Chinaexpertin über Pekings Einfluss

"Eine Mischung aus Naivität und Naivität, die sich bezahlt macht"

12:54 Minuten
In Sassnitz fährt der erste Containerzug als Teil der chinesischen Seidenstraßeninitiative ein.
Nützlicher Welthandel oder Einfallstor für chinesische Einflussnahme? Im Hafen von Sassnitz auf Rügen fährt der erste Containerzug als Teil der Seidenstraßen-Initiative ein. © dpa-Zentralbild/ Jens Büttner
Mareike Ohlberg im Gespräch mit Christian Rabhansl · 30.05.2020
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China baue zunehmend aggressiv seine Macht in der Welt aus, schreiben Mareike Ohlberg und Clive Hamilton. Peking unterwandere westliche Demokratien, heißt es im Untertitel. Im Gespräch erläutert Ohlberg die Methoden und deren Erfolg.
Auf Youtube sind Kommentare, die die chinesischen Schriftzeichen für "kommunistische Hunde" oder andere Schimpfworte für die Kommuniste Partei enthalten, über Monate gelöscht – ein Versehen, wie Google mitteilt; eine australische Universität verklagt einen ihrer Studenten, der Demonstrationen für ein freies Hongkong organisiert hat. Mareike Ohlberg hat keine Beweise, dass die chinesische Regierung in diesen Fällen Druck gemacht und dass sich Google und die Universität diesem gebeugt hätte, das betont sie – genauso wie sie betont, dass sie nicht in die Köpfe von Entscheidern sehen könne.
Aber sie stellt Fragen und dokumentiert. Ohlberg hat gemeinsam mit Clive Hamilton das Buch "Die lautlose Eroberung" geschrieben, Untertitel "Wie China westliche Demokratien unterwandert und die Welt neu ordnet". Sie enthüllen, wie und mit welch großem Erfolg das immer mächtiger werdende China seinen Einfluss auch in der westlichen Welt geltend macht.

Lockruf des riesigen Marktes

Ohlberg, die über chinesische Außenpropaganda promoviert hat und bis vor kurzem am Mercator Institute for China Studies (MERICS) in Berlin tätig war, weist auf die wirtschaftliche Lockkraft Chinas hin. Unternehmen hofften, auf dem riesigen Markt zu reüssieren: Es sei einfach so, "dass Firmen wie Facebook, wie Twitter, wie Google, zu dem Youtube gehört, meiner Meinung immer noch Hoffnung haben, irgendwie doch noch Zugang zum chinesischen Markt zu kriegen und dadurch bereit sind, sagen wir mal so, der chinesischen Regierung entgegenzukommen", sagt die Forscherin.
Universitäten wiederum wollten mit den chinesischen Hochschulen kooperieren, vor allen Dingen in den MINT-Fächern, oder gerne an Daten herankommen. "Dann ist man bereit, Zugeständnisse zu machen und sich mit Leuten zu treffen, Abkommen zu treffen und auch abhängig zu machen teilweise von diesen Kooperationen." Ohlberg spricht von "Naivität und Naivität, die sich bezahlt macht".
"Die von der Partei ausgehende Bedrohung wirkt sich auf das Recht aller Menschen aus, ein Leben ohne Furcht zu führen", mit dieser Aussage hat Ohlberg an anderer Stelle verdeutlicht, für wie groß sie den Einfluss Chinas in der Welt hält. "In unterschiedlichen Ländern der Welt ist es unterschiedlich weit fortgeschritten", sagt Ohlberg.

