Chinas Metropolen

Den maoistischen Muff abgelegt

Ein Fußgänger läuft vorbei an einem luxuriösen Uhren-Shop im größten Einkaufsviertel Shanghais in China (aufgenommen 2013).
Ein Fußgänger läuft vorbei an einem luxuriösen Uhren-Shop im größten Einkaufsviertel Shanghais in China. © Peter Parks / AFP
Von Markus Rimmele · 23.10.2014
In China leben sechsmal so viele Dollarmillionäre wie in Deutschland und in den Städten ist eine Mittelschicht entstanden. Der Wohlstand in den Metropolen ist aber nur die halbe Wahrheit. Viele ländliche Gebiete sind immer noch arm.
Prada, Louis Vuitton, Hermès, Hugo Boss. Keine teure Marke fehlt in Shanghais Luxus-Shoppingmalls. Dutzende davon gibt es, oft steht eine neben der anderen, flankiert von Ferrari-Boutiquen und 5-Sterne-Plus-Hotels. Das alles überragt von einer futuristischen Skyline, die ihresgleichen sucht. China ist immer noch ein kommunistischer Einparteien-Staat. Doch äußerlich haben die Metropolen den maoistischen Muff längst abgelegt. Reichtum wird zur Schau gestellt.
"Viele meiner Kunden sind der Meinung, dass eine gute Flasche Wein bei umgerechnet 1000 Euro anfängt",
erzählt etwa Lin Sen, ein exklusiver Weinhändler in Shanghai.
"Die schauen nur auf den Preis. Einmal hat ein Kunde vier Flaschen Chateau Lafite gekauft und an einem Abend mit Freunden im Ex- und Hop-Stil ausgetrunken – für 12.000 Euro."
Wein, Mode, Kunst, Autos, Essen – das sind die Spielwiesen der Reichen. Und natürlich Immobilien – gerne auch in London oder New York. Die 35-jährige He Xuelian, eine Unternehmerin, hat letztens zwei Wohnungen in Hongkong gekauft, 8000 Euro pro Quadratmeter. Die eine steht meistens leer.
"Das Apartment können unsere Freunde benutzen, wenn sie in Hongkong zu tun haben", sagt sie. "Aber es ist vor allem eine Geldanlage."
Der größte Automarkt der Welt
Nach drei Jahrzehnten Wirtschaftswunder leben in China heute sechsmal so viele Dollarmillionäre wie in Deutschland. Doch auch unterhalb der Geldelite hat sich Wohlstand entwickelt. In den Städten ist eine Mittelschicht entstanden. Zwei- bis dreihundert Millionen Menschen, die Autos kaufen. China ist heute schon der größte Automarkt der Welt. Und die verreisen:
"Wir sind hier mit unserem Kind und wollen die tropische Natur erleben",
sagt diese Urlauberin auf Chinas Tropeninsel Hainan.
"Wir wollen in den Urwald und an den Strand. Normalerweise arbeiten wir immer. Jetzt sind Schulferien, da wollten wir mal Pause machen."
Wenn Chinesen ins Ausland reisen, geben sie dort pro Kopf mehr Geld aus als anderen Nationalitäten. Die Mittelschicht ist bildungsbeflissen, gibt heute viel Geld für den Schulerfolg der Kinder aus. Privater Englisch-Unterricht am Sonntag, Feriencamp in den USA in den Sommerferien. Wo der Wohlstand wächst, da steigen auch die Preise. Das Leben in einer Stadt wie Shanghai ist längst nicht mehr billig. Eine Flasche Bier im Restaurant ist unter 1,50 Euro nicht mehr zu haben.
Bei Krankheit fehlt das Geld
Der Wohlstand in den Metropolen ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Viele ländliche Gebiete sind immer noch arm.
"Pro Woche verdienen wir 200 bis 300 Yuan, 24 bis 36 Euro. In einer guten Woche vielleicht 50 Euro",
sagt diese Schweinefleisch-Händlerin auf einem Dorfmarkt am Nu-Fluss, im äußersten Südwesten Chinas.
"Das Einkommen hier ist niedrig. Wenn man krank wird, fehlt das Geld. Wir haben nicht genug, um zum Arzt zu gehen."
Bei der Summe des Privatvermögens steht China heute weltweit an zweiter Stelle. Allerdings geht es hier um eine Milliardenbevölkerung. Pro Kopf gerechnet ist ein Westeuropäer noch immer sechsmal so reich wie ein Chinese.
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