Comicseminar Erlangen

Mehr als bunte Bildchen zeichnen

Der Künstler Flix steht am 4.8.2009 an der Mauergedenkstätte Bernauer Straße in Berlin vor seinen Zeichnungen mit dem Titel "Da war mal was...". Gemeint ist die Berliner Mauer.
Der Comiczeichner Flix ist in diesem Jahr einer von drei Kursleitern beim Erfurter Comicsalon. © picture alliance / dpa / Rainer Jensen
Von Ralf Hutter · 26.05.2016
Beim Comicmachen geht es nicht nur ums Zeichnen, sondern auch ums Schreiben, um Fanbuilding oder Signierstunden. Wie man damit umgeht, können Nachwuchstalente seit 1986 beim Erlanger Comicseminar lernen. Dort geben Profis ihre Erfahrungen an junge Zeichner weiter.
Eine schmucklose kleine Halle im Kulturamt der mittelfränkischen Stadt Erlangen. An mehreren Stellen des Raumes sind zwei Dutzend Tische zu großen Arbeitsflächen zusammengeschoben. Darauf befinden sich viel Papier, etliche Laptops und diverse Behälter mit Stiften.
Es herrscht entspannte Arbeitsatmosphäre. An die 30 Leute sitzen über Zeichnungen oder beim angeregten Gespräch. In einer der Runden: Flix, seit Jahren einer von Deutschlands prominentesten Comiczeichnern.
"Wir sitzen hier zusammen mit Mathilde Ramadier und zwei Teilnehmerinnen aus'm Workshop, und wir besprechen, wie es so ist, eine Signierstunde abzuhalten."
Die mentale Vorbereitung auf die erste Signierstunde ist natürlich nicht der wichtigste Teil dieses Workshops. Aber sie zeigt schon, dass hier ein umfassender Ansatz verfolgt wird. Das jährlich stattfindende Erlanger Comicseminar soll Leuten, die schon zeichnen können, entscheidende Schritte auf der künstlerischen Karriereleiter ermöglichen.
Flix ist dieses Jahr einer von drei Kursleitern. Er erklärt die Inhalte.
"Es geht ums Zeichnen, es geht ums Schreiben, es geht um das Layout von Comics, es geht ums Büchermachen, es geht um den Buchmarkt an sich, wie Comics noch vertrieben werden können, also wie Comics an sich funktionieren, welche Inhalte man machen kann – und ob sie dafür geeignet sind, schlechte Witze zu machen. Das gehört alles dazu."

Internationale Beteiligung

Seit 30 Jahren gibt es das Erlanger Comicseminar.
"Ich hab dieses Comicseminar 1986 einmal gemacht, ich wollte das einmal machen, und das hat nie aufgehört."
Sagt Paul Derouet, der heute noch Organisator des Seminars ist. Begründet hat er es 1986, weil es damals an deutschen Kunsthochschulen keine Möglichkeit gab, das Comic-Machen zu erlernen. Das ist heute anders, aber die Beliebtheit des Seminars steigt Derouet zufolge beständig weiter.
"Ok, in the next round, they are falling down."
Mawil, auch er einer der prominentesten deutschen Comicautoren, ist mit der Hälfte des Kurses in einen Nebenraum gegangen, um Übungen zu machen.
"When I see at the picture, it must look dangerous."
Mawil gibt die Aufgaben zur Gestaltung der Gesichter, Strichfiguren und Kaffeekannen auf Englisch, denn dieses Jahr hat das Comicseminar drei Teilnehmende aus dem fernen Ausland.
"Mein Name ist Alaba. Ich bin aus Nigeria. Ich bin Grafikkünstler und freischaffender Comic-Künstler."
Alaba Onajin kam auf Einladung des Goethe-Instituts zum Comicseminar. Das Institut hat bei ihm einen Comic bestellt, der typische Probleme in nigerianischen Familien behandeln soll. Er soll sowohl in Deutschland als auch in Nigeria verkauft werden. Und auch der nigerianischen Comic-Szene auf die Sprünge helfen. Die ist nämlich sehr jung.
"Ich würde sagen, es gibt sie seit vier, fünf Jahren. Wir haben jetzt in Nigeria jedes Jahr im September eine Comic-Messe. Sie ist klein, aber sie wächst."

Afikanische Charaktere auf den Markt bringen

Alaba Onajin, der als Kind "Tim und Struppi" und "Asterix" las, will dazu beitragen, dass es mehr afrikanische Charaktere und Geschichten auf dem Markt gibt. Die Lage ist schwierig: Comic-Zeitschriften existieren in Nigeria nie lange, erzählt er, und Comic-Romane werden nur wenige veröffentlicht.
Alaba Onajin ist dementsprechend froh, in Erlangen zum ersten Mal mit seinesgleichen in einen intensiven Austausch zu treten und dabei lernen zu können.
Dasselbe sagen zwei indische Zeichnerinnen: Archana Sreenivasan, 37, und Prabha Mallya, 31. Auch sie berichten von einem Aufschwung der Comic-Szene in ihrer Heimat. Sogar politische Comics hätten mittlerweile einen relativ großen Anteil an den Veröffentlichungen.
"Vielleicht 30 Prozent? Was würdest du sagen?"

Zwischen indischer Mythologie und Superhelden

In den letzten Jahren seien verstärkt Comics zu Frauenthemen erschienen, sagt Archana Sreenivasan – seit die brutale Vergewaltigung einer Studentin in einem Bus so viel Aufsehen erregt hat. Sie berichtet, dass ihre Generation sowohl mit indischen Comics, die stark auf indischer Mythologie basierten, als auch mit westlichen Comics – Superhelden, Tim und Struppi, Asterix – aufgewachsen ist.
"Offensichtlich haben wir uns alle in Richtung der westlichen Ästhetik orientiert, wir haben sie blindlings nachgeäfft. Vor kurzem erst hab ich das in Frage gestellt und mir gedacht: Das ist doch nicht der einzige Weg, wie Comics gemacht werden können."
Prabha Mallya findet, dass es gerade eine aufregende Zeit ist, um in Indien Comics zu machen.
"Es gibt keine feste Regeln und Formate. Wir können experimentieren. Aber dafür bezahlt zu werden – niemand weiß, wie das gehen soll."
Beim Comic-Salon gibt es eine große Ausstellung zur indischen Comic-Szene. Am Freitag gibt es zwei Podiumsdiskussionen mit indischen Zeichnerinnen. Ebenfalls am Freitag ist der Empfang in der Ausstellung zu einem nigerianischen Comic-Künstler: Karo Akpokiere. Er ist in letzter Zeit relativ bekannt geworden, und hat schon in mehreren Ländern gearbeitet und ausgestellt. 2014 hatte er am Erlanger Comicseminar teilgenommen.
Mehr zum Thema