Christliche Popularmusik

Vonm Anne Boschan · 05.06.2010
Die Kirchentage sind voll davon, Xavier Naidoo singt sie, und Silbermond auch – die christliche Popularmusik lebt. Der Bundesverband Kulturarbeit in der evangelischen Jugend hat sich kürzlich im Pop- und Rockmuseum Gronau zusammengefunden und Vertreter vieler Landeskirchen der EKD geladen, um eine Bestandsaufnahme zu machen: Wo steht christliche Popularmusik heute? Wie ist es um ihre Botschaften und Adressaten bestellt?
Tobias Kummetat: "Ich würde sagen, christliche Popularmusik ist musikalisches Arbeiten aus (...) einem christlichen Selbstverständnis heraus."
Thomas Nowack: "Ein Etikett, wo man versucht, ein Stück weit zu erklären, was drin steckt. Im Prinzip ein Gattungsbegriff (...) diese Musik wird in den Kirchen gemacht beziehungsweise es ist Musik mit einer Message."
Fabian Sennholz: "Es gibt eben einmal die christliche Musikszene, die von Lobpreismusik über Neues geistliches Lied (...) reicht (...) die eben auch eine ganz klare christliche Zielgruppe hat und dann (...) gibt's auch christliche Popmusik, die auch in der ganz normalen Musikbranche zu Hause ist und sich wahrscheinlich gar nicht als christliche Popmusik selbst bezeichnen würde."

Das Rock und Pop Museum in Gronau, Westfalen. Ein bunter quadratischer Bau am Udo-Lindenberg-Platz, ausgestattet mit bunten Erinnerungsstücken der Rock und Popgeschichte des 20. Jahrhunderts. Aus zahlreichen Lautsprechern tönt dem Besucher Musikgeschichte ins Ohr.

An diesen inspirierenden Ort hat sich der Bundesverband Kulturarbeit in der evangelischen Jugend zurückgezogen, um sich über das Thema "Christliche Popularmusik" auszutauschen. Eingeladen wurde auch Gandhi Chahine, um über seine Erfahrungen im Bereich der Christlichen Popmusik zu berichten. Er leitet das Music Office Hagen. Mit Bandwettbewerben leistet er basisorientierte Jugendbildungsarbeit in Nordrhein-Westfalen. Christliche Botschaften in den Songs der Jugendlichen sind ausdrücklich erwünscht. Dennoch ...

"Nicht jedes zweite Wort was ich in meinen Texten habe, muss Gott sein, sondern, wenn ich einen Song über Liebe mache, was ist stärker als Liebe, hat uns nicht Jesus Liebe gepredigt? Das ist für mich doch genauso christlich, dass man seinem Gegenüber doch ein Mindestmaß an Würde anerkennen muss (...). Du kannst halt Gott in vielerlei Hinsicht in Deinen Texten verpacken."

Mit dieser undogmatischen Einstellung erreicht Chahine unzählige Jungs und Mädchen. Er hat den Zugang zu Jugendlichen gefunden, ist dran an der Basis. Mit Ende 30 wirkt er selbst eher jugendlich. Gandhi Chahine weiß, dass Musik im Leben von Jugendlichen sehr wichtig ist und so vermittelt er mit Song- und Bandwettbewerben Glauben, ethische Werte und Moral.

"Also wir haben jetzt letztens (...) ein Projekt gehabt, ein Rappschoolprojekt, (...) das waren drei Mädchen und vier Jungs, die haben sich mit dem Thema auseinandergesetzt 'Leben auf der Straße', was sie so alles beobachten - Leute, die andere zusammenschlagen, Leute, die Drogen konsumieren, Mädchen, die sich prostituieren (...), das geht doch gar nicht. Wir müssen mehr Respekt haben, untereinander mehr helfen (...), und das sind für mich urchristliche Werte, die wir in dem Song (...) einfach mal behandelt haben."

Auszug aus dem Lied: " ... wie willst Du auf der Straße Deine Würde nicht verlieren? Keine Anerkennung, keine Perspektive und Deine Zukunft ist nur eine fiktive. (Refrain) Wo führt das alles hin, worin liegt denn hier der Sinn? Es raubt mir den Verstand. Wer von Euch reicht mir die Hand?"

Aus dem Projekt wurde ein Song. Und ganz nebenbei haben die Jugendlichen dazugelernt: an musikalischem Knowhow und organisatorischer Kompetenz.

