Chinesischer Dissident Liao Yiwu

Erinnerungen an Willkür und Folter

Der Schriftsteller Liao Yiwu zu Gast im Deutschlandradio Kultur.
Der Schriftsteller Liao Yiwu © Deutschlandradio - Andreas Buron
Liao Yiwu im Gespräch mit Frank Meyer · 25.08.2016
Der chinesische Autor und Dissident Liao Yiwu wurde international bekannt mit seiner literarischen Dokumentation "Fräulein Hallo und der Bauernkaiser". Nun ist sein erster Roman, "Die Wiedergeburt der Ameisen", erschienen - Unterdrückung ist wieder das Thema.
Seit 2011 lebt der chinesische Autor, Dichter und Musiker Liao Yiwu in Berlin im Exil. International bekannt wurde der Dissident, der wegen seiner Kritik am Tiananmen-Massaker in Peking mehrere Jahre im Gefängnis saß, für seine literarische Dokumentation "Fräulein Hallo und der Bauernkaiser".
Nun hat er erstmals einen Roman herausgebracht, "Die Wiedergeburt der Ameisen", der jedoch auch mehr oder weniger dokumentarisch ist: Liao Yiwu verwebt darin die Geschichte seiner Familie mit der seines Heimatlandes China, das ihn verstoßen hat. Der Held durchlebt, wie Liao Yiwu, im Gefängnis die Auswüchse des totalitären Regimes und erfährt Folter und Demütigung. Allein sein Lieblingsbuch, das wundersame chinesische Orakel "I Ging", hilft ihm die Hölle der Gefangenschaft zu überleben.

Abenteuerliche Entstehungsgeschichte

Die Entstehungsgeschichte des Romans ist abenteuerlich. Liao Yiwu begann im Gefängnis mit der Niederschrift – heimlich und gehetzt, weshalb er die eigenen Schriftzeichen später kaum habe entziffern können – "so winzig wie Ameisen". Die beschriebenen Seiten habe er einen älteren Gefangenen anvertraut, der schon viele Jahrzehnte als Regimegegner im Gefängnis verbracht habe und zuletzt als Putzkraft eingeteilt war – "er fiel schon gar nicht mehr auf ", erinnert sich Liao Yiwu.
"Durch glückliche Fügung habe ich ihn kennen gelernt. Und irgendwie – durch welche Kanäle weiß ich nicht – hat er die Seiten dann aus dem Gefängnis herausschmuggeln lassen."
Später überarbeitete er seinen Text dann grundlegend. Anders als seine Übersetzerin betrachtet Liao Yiwu sein Werk jedoch nicht als autobiografischen Roman. Denn was ihm widerfahren sei, passiere "in vielen chinesischen Familien".

"Es geht nur noch um Geld"

Der Autor beklagt, im heutigen China stürben die alten Traditionen, die nur noch lokal, meist auf dem Land, gepflegt würden. Mit dem Kommunismus sei die Verbindung dahin "durchschnitten" worden. Heute sehe er keinen Weg hin zum Wiederaufblühen dieser Traditionen oder der Formung neuer Traditionen. "Alle sprechen nur vom Geld." Darum – um Geld und schnellen Sex – geht es auch in dem Roman.
Würde Liao Yiwu, der in China zuletzt in der Provinz Sichuan lebte und derzeit von Tantiemen und anderen Zuwendungen oder Projektmitteln lebt, gerne bald in sein Heimat zurückkehren?
"Es sieht düster aus", sagt der Autor und meint damit die politische Situation in China. Er wünsche sich, China möge in mehrere Teile zerfallen – "und jeder Teil hätte die Chance, sein Schicksal in die eigene Hand zu nehmen." Unter dieser Bedingung würde er gerne in seine Heimat-Provinz zurückkehren.
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