Chinas Geld für deutsche Universitäten

Kassieren und schweigen

06:23 Minuten
Wieviel Geld aus China an deutsche Universitäten geht, steht im Dunkeln.
Wie viel Geld aus China an deutsche Universitäten geht, bleibt oft im Dunkeln. © IMAGO / AFLO
Von Sven Kästner · 28.01.2021
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Ein Sinologe wollte wissen, wie viel Geld deutsche Hochschulen von chinesischen Unternehmen für die Forschung bekommen. Dabei erlebte er, dass viele Universitäten lieber nicht darüber sprechen wollen, welche Partner Projekte mitfinanzieren.
"Ich möchte, dass die Uni endlich offenlegt, was sie für Geld aus China bekommt: Von wem, wie hoch?"
David Missal hat die Uni Mainz schon vor einem Jahr nach Projekten mit chinesischen Partnern gefragt. Doch Antworten erhielt er nicht. Vergangene Woche klagte der Sinologe und Menschenrechtsaktivist auf Auskunft.
Einen Tag später erhielt er plötzlich erste Informationen. Allerdings: "Das, was die Uni geliefert hat, ist quasi nur das, was sowieso schon bekannt war."
Die Hochschule teilte mit, dass der chinesische Technologiekonzern Huawei 90.000 Euro für ein gemeinsames Forschungsprojekt zahlte. Das ist seit 2017 öffentlich, als sich der Wissenschaftsausschuss des rheinland-pfälzischen Landtages damit beschäftigte.

"Wo gibt es Abhängigkeiten von China?"

Missal vermutet weitere Kooperationen. "Im Landtag hieß es, dass es zahlreiche Kooperationen gab. Und auch da ist ja die Frage: Gab es bei den Kooperationen vielleicht anderweitige Zuwendungen? Sei es in Form von Lehrpersonal oder durch kostenlose anderweitige Veranstaltungen, die irgendwie aus China finanziert wurden – solche Dinge. Es geht darum, einfach zu schauen: Wo gibt es Abhängigkeiten von China?"
Uni-Präsident Georg Krausch kontert: Ihm seien neben dem Huawei-Projekt nur einige kleinere Kooperationen bekannt. Für die sei allerdings kein Geld nach Mainz geflossen. Dass die Hochschule solange gebraucht hat, Missals Anfrage zu beantworten, liege unter anderem an den Gesetzen:
"Zunächst mal ist die rechtliche Situation so, dass nach dem Landestransparenzgesetz, wenn Dritte betroffen sind, man die Einwilligung des Dritten herbeiführen muss. Man muss nachfragen. Und wenn der in vier Wochen sich nicht äußert, darf man auch nicht. Dann gilt es als abgelehnt. Und so exakt war das."

Universitäten berufen sich auf Geschäftsgeheimnisse

Die Uni Mainz ist kein Einzelfall. David Missal hat die 100 größten deutschen Hochschulen nach chinesischen Kooperationspartnern gefragt und kaum Antworten erhalten. Nur wenige Bundesländer verpflichten sie dazu. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte – kurz GFF – möchte das ändern. Der Verein von Juristinnen und Juristen setzt sich unter anderem für mehr Transparenz der Hochschulen bei Forschungskooperationen ein, so Aktivistin Julia Reda:
"Die Tatsache, von wem sie Geld bekommen, für welche Forschung und unter welchen Konditionen, ist meiner Ansicht nach nicht Teil dessen, was geheim gehalten werden darf. Und deshalb braucht es in den Landestransparenz- oder Informationsfreiheitsgesetzen weitgehende Regelungen, die eben Universitäten auch einschließen und auch zur Transparenz verpflichten."
Reda unterstützt die Klage in Mainz. Oft begründeten Hochschulen ihre Schweigsamkeit damit, dass Geschäftsgeheimnisse betroffen seien.
Die GFF-Aktivistin überzeugt das nicht: "Die GFF hat schon vor ein paar Jahren ein Gutachten in Auftrag gegeben, das gezeigt hat, wie problematisch es ist für die Wissenschaftsfreiheit, wenn solche Informationen über Drittmittel nicht an die Öffentlichkeit kommen. Ich hoffe, dass dieser Fall dazu beiträgt, eben einen solchen Missbrauch des Geschäftsgeheimnisschutzes zurückzudrängen."

Unklar, woher Unis Drittmittel erhalten

Weil seit Jahren die Studierendenzahlen steigen und die Lehre teurer wird, bemühen sich die Hochschulen um zusätzliche Finanzquellen für die Forschung, sogenannte Drittmittel. 1,3 Milliarden Euro haben deutsche Unis 2018 von privaten Geldgebern eingeworben. Allerdings veröffentlichen viele nicht, woher und wie viele solcher Zuschüsse sie erhalten.
Auch im Unibetrieb steht diese Praxis in der Kritik. Und die fehlende Transparenz setze früh ein, sagt Michael Hartmer vom Deutschen Hochschulverband – der Interessensvertretung der Forschenden:
"Das fängt schon bei Masterarbeiten an und setzt sich über Promotionsvorhaben fort und wird dann bis in die Drittmittelverträge hineinprojiziert. Immer alles geheim, weil rituell behauptet wird, es seien wirtschaftliche Interessen des Drittmittelgebers tangiert. Das kann eben so nicht laufen. Denn das führt dazu, dass es eine Geheimforschung gibt mit öffentlichen Mitteln. Denn schließlich ist der ganze Apparat und auch der Hochschullehrer aus öffentlichen Mitteln finanziert."

Zum Teil hohe Gebühren für Auskunftsanfragen

Manche Universitäten verlangen für Anfragen zu Kooperationen mehrere Hundert Euro Gebühr und begründen dies mit dem Rechercheaufwand. Das kann Fragesteller abschrecken. Allgemein verbindliche Transparenzregeln könnten solche Kosten senken, sagt Julia Reda:
"Wenn die Verwaltung von sich aus die Dokumente veröffentlicht, die unter die Informationsfreiheit fallen, anstatt erst darauf zu warten, dass so eine Anfrage kommt, dann sind auch die Verwaltungskosten auf Dauer wesentlich niedriger. Und dann könnte man auf solche Gebühren verzichten."
Auch die Uni Mainz hatte David Missal zunächst Gebühren angedroht. Die bisherigen Informationen hat sie aber kostenlos herausgegeben. Uni-Präsident Krausch zufolge war die Recherche allerdings recht aufwendig. Was auch daran liege, dass die Hochschule eine Zusammenarbeit mit China vor zehn Jahren weniger kritisch gesehen habe als heute.
"Deswegen haben wir innerhalb der Hochschule auch keine Verfahren der Datenerhebung, der Datenzusammenführung oder so etabliert: Wo ich heute auf den Knopf drücken könnte und Ihnen sagen könnte, das sind unsere Kooperationen mit China", sagt er. "Sondern das hängt an ganz verschiedenen Stellen der universitären Verwaltung, teils in den Fachbereichen. Und es ist gar nicht so leicht, festzustellen, wie man so eine Frage beantworten kann."
Das könnte sich bald ändern. Mittlerweile diskutiert die Hochschulrektorenkonferenz über strengere Standards für die Zusammenarbeit mit chinesischen Partnern. Das soll verhindern, dass gemeinsame Forschungsergebnisse in China für Menschenrechtsverletzungen genutzt werden oder der chinesische Einfluss an einer deutschen Hochschule zu groß wird.
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