Comic-Zeichner Fil

Problemkind mit viel kreativem Potential

Philip Täger alias Fil bei einem Auftritt 2012 im Werk 2 in Leipzig
Philip Täger alias Fil bei einem Auftritt 2012 im Werk 2 in Leipzig © imago/stock&people
Von Elmar Krämer · 06.03.2015
Bekannt sind vor allem seine Anarcho-Cartoons Didi und Stulle. Wie herrlich lustig und selbstironisch der Comic-Zeichner Fil sein kann, zeigt er in seinem Buch "Pullern im Stehen" über seine Jugend im Märkischen Viertel, das nun als Hörbuch erschienen ist.
Fil: "Also wir sind hier im Märkischen Viertel, gegenüber vom Fontane-Haus, vor dem Schwimmbad. Das ist ein zentraler Punkt gewesen. Hier musste ich immer zur Schule, zwischen Schwimmbad und TMO, Thomas-Mann-Oberschule und da hatte ich immer Angst, denn vor der TMO waren immer die bösen Jungs – Hier war mein Weg."
Ein Weg, der auf die Bühne und nun zu einem Roman über seine Jugend im Märkischen Viertel geführt hat: "Pullern im Stehen".
"Ich möchte mich für den blöden Titel entschuldigen. Er ist entstanden, wir haben mit meinem Lektor diese Essen gehabt – wo sie dich mit kriegen. Und bei diesen Essen, du fühlst dich immer professioneller und du denkst, ja, ich kann das machen, ich werde das schreiben, Alter, was soll's!"
Der Titel war eigentlich nur ein Scherz, sagt Fil, der sich rückblickend als schüchternen, schlaksigen Teenager beschreibt. Einen, der ein Problem mit seinem Körper hat und sich immer schön auf dem Klo in der Kabine einschließt.
Keine Sportskanone
Als Jugendlicher ist er schon 1,86 Meter groß, wiegt aber nur rund 50 Kilo. Er probiert es mit Schwimmen und Krafttraining, aber das fruchtet nicht – er war keine Sportskanone.
Am Wochenende ging mein Vater ab und zu mit mir raus, Fußballspielen. Versuch mal zu dribbeln rief mein Vater dribbelnd. Hä, dachte ich, da knallte mir der Ball an die Nuss. Einen Kopfball nie mit dem Kinn annehmen, mahnte er. Sport und Phantasie, natürliche Feinde, wa?
Unsportlich, dafür aber kreativ – keine gute Kombination im Hochhausghetto aus Beton. Dem Märkischen Viertel, der ersten großen Westberliner Neubausiedlung, 1963 bis 1974 erbaut und eingerahmt von der Mauer.
Wer hier in den 80ern durch die grauen Häuserschluchten schlenderte, der sollte besser jemand sein, oder zu denen gehören, die es zu glauben meinten.
"Ich war immer bemüht, irgendwie cool zu sein, was echt schwierig ist, weil ich null cool war."
Fil zeichnet Comics und sich seine eigene Welt. Eine Welt in der alles möglich ist. Bunt und durchgeknallt, schrill und unberechenbar. Knollnäsige Figuren, die ein prototypisches Proletentum ausleben, immer ein bisschen anarchistisch und frei von allen Konventionen.
Mit 14 wird Fil in der wirklichen Welt Punk. Wie so oft in seinem Leben eher durch Zufall – aber Haltung und Outfit sprechen ihn an.
"Beim Punk hab ich gemerkt, da kann man noch am ehesten so sein, wie man ist. Meine Comics, in den hab ich dann auch so punkige Sachen gemacht. Ich hab aber nie gedacht, dass ich damit irgendwo hin komme, ich hätte nie gesagt, ich werde Comiczeichner als Beruf."
Anders als andere Punks
Wird er dann aber doch, eine Zeitschrift druck die Cartoons des 14-Jährigen ab. Fil spielt in einer Band, säuft, schwänzt die Schule – ein Problemkind mit viel kreativem Potential.
Fil ist zwar Punk, aber anfangs doch anders als die Westdeutschen - und die Kreuzberger Punks, die er kennenlernt:
"Die waren wahnsinnig asozial. Die sind dann z.B. auf Partys gegangen und haben das Bier geklaut, oder haben überhaupt geklaut, weil sie dachten, das ist Punk– und so etwas haben wir ja nicht gemacht. Und zu meiner Schande muss ich sagen, dann dachte ich irgendwann, ich muss auch so sein. Ich war als junger Typ so beeinflussbar und so dämlich, bis ich irgendwann gedacht habe, das hast Du doch in deinem Märkischen Viertel besser gelernt."
Der innerlich schüchterne Punk wird in eine sozialpädagogische Maßnahme gesteckt und landet auf einem Segelschiff mit anderen Problemjugendlichen.
"Es gibt da auch diese Schlüsselszene, wo ich dann neben meinem Kapitän stehe und dann kann ich auf einmal pullern und zwar am helllichten Tag, wo zwei Typen neben mir stehen, über Bord, in ein Hafenbecken hinein. Und das musst du erst mal drauf haben. Das ist der weite Weg, den du als schüchterner Typ gehst und ich denke das ist der Moment – selbstbewusster wirst Du nicht mehr im Leben."
Und so macht sich Fil auch in seinem Roman nackig und erzählt viele intime Details. Eine Zeitung attestierte ihm einmal eine professionell dilettantische Manier und so ist er auch. Witzig und unverkrampft erzählt er von den Stationen seines Lebens.
Genug Stoff für Songs, Geschichten und mehrere Romane – "Pullern im Stehen" ist erst der Anfang, sagt Fil.
Und auch, wenn er mittlerweile im Prenzlauer Berg wohnt, zu Interviews muss er immer wieder ins Märkische Viertel – aber er kommt gern, denn hier hat er schließlich seine Wurzeln.
"Wenn Du die Bäume hier siehst, dann siehst Du, die sind alle gleich groß, weil sie alle zur gleichen Zeit gepflanzt wurden und sie sind alle so alt wie ich. Sie sind alle Ende 40. Letztlich bin ich mit diesen Bäumen groß geworden und sie sind immer noch hier und ich bin in die Welt."

Fil - "Pullern im Stehn"
Taschenbuch: rororo, 288 Seiten, 9,99 Euro
Hörbuch: Universal Family Entertainment, 2105, 8,93 Euro

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