Claus Peymann zum Tod von Ignaz Kirchner

"Er war ein Theaterphilosoph"

Österreich, Wien: Ignaz Kirchner steht als "Alfons der Zweite" während der Fotoprobe von "Torquato Tasso" im Burgtheater auf der Bühne. Kammerschauspieler Ignaz Kirchner ist am Mittwoch, 26. September 2018, 72-jährig gestorben.
Ignaz Kirchner ist im Alter von 72 Jahren gestorben. © Herbert Neubauer/APA
Claus Peymann im Gespräch mit Elena Gorgis · 27.09.2018
Der Schauspieler Ignaz Kirchner ist im Alter von 72 Jahren gestorben. 30 Jahre lang war er an der Wiener Burg, damals kam er zusammen mit Claus Peymann nach Wien. Dieser lässt die gemeinsame Zeit Revue passieren: "Ich weine ihm eine Träne nach."
Eigentlich wollte Ignaz Kirchner Buchhändler werden. Aber dann fand er auf der Bühne seine wahre Berufung. Jahrzehntelang prägte der Schauspieler, der in Wuppertal geboren wurde, die deutschsprachige Theaterwelt und arbeitete mit allen Größen der Branche zusammen. Wie heute bekannt wurde, ist er am Mittwoch nach langer Krankheit im Alter von 72 Jahren gestorben.
Über seinen Beruf sagte Ignaz Kirchner einmal: "Ich darf mich schminken, ich darf König sein, ich darf alles das, was ein Kind darf. Das finde ich so eine besondere Sache, dass man das noch darf. Das ist sensationell."
Zusammen mit Claus Peymann kam er 1987 nach Wien und wurde dort am Burgtheater Ensemblemitglied. Und mit kurzer Unterbrechung blieb er es 30 Jahre lang.

"Der geheime Protagonist ganz vieler Aufführungen"

Peymann lässt die gemeinsame Zeit Revue passieren und erklärt, dass Ignaz Kirchner zwar kein prominenter Schauspieler gewesen sei, dafür aber "eine von diesen ganz besonderen Figuren, die immer seltener werden. Ignaz war eigentlich der geheime Protagonist ganz vieler Aufführungen. Der war durch seine Intelligenz, seine Bildung, sein Wissen eine Art Philosoph, der Schauspieler als Philosoph."
Wenn man heute lese, wer mit ihm gearbeitet habe, so Peymann weiter, werde deutlich, dass er immer nach einem fern gelegenen Ideal, einem Stern der Perfektion gesucht habe. Diesen habe er auch selber immer wieder in Frage gestellt. "Ignaz konnte auch toben." In Stuttgart habe er einmal sogar beinahe eine Fahrstuhltür aus dem Beton herausgerissen, so Peymann weiter.

"Mit der Naivität eines Kindes"

Einfach sei Kirchner "natürlich überhaupt nicht" gewesen, erklärt Peymann. Dafür habe er mit der Naivität eines Kindes - auch etwas zu riskieren und loszuspielen - gespielt. "Da konnte man drauf setzen, aber immer auch mit einem ganz starken Hang zur Selbstzerstörung. Er hatte nicht so ein gewaltiges Selbstbewusstsein."
Peymann lässt Kirchner vor seinem inneren Auge vorbeiziehen und erklärt: "Wenn ich den Ignaz vor mir sehe, diesen prallen, wilden jungen Schauspieler in Bochum und dann diesen messerscharfen, auch hart spielenden, wunderbaren Zeichner, Grafiker im Spiel, dieser Philosoph: Das sind natürlich so Lebenswege."

"Demut ist der Ausgangspunkt aller Größe"

Kirchner hinterlasse eine Lücke, weil im heutigen Theater alles geregelt werde, "aber diese wilden, unberechenbaren Schauspieler - da verkörpert sich ein intellektuelles, verrücktes Schauspielertum auch mit einer von vorneherein bestehenden Autorität, die muss nicht durch das Netzwerk oder die Gewerkschaften geregelt werden. Das sind die großen Zauberer."
Wie alle großen Schauspieler sei auch Ignaz Kirchner demütig gewesen, sagt Claus Peymann, "weil sie natürlich wissen: Der Weg zur Vollendung ist ein gewaltiger. Sie wissen ganz genau, man strebt ein Ideal, eine Perfektion an. Demut ist der Ausgangspunkt aller Größe."
Peymann dankt Kirchner "für seine Neugierde, seine Konsequenz, seine Härte, auch seine Tobsuchtsanfälle, oft waren sie im richtigen Moment. Das deutsche Theater hat einen ganz großen, geheimnisvollen Theaterphilosophen als Spieler verloren. Ich weine ihm eine Träne nach."
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