Auch Thomas Nowack ist ins Rock- und Popmuseum Gronau gekommen, um von seinen Erfahrungen zu berichten. Er vertritt den Verband für christliche Popularmusik in Bayern. Für ihn ist klar: Popularmusikalische Aktivitäten seitens der Kirche sind keine Anbiederungen an den Zeitgeschmack. Diese Art von Musik nimmt eher die Lebenswirklichkeit von Jugendlichen ernst und vermittelt so die "gute Botschaft".

"Die gute Botschaft ist das, was die Bibel uns anbietet, das heißt also in allererster Linie alles das, was mit christlichem Lebensstil, christlichen Werten zu tun hat."

Auch der Verband für christliche Popularmusik in Bayern lädt zu Bandwettbewerben und Songcontests ein.

Lied von Bandwettbewerb: " ... ich danke Dir dafür, dass Du mich einfach so nimmst, wie ich bin, und will Dir sagen, Deine unendlich große Liebe gibt mir Kraft und ist genauso die Antwort auf so viele Fragen."

Lächelnd erklärt Thomas Nowack, dass diese Wettbewerbe aber nicht unbedingt dazu dienen sollen, um junge Menschen in die Kirche zu locken.

"Das unterstellt man uns immer ganz gern (...) ich find's problematisch. Ich würde es nicht als Mittel zum Zweck bezeichnen, sondern was wir versuchen wollen ist, dass die Lebenswirklichkeit, die wir haben, sich auch ganz normal bei uns in den Kirchen abbildet und populäre Musik gehört einfach dazu (...) Glauben muss sich neu definieren können, auch durch die Musik und eben auch durch Popmusik und Rockmusik."

Neben Nowack steht eine junge blonde Frau. Olivia Matla. Für sie ist klar: Kirchenmusik müsste sowieso ein bisschen anders sein, um Jugendliche zu erreichen.

"Ich finde auch was unseren Kirchenliedern allgemein fehlt ist so der Pep an Instrumenten oder an der Melodie (...). Das ist alles ein bisschen eintönig, alles langsam, alles traurig (...) und ich glaube, das hat auch viel damit zu tun, warum auch Jugendliche nicht so in die Kirche gehen."

Die 20-Jährige arbeitet in der Geschäftsstelle des Bundesverbandes für Kulturarbeit in der evangelischen Jugend. Sie wünscht sich mehr Popmusikalische Aktivitäten in ihrer Kirche, denn ...
"Musik ist eigentlich ein gutes Thema, gerade für Jugendliche. Wenn man da so ein bisschen unterstützt und denen hilft und sie nicht aufgibt ( ... ) und Kirche sozusagen als Pflaster, als Hilfe nimmt, als Unterstützung, dass die Jugendlichen nicht auf der Straße irgendwo landen."

Allerdings müssen Kirchenmusiker natürlich auch die Neigung, Fähigkeit und Offenheit besitzen, christliche Werte mittels Pop- oder Rockmusik zu vermitteln. Die bisherige Kirchenmusikerausbildung allein ist da keine große Hilfe, erklärt Thomas Nowack.

"Die klassische Ausbildung (...) ist ganz deutlich auf traditionelle klassische Kirchenmusik ausgerichtet und die vier Semesterwochenstunden (...), die vorgesehen sind, sind für uns als Popularmusiker in der Kirche definitiv nur ein Feigenblatt (...). Verbessert werden müsste im Prinzip vor allen Dingen, dass man überlegen müsste, ob man den Bachelor mehr zu einem Gemeindemusikpädagogen macht, der dann eben tatsächlich mit dem Gospelchor umgehen können muss, mit dem Seniorenchor (...), mit einer Band eventuell eben auch."

Nach einem inspirierenden Tag im Rock- und Popmuseum Gronau sind sich die Teilnehmer der Tagung einig: Der Begriff Christliche Popularmusik kann eine gemeinde-, gottesdienstnahe und verkündende Musikarbeit ebenso beinhalten wie die offene Jugendkulturarbeit, bei der die Musik zum Begegnungsraum für junge Menschen wird. Nur authentisch muss sie sein, diese Musik, lebensnah und ausdrucksstark.

Und übrigens: Die Kirche gerät als großer Kulturförderer durch die Ausrichtung von Bandwettbewerben und Songcontests natürlich auch wieder stärker in die gesellschaftliche Wahrnehmung – nicht nur unter Jugendlichen.