Einflussnahme im Ausland

In Deutschland etwa kriege man weniger mit als etwa in Australien. Aber auch in Berlin, wo relativ viele prominente Dissidenten lebten, seien die Aktivitäten schon zu spüren. "Wenn hier Veranstaltungen stattfinden, sind eigentlich immer ein paar Leute dabei, von denen relativ klar ist, in wessen Auftrag sie da sind, um Bericht zu erstatten."
Bei Firmen gebe es Selbstzensur und Entschuldigungen bei nichtigen Anlässen, selbst Fußballklubs distanzierten sich von Aussagen ihrer Spieler wie der FC Arsenal London von Aussagen von Mesut Özil. "Es funktioniert einfach", sagt sie. "Vor einem Jahrzehnt war es noch so: Wenn die chinesische Regierung gesagt hat, diese Aussage ist schlecht, der Film ist schlecht, dieses Buch darf keiner lesen, hat das eher Werbung dafür gemacht. Inzwischen funktioniert es, inzwischen machen die Leuten einen Rückzieher, inzwischen entschuldigen sie sich – alle wollen auf den chinesischen Markt."
Ohlberg rät, Kompetenz aufzubauen, um die Naivität hinter sich zu lassen. Auf der internationaler Bühne sollten Staaten solidarisch vorgehen und sich frühzeitig abstimmen.
(mfu)

Das Interview im Wortlaut:
Christian Rabhansl: Diese Woche gab’s eine Meldung von YouTube. YouTube hat verkündet, es habe eine bedauerliche Panne gegeben, und zwar hatte die Plattform über Monate – versehentlich angeblich – alle Kommentare gelöscht, in denen beispielsweise die chinesischen Schriftzeichen für kommunistische Hunde oder für andere Schimpfworte für die kommunistische Partei Chinas aufgetaucht sind. Nur ein Versehen, keine Zensur betont YouTube. Wie es zu so einer merkwürdigen Panne kommen konnte, dass eine Software aus Versehen, aber vollautomatisch Kritik an der chinesischen Partei löscht, das hat YouTube dann nicht erklärt. Vielleicht hat Mareike Ohlberg eine Erklärung. Die China-Expertin hat gemeinsam mit Clive Hamilton das Buch geschrieben "Die lautlose Eroberung: Wie China westliche Demokratien unterwandert und die Welt neu ordnet". Dieses Buch ist randvoll mit Beispielen von solchen Pannen, von merkwürdigen Zufällen, von offensichtlicher Selbstzensur und auch ganz offenem Druck aus Peking. Glauben Sie an eine bedauerliche Panne, wenn Sie so eine Meldung hören?
Ohlberg: Wenn die sagen, das ist eine bedauerliche Panne, wer bin ich, zu sagen das Gegenteil. Ich bin selber da sehr zynisch, weil ich schon an vielen Stellen gesehen hab, wie immer stärker der Standpunkt der Kommunistischen Partei Chinas auch auf Medien wie Twitter gepusht wird. Ich habe auch miterlebt, wie auf Twitter, auf diversen anderen sozialen Medien Kommentare, in denen Inhalte drin sind, die in China als sensibel gelten würden – also Sachen zu Tibet, zu Taiwan, zur uigurischen Minderheitenregion Xinjiang, zu den Protesten in Hongkong, die ja gerade wieder hochaktuell sind –, die wurden dann plötzlich versteckt. Da kriegte ich dann eine Anzeige, das ist sensibler Inhalt. Das konnte ich dann auch erst mal nicht sehen, bis ich meine Einstellungen geändert habe. Es kann natürlich sein, dass es so eingestellt ist von den sozialen Medien selber, es kann aber auch sein, dass einfach Trolle das melden, und dann passiert das. Es gibt da verschiedene Möglichkeiten, das könnte bei YouTube auch der Fall gewesen sein, dass da eine massive Trollattacke oder eine Bot-Attacke kam, nichtsdestotrotz ist es einfach so, dass Firmen wie Facebook, wie Twitter, wie Google, zu dem YouTube gehört, noch sehr, sehr lange und meiner Meinung nach immer noch die Hoffnung haben, irgendwie doch noch Zugang zum chinesischen Markt zu kriegen, und dadurch bereit sind, sagen wir mal so, der chinesischen Regierung entgegenzukommen.

