oder simulieren einen Triebwerkausfall. Viele der Teilnehmer gehen dann, nach einem Besuch eines solchen Seminars, viel entspannter an den nächsten Flug heran. Aber auch Piloten nutzen den Flugsimulator, um im Training zu bleiben.

"Wir haben auch oft junge Piloten, die bei uns in der Nacht fliegen und dann längere Streckenflüge machen und so weiter. Was bei Piloten eigentlich der Standard ist, wenn sich zum Beispiel junge Piloten sich für ihren ersten Job bewerben, müssen sie dann zu den Fluggesellschaften in den Simulator und mal zeigen, was sie können, und das ist eigentlich Standard bei Piloten, dass sie sich drauf vorbereiten."

Eine Stunde im Flugsimulator kostet für die Teilnehmer 149 Euro. Ein Preis, der sich noch im Rahmen bewegt, wenn man bedenkt, dass ein Flugsimulator in der Herstellung eine hohe sechsstellige Summe veranschlagt. Ein 70 Jahre alter Stammgast belässt es aber nicht bei einer Stunde Simulatorflug, sondern der kommt gerne regelmäßig länger.

"Der fliegt also wirklich Flüge in Echtzeit ab, mit Flugvorbereitung, der fliegt dann wirklich 8:40 Stunden von London nach Toronto oder von London nach Washington und hält Funkkontakt über dem Atlantik, macht alles von A-Z, und der nimmt das oft in vielen Fällen noch ernster als richtige Piloten."

Bordcomputer: "Don’t sink."

Co-Pilot: "Hier kommt der Flughafen. Bisschen nach links. Kleines bisschen ziehen."

Teilnehmerin: "Aha, aha."

Noch einmal begleitet Co-Pilot Bastian Landgraf ein Landemanöver einer Teilnehmerin im Simulator. Letzte Vorkehrungen für die Landung sind getroffen. Das Fahrwerk ist ausgefahren. Da ertönt auch schon der Countdown aus dem Boardcomputer, der die verbleibenden Meter bis zum Aufsetzten auf dem Boden misst.

Bordcomputer: ""50…40…30…20…"

Teilnehmerin: "(lacht) Wow. Meine Güte. Da muss ich aber noch oft üben. Stark. Ein tolles Erlebnis."
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