Chinesischer Huawei-Konzern

"Massive Sicherheitsbedenken"

Ein Huawei-Geschäft in Shenyang, Hauptstadt der chinesischen Provinz Liaoning.
Ein Huawei-Geschäft in Shenyang, Hauptstadt der chinesischen Provinz Liaoning. © picture alliance / Pacific Press Agency / Zhang Wenkui
Kristin Shi-Kupfer im Gespräch mit Liane von Billerbeck  · 12.12.2018
Der chinesische Digital-Konzern Huawei wird in den USA seit Jahren beobachtet. Die Vorsicht ist laut der China-Expertin Kristin Shi-Kupfer berechtigt. Massive Sicherheitsbedenken gründen auch auf den Beziehungen von Huawei zum chinesischen Militär.
Liane von Billerbeck: Eine chinesische Managerin wird in Kanada festgesetzt auf Betreiben der USA. Man wirft ihr vor, über Mittelsmänner und Scheinfirmen Geschäfte mit dem Iran gemacht zu haben, also gegen das Embargo verstoßen zu haben. Nicht irgendeine Managerin, sondern Meng Wanzhou, Finanzchefin von Huawei, zudem Tochter des Konzerngründers.
Mittlerweile ist sie mit strengen Auflagen, einer elektronischen Fußfessel und millionenschweren Kautionen vorerst frei, aber der Fall ist nicht gelöst. China hat Kanada unmenschliche Behandlung der Managerin vorgeworfen, seinerseits einen ehemaligen Diplomaten festgesetzt.
Uns interessiert daran: Was an diesem Fall Meng Wanzhou zeigt dieser Kampf um die Vorherrschaft auch? Um die Schlüsselwirtschaft des 21. Jahrhunderts, also die Technologie, für die auch der Huawei-Konzern steht.
Darüber will ich jetzt reden mit Kristin Shi-Kupfer. Sie leitet den Forschungsbereich Politik und Gesellschaft und Medien des Mercator-Instituts für China-Studien. Sie ist Expertin für Chinas Digitalpolitik, Ideologie- und Medienpolitik, Zivilgesellschaft und Menschenrechte. Schönen guten Morgen!
Kristin Shi-Kupfer: Schönen guten Morgen!
von Billerbeck: Wenn China Kanada eine unmenschliche Behandlung der Managerin vorwirft, dann klingt das in unseren Ohren etwas absurd, zeigt aber auch, wie wichtig diese Person für die chinesische Regierung und Wirtschaft ist, oder?

Im Zentrum der chinesischen globalen Ambitionen

Shi-Kupfer: Richtig, ganz genau. Die Person natürlich auf der einen Seite, aber auf der anderen Seite auch das Unternehmen Huawei, das ja im Zentrum auch der chinesischen globalen Ambitionen steht, eben seine digitalen Standards, seine digitalen Geschäftsmodelle auch zudem zu exportieren und damit auch eine globale Führerschaft beispielsweise im wichtigen Standard 5G, wo Huawei ja auch eine große Rolle spielt, zu übernehmen.
von Billerbeck: Es geht ja in dem Fall konkret um die Geschäfte von Huawei im Iran. Wäre denn China zu Zugeständnissen bereit, um da den Handelskonflikt mit den USA nicht weiter eskalieren zu lassen?
Shi-Kupfer: Ich denke, dieser Fall Huawei ist nur eine Komponente in diesem großen Handelskonflikt beziehungsweise auch des zunehmenden technologischen Wettbewerbs. Ich denke, China wird natürlich jetzt primär versuchen, den Druck auf Kanada aufrechtzuerhalten.
Die Zeichnung zeigt Meng auf einer Bank neben einer Frau, vermutlich eine Anwältin. 
Gerichtszeichnung einer Anhörung der in Kanada festgenommenen Finanzchefin des chinesischen Huawei-Konzerns, Meng Wanzhou (r.), vor dem British Columbia Supreme Court in Vancouver. Meng wurde jetzt mit einer Fußfessel und gegen eine hohe Kaution vorläufig auf freien Fuß gesetzt.© (Jane Wolsak / The Canadian Press / AP / dpa
Man merkt ja auch, die chinesische Regierung hält sich zumindest momentan mit Angriffen oder Forderungen an die USA zurück, weil sie, denke ich, sehr genau weiß, dass das jetzt schwierig ist, in der Situation, bei der Komplexität der Auseinandersetzung das jetzt wirklich als Druckpunkt direkt zu nutzen, um auf Washington dort einzuwirken.
von Billerbeck: Zeigt dieser Fall um diese Managerin von Huawei auch den Kampf um die Vorherrschaft der Schlüsselwirtschaft des 21. Jahrhunderts?
Shi-Kupfer: Ganz deutlich, auf jeden Fall. Im Zentrum dieses Handelskonflikt steht ja genau das, eben die Frage, ob es China gelingt, in diesem Bereich der Emerging Technologies eben die USA einzuholen oder sogar in einigen Bereichen auch voranzuschreiten. Und dass es sozusagen exemplarisch jetzt natürlich auch die Gegenmaßnahmen, die wieder gegen Kanada natürlich unmittelbar gerichtet sind durch die Festsetzung dieses ehemaligen Diplomaten, also auch ein ungewöhnlich harter Schritt diplomatisch aus Sicht der chinesischen Regierung, der aber ganz klar eben diese große Bedeutung, weit über die Person Meng hinaus zeigt.
von Billerbeck: Donald Trump hat ja vor allem immer alte Industrien in dem Handelskonflikt mit China in den Blick gerückt und weniger die Schlüsseltechnologien der Zukunft. Wird sich das jetzt auch, an diesem Fall aufgehängt, ändern?
Shi-Kupfer: Diese Schlüsseltechnologien haben natürlich von vornherein durchaus eine Rolle gespielt, auch durch die immer mal wieder aufkommenden Bemühungen und auch temporären Blockaden der USA von Exporten beispielsweise von Chips, dann ein anderes wichtiges chinesisches, auch staatlich assoziiertes Unternehmen, ZTE.
Das ist durchaus ein Bereich, der nicht jetzt erst seit einigen Wochen oder seit einigen Tagen im Zentrum auch dieses Konflikts zwischen den USA und China steht, sondern eigentlich über Jahre hinweg immer mal Thema war. Auch Huawei selbst stand ja schon seit Längerem unter Beobachtung in den USA. Anfang 2010, 2012 sind dort erste Vorwürfe aufgekommen. Das ist sicherlich ein Bereich, der ganz zentral ist in diesem Verhältnis der zwei Großmächte.

