Claudia Roth, die Alternativlose

Von Frank Capellan, Hauptstadtstudio · 12.11.2012
Süßes für die Chefin, ein Candy-Storm besänftigt die bitter Enttäuschte. Zuckerstückchen, die die grüne Internet-Gemeinde Claudia Roth tausendfach zugestellt hat: Roth soll bleiben, Roth muss bleiben. Roth wird gebraucht!
Es ist wie so oft bei den Grünen: Die Basis trifft eine überraschende Entscheidung und wundert sich dann über die eigene Courage und die Folgen. Glück für die Spitzen-Grünen, dass es die Naschereien aus dem Netz gibt und sich Claudia Roth mit virtuellen Candys kaufen lässt.

Denn irgendwie ist sie eben doch, um mit der Kanzlerin zu sprechen, fast schon ... "alternativlos". Es wäre nahezu unmöglich gewesen, bis zum Parteitag am Wochenende eine Nachfolgerin zu finden - eine Frau, die als Linke, als Fundamentalistin gilt, und die auch noch zum Co-Vorsitzenden Cem Özdemir passt.

Die komplizierte Fundi-Realo-Weiblein-Männlein-Arithmetik macht das eigentlich Unmögliche nun möglich. Eine von den Mitgliedern gnadenlos abgestrafte Vorsitzende wird im Amt bleiben und nach ihrer Klatsche bei der Kandidatenkür bei der Wiederwahl zur Parteichefin sogar noch einen kleinen Triumph feiern können.

Das scheint paradox, es hat aber was. Zwar ist die Partei mit ihrer unkalkulierbaren Ur-Wahl knapp an einer Katastrophe vorbeigeschliddert - Claudia Roth aber sorgt mit ihrer Entscheidung nun dafür, dass diese aus der Not heraus geborene Abstimmung doch noch zu einem echten Erfolg werden kann und die Grünen für die Bundestagswahl breit aufgestellt sind, breiter geht nicht.

Jürgen Trittin, dem lauten Ex-Minister aus rot-grünen Jahren, steht nun eine ruhige Katrin Göring-Eckhardt zur Seite. Eine Kandidatin der Kompromisse, eine, die nicht für Schwarz-grün steht, aber Schwarz-grün auch nicht ausschließt.

Eine Kirchenfrau, die weit in das bürgerliche Lager hineinwirkt und in der Lage ist, dort Stimmen zu fangen. Claudia Roth, die Schrille, die Unangepasste, muss diese Personalentscheidung nun an anderer Stelle kompensieren, so wie sie schon bisher als Gegenstück zum Co-Vorsitzenden fungierte. Sie kann die klassischen Grünen-Anhänger ansprechen, muss diejenigen bedienen, denen Cem Özdemir genauso wie Kathrin Göring-Eckhardt viel zu brav und angepasst, viel zu realpolitisch ist.

Soweit so gut - bleibt nur abzuwarten, ob die Verletzungen bei Claudia Roth nicht viel zu groß sind, ob sie fähig ist, die Enttäuschung darüber wegzustecken, dass sie nicht ganz oben steht als Parteichefin und Spitzenkandidatin.

Erst einmal aber haben die Grünen gar keine andere Wahl als sie zu umgarnen und zu unterstützen. Es ging um "Süßes oder Saures" - ohne den Candy-Storm von Basis und Vorstand hätte den Grünen vor allem eines gedroht: Jede Menge Shit!
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