Christian Wulff

Porträt eines gescheiterten Politikers

Von Christian Berndt · 23.02.2014
Nico Hofmanns rekonstruiert in seinem Doku-Drama "Der Rücktritt" die letzten zwei Monate im Amt von Bundespräsident Christian Wulff. Der Film wird kurz vor dem erwarteten Urteil gegen Wulff ausgestrahlt.
"Meine Damen und Herren, ich stelle fest, dass Herr Christian Wulff damit zum Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland gewählt ist."
30. Juni 2010, Christian Wulff ist Bundespräsident. Mit ihm und seiner Gattin scheint neuer Wind in Schloss Bellevue einzuziehen, mit 51 Jahren ist er der jüngste Präsident in der Geschichte der Bundesrepublik, Bettina Wulff die jüngste Präsidentengattin - man erlebt ein modernes Paar. In Originalaufnahmen sind Stationen aus Wulffs Amtszeit zu sehen, parallel dazu erzählt Thomas Schadt in seinem Doku-Drama "Der Rücktritt" die fiktive Geschichte von Wulffs letzten 68 Tagen im Amt. Am Anfang steht eine Besprechung des Präsidenten mit seinen Beratern im Dezember 2011:
"Ein Reporter von der Bild-Zeitung hat angerufen und angefragt, ob er den Kreditvertrag zur Finanzierung Ihres Hauses einsehen darf."
"Warum ruft der ausgerechnet heute an?"
Mit der Frage nach der Finanzierung von Wulffs Eigenheim beginnt die Affäre. Und bereits hier brechen die ersten Risse in der Beziehung zwischen Wulff und seinem engen Vertrauten Glaeseker auf, den er nicht ausreichend informiert hat:
"Wie sollen Hagebölling und ich Dich schützen, wenn wir von all diesen Dingen immer erst dann erfahren, wenn sie plötzlich wie Kanonenkugeln aus dem Nichts durch das Schloss pfeifen."
"Weil privat privat ist. Und Flitterwochen bei Freunden sind privat - und rechtens."
"Ja, rechtens schon. Aber die Welt da draußen ist nun mal der Ansicht, dass es sich für jemanden in Deiner Position nicht geziemt, sich von befreundeten Geschäftsleuten einladen zu lassen."
Wulff ist sich keiner Schuld bewusst und weigert sich, effektive Krisen-Strategien zu entwickeln. Kai Wiesinger spielt Wulff als einen ernsthaften Politiker, der sein Amt sinnvoll ausfüllen möchte, aber nicht begreift, wie sehr sein eigenes Verhalten zum öffentlichen Negativbild beiträgt. Der Film erzählt die Affäre als eine Art kammerspielartiges Drama aus der Innenperspektive des Präsidentenpaares. Bettina Wulff, gespielt von Anja Kling, verzweifelt langsam unter dem äußeren Druck, die Ehe wird immer stärker in Mitleidenschaft gezogen. Vollends zur tragischen Figur wird der Präsident, wenn er beim Staatsbesuch von Journalisten regelrecht vorgeführt wird:
"Ich darf Sie bitten, Ihr Herz für Italien zu öffnen."
"Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass sich hier irgendjemand für Ihre Italienreise interessiert."
"Ich weiß, dass Sie mich nicht wegen Italien begleiten, obwohl das sehr schade ist, weil die deutsch-italienischen Beziehungen gerade jetzt in der Krise für uns von überragender Bedeutung sind."
"Haben Sie aktuell Kontakt zu Ihrem Freund David Groenewold?"
"Wissen Sie noch, in welchen Scheinen Sie Herrn Groenewold das Hotelzimmer auf Sylt bezahlt haben."
Wie der Präsident öffentlich gedemütigt wird, weckt im Film Mitgefühl. Aber auch Wulffs Fehlleistungen werden deutlich gezeigt und von Zeitzeugen wie dem Journalisten Heribert Prantl benannt:
"Diese weinerliche Arroganz, diese Larmoyanz, die sich in diesem Gespräch widerspiegelt, ist eines Präsidenten unwürdig. Einen solchen Präsidenten will ich nicht."
Ob der Rücktritt notwendig war oder nicht, bleibt hier offen.
Das Interview mit dem Produzenten und Drehbuchautor des Films, Thomas Schad, können Sie hier hören.