Freundschaftsgruppen und Thinktanks

Rabhansl: Das, was Sie beschreiben in Ihrem Buch, das betrifft ja jetzt nun beileibe nicht nur soziale Medien, auch andere Firmen, die sich immer mehr anpassen. Sie beschreiben, wie China im Westen Thinktanks organisiert, sogenannte Freundschaftsgruppen in Parlamenten unterhält, Unis unterwandert, so wie Sie das schildern, und Sie kommen zu einem sehr drastischen Schluss, nämlich: China unterwandere nicht nur sämtliche westliche Demokratien, nein, hier ist ein Zitat von Ihnen, "die von der Partei ausgehende Bedrohung wirkt sich auf das Recht aller Menschen aus, ein Leben ohne Furcht zu führen". Das ist ein ziemlich hartes Urteil.
Ohlberg: Das ist hart, wenn man das noch nicht selber miterlebt hat, und gerade auch, wenn man mit China noch nicht so viel zu tun hatte, dann denkt man erst mal, das ist Quatsch. Es ist tatsächlich auch so, in unterschiedlichen Ländern auf der Welt ist es unterschiedlich weit fortgeschritten. Hier in Deutschland kriegen wir tatsächlich noch weniger von dem mit als zum Beispiel in Australien. In Australien ist es gerade so, dass eine australische Uni einen 20-jährigen Studenten versucht zu verklagen für im Prinzip Proteste, die er für Hongkong organisiert hat. Das haben wir hier so noch nicht.
Rabhansl: Die Uni verklagt ihn.
Ohlberg: Die Uni verklagt den Studenten dafür, dass er Proteste, Pro-Hongkong-Proteste und für andere chinesische Minderheiten organisiert hat. Diese Uni ist stark finanziell abhängig von China. Da sieht man so was schon, das sieht man hier noch nicht. Nichtsdestotrotz fängt es aber auch hier schon an sich auszuwirken.
Rabhansl: Zum Beispiel?
Ohlberg: In Berlin sitzen relativ viele chinesische Dissidenten – Ai Weiwei ist ja jetzt prominent weggegangen aus Berlin, aber es sitzen trotzdem noch relativ viele Leute hier, die sich einfach organisiert haben. Da passiert wahnsinnig viel Überwachung. Wenn hier Veranstaltungen stattfinden, sind eigentlich immer ein paar Leute dabei, von denen relativ klar ist, in wessen Auftrag da sind, um Bericht zu erstatten. Wir sehen bei Firmen einen Grad an Selbstzensur und dann auch an Entschuldigungen an die chinesische Regierung – also ist nicht, wenn ein Automobilkonzern irgendwie auf Instagram – Instagram ist in China geblockt, das darf man eigentlich in China gar nicht nutzen – ein Dalai-Lama-Zitat benutzt, was völlig harmlos ist, dann boykottiert wird von der chinesischen Regierung und auch chinesischen Bürgern und dann sich entschuldigt über alle Maßen und trotzdem irgendwie noch Schaden dabei wegkriegt. Dass zum Beispiel Mesut Özil sich für die Uiguren einsetzt, eine Minderheit, die in China massiv verfolgt wird von den bis zu zwei Millionen Menschen in Umerziehungslagern einsitzen oder eingesessen haben, sich für die einsetzt, sein Fußballklub sich sofort von ihm distanziert und sagt, damit haben wir nichts zu tun.
Rabhansl: In Großbritannien.
Ohlberg: In Großbritannien, Arsenal sich sofort distanziert, aber trotzdem dann noch Einbußen in China hat. Und es funktioniert einfach. Vor einem Jahrzehnt war es noch so, wenn die chinesische Regierung gesagt hat, diese Aussage ist schlecht oder der Film ist schlecht, dieses Buch darf keiner lesen, hat es eher Werbung dafür gemacht. Inzwischen funktioniert es, inzwischen machen die Leute einen Rückzieher, inzwischen entschuldigen sie sich, weil sie einfach alle auf den chinesischen Markt wollen.
Rabhansl: Das schildern Sie anhand der Firmen, da lässt es sich noch relativ leicht nachvollziehen, wenn man zynisch sagt, na gut, die wollen halt das Geschäft machen, Sie haben aber auch ein großes Augenmerk auf die Unis. Da haben Sie vorhin schon ein Beispiel genannt von einer australischen Uni, die einen Studenten verklagt. Sie haben in Ihrem etliche Beispiele von Unis, die Filmabende absagen et cetera, et cetera, und Sie schreiben, westliche Universitäten würden eine außergewöhnliche Naivität an den Tag legen, was die Zusammenarbeit mit chinesischen Unis und chinesischen Unternehmen betrifft. Warum glauben Sie, ist das so?
Ohlberg: Es ist aus meiner Sicht eine Mischung aus Naivität und Naivität, die sich bezahlt macht. Es gibt möglicherweise auch wenig Anreize, diese Naivität zu überwinden. Es ist ja so, Kooperationen mit China möchte man haben, vor allen Dingen in den MINT-Fächern, in diversen anderen Bereichen. Man möchte mit China kooperieren, man möchte dort sein, man möchte die Daten aus China haben, die man hier teilweise so gar nicht kriegen kann, weil es entweder die Daten nicht gibt oder weil das möglicherweise gar nicht erlaubt wäre. Und dann ist man bereit, da einige Zugeständnisse zu machen und sich mit Leuten zu treffen, mit Leuten Abkommen zu machen und sich auch abhängig zu machen teilweise von diesen Kooperationen.