Verbindungen zum Militär, zum Parteistaat, zu den Geheimdiensten

von Billerbeck: Auch hier in Deutschland wird ja gerade über die Einführung von 5G debattiert, und da wird manchmal auch die Frage aufgeworfen, ob das wirklich in jedem Dorf, also an jeder Milchkanne notwendig sei. Gut möglich, dass hier auch Huawei als Anbieter zum Zuge kommt. Wäre das dann ein Risiko für Deutschland?
Shi-Kupfer: Ich meine, umfassende Sicherheit gibt es natürlich bei solchen Technologien nicht, obwohl die natürlich noch mal besonders dadurch, dass sie auch regelmäßig upgedatet werden, auf der einen Seite besonders sicher sind, auf der anderen Seite es da aber auch wieder Möglichkeiten gibt, dann Backdoors einzuschleusen. Aber natürlich: Huawei ist sicherlich ein Unternehmen, das haben die letzten Jahre eigentlich gezeigt, wo besondere Sicherheitsvorkehrungen angebracht sind.
Es ist auch sehr bezeichnend, dass sich die britische Regierung ja entschlossen hat, Huawei nicht nur aus der 5G-Technologie sozusagen auszuschließen, sondern auch rückwirkend jetzt das chinesische Unternehmen rauszunehmen aus den älteren 3G- und 4G-Standards. Das deutet doch schon auch aufseiten von Großbritannien, und wir haben das in Australien, Neuseeland, Japan ja auch gesehen, doch auf massive Sicherheitsbedenken hin.
Und darüber hinaus denke ich auch natürlich, die Verbindung von Huawei zum Militär, zum Parteistaat, auch zu Geheimdiensten, die mit dem Militär verbunden sind, sind natürlich auch ein weiteres Kriterium, das einfach Bedenken auslöst.
von Billerbeck: Kurze Frage zum Schluss: Wird dieser Fall Meng Wanzhou eigentlich auch innerhalb Chinas diskutiert?
Shi-Kupfer: Dieser Fall wird sehr heiß diskutiert beziehungsweise ist heiß diskutiert worden. Jetzt, seit vor zwei Tagen war es, dass die chinesische Zensurbehörde eingeschritten ist, also untersagt hat, darüber aktiv weiter zu berichten. Aber viele Chinesen, Internetbenutzer waren doch sehr empört über diese Behandlung, haben also das Narrativ der chinesischen Regierung dort durchaus aufgegriffen. Es gab eigentlich nur wenige Stimmen, die sozusagen die ganze Komplexität des Falls auch hinterfragt haben.
von Billerbeck: Einschätzungen waren das von Kristin Shi-Kupfer, Expertin des Mercator-Instituts für China-Studien, über den Fall Meng und dessen mögliche Folgen. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Shi-Kupfer: Sehr gern!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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