Instrumente der Diskurssteuerung

Rabhansl: Sie schreiben aber auch, dass aus China beispielsweise Militärangehörige als scheinbare Studenten dann an westlichen Unis eingeschrieben werden, um dann dort Wissen und Technologie zurückzuschmuggeln, und da würde bewusst nicht so richtig hingeguckt.
Ohlberg: Ich kann nicht in die Köpfe von Menschen schauen, ich weiß nicht, ob derjenige, der sagt, das ist okay, das weiß oder das nicht weiß. Ich gehe in Deutschland tatsächlich häufig davon aus, dass die Wenigsten sich damit beschäftigen und die Wenigsten fragen nach, wer ist das eigentlich, von welcher Uni kommt der, was für Affiliationen hat der oder die. Man kann es häufig nachschauen und einiges rauskriegen, wir haben inzwischen die Ressourcen, aber es wird einfach noch nicht gemacht.
Rabhansl: Jetzt haben wir über Unis gesprochen, wir haben über Wirtschaftsunternehmen gesprochen, und die Wirtschaft mischt sich in einem Bereich mit der Politik, das ist die Initiative "Neue Seidenstraße", wo man sagen könnte, Deutschland ist ein Exportland, mehr Welthandel kann uns doch nur guttun. Sie sehen aber auch darin ein strategisches Instrument der Diskurssteuerung.
Ohlberg: Instrument der Diskurssteuerung, Instrument der Neuordnung von Allianzen, das ist alles da mit drin. Es ist letztlich ein Prinzip, was da passiert und weshalb wir über Diskurssteuerung sprechen. Es ist letztlich in der Regel, einzelne Länder kommen mit China zusammen, China ist in der Regel der stärkere Partner, und dann wird von den anderen Regierungen verlangt, dass sie Formulierungen, die von der chinesischen Regierung vorgegeben sind, wiederholen, sich dazu bekennen: Wir alle unterstützen die "Neue Seidenstraße", wir finden, das ist super, wir finden, China ist ein verantwortungsbewusster internationaler Partner. Das ist natürlich genau das Image, das China von sich aufbauen möchte, und dass man einfach über diese Kanäle auch Leute im Ausland dazu bringt, das zu wiederholen. Dann kann die chinesische Regierung zum Beispiel sagen, wenn sie dann nach Südostasien geht, was ist eigentlich euer Problem mit der "Neuen Seidenstraße", selbst die in Europa sagen, das ist eine super Initiative. Das ist damit gemeint.
Rabhansl: Wir haben jetzt über viele einzelne Beispiele gesprochen, in Ihrem Buch sind noch viel, viel, viel mehr drin. Das hat jetzt vielleicht ein bisschen sprunghaft gewirkt, wie wir das jetzt hier versucht haben zusammenzufassen. Ich bin deswegen auch thematisch so gesprungen, weil Sie ja zu dem Schluss kommen, das alles zusammen sei eine von der Kommunistischen Partei gelenkte Strategie, wenn ich Sie richtig verstehe, zur – und jetzt komme ich noch mal zum Titel – zur Unterwanderung westlicher Demokratie.
Ohlberg: Letztlich ist die Idee, wenn wir eine feindliche Außenwelt haben, die der Meinung ist, wir wären irgendwie ein Anachronismus, unser System dürfte es gar nicht mehr geben, unser politisches System, wir werden nicht wahrgenommen als verantwortungsbewusste Macht, dann schadet uns das sowohl im Inneren, bei unserem eigenen Machterhalt, als auch im Äußeren, wenn wir unsere Interessen verfolgen. Das heißt, man möchte dauerhaft die Außenwelt umgestalten, sodass sie sicherer ist für die Partei zu Hause – einerseits, indem man Diskurse tatsächlich ändert. Eine Stoßrichtung ist, die wir jetzt auch gerade in der Covid-19-Krise stark sehen, das chinesische Modell ist das Modell der Zukunft. Das chinesische Modell ist ausgestattet, im 21. Jahrhundert mit den Herausforderungen umzugehen, wie solche Pandemien, während Demokratien, das ist irgendwie so eine Sache aus dem 20. Jahrhundert, das hat da mal ganz gut gepasst, aber schaut mal, wie sehr die jetzt scheitern, das ist für diese Zeit nicht mehr gedacht. Da so viele Befürworter für diese Idee zu kriegen wie möglich, damit es einfach das System ist, anerkannt ist, das ist das Beste für China, möglicherweise das Beste für die Welt.

Die größtmögliche Koalition

Rabhansl: Und darin liegt dann natürlich ein Problem für die westlichen Demokratien. Zentrales Element, um diese ganze Strategie durchzusetzen, ist eine Strategie, die schon fast hundert Jahre alt ist, nämlich die sogenannte Einheitsfront. Was ist das?
Ohlberg: Die Einheitsfrontstrategie wurde entwickelt im Bürgerkrieg in den 20er-, 30er-, 40er-Jahren von der Kommunistischen Partei. Die Idee, die dahintersteckt, ist, ich baue die größtmögliche Koalition – das sind möglicherweise Leute, mit denen ich nicht übereinstimme, mit denen ich auch nicht unbedingt langfristig gemeinsame Sache machen will, aber mit denen ich jetzt zu diesem Zeitpunkt übereinstimme – gegen den Hauptfeind. Der muss bekämpft werden, und dafür kann ich dann mit allen anderen zusammenarbeiten. Das klingt so erst mal – wenn ich höre, wie ich das selber erkläre, denke ich, das glaubt mir doch kein Mensch, weil es klingt tatsächlich wie eine Logik aus einer anderen Welt, ist aber ein extrem wichtiges Prinzip, wie die Kommunistische Partei Chinas international vorgeht. Wer der Hauptfeind ist, das ist tatsächlich situationsabhängig – auf globaler Ebene der Hauptfeind, den man am meisten schwächen muss, den man am meisten bekämpfen muss, ist die USA. Es kann aber regional, wenn man jetzt sagt, in der EU oder in Europa an sich oder in einem anderen regionalen Teil kann das auch mal jemand anderes sein, es muss nicht immer die USA sein. Es kann auf nationaler Ebene zum Beispiel in Deutschland die Bundesregierung sein, die zum Beispiel sagt, wir sind nicht offiziell bei der "Neuen Seidenstraße" dabei. Da versucht man dann Bündnisse zu schließen mit Länderregierungen, mit Stadtregierungen, die dann alle sich dafür aussprechen, dass die "Neue Seidenstraße" doch eigentlich super ist und dass Deutschland unbedingt dabei sein muss.
Rabhansl: Sie entwerfen am Ende eine ganz andere Strategie, die der Westen entwickeln sollte im Kampf um die eigene Demokratie. Wie sieht das aus?
Ohlberg: Es geht letztlich vor allen Dingen darum, weniger naiv ranzugehen, mehr Wissen über China aufzubauen. Teilweise ein Grund, weshalb die Narrativen der Kommunistischen Partei Chinas hier zu angenommen werden, ist tatsächlich, dass das Wissen fehlt. Wir müssen mehr Wissen aufbauen, mehr Kompetenz, klar in allen möglichen Organisationen rote Linien ziehen. Man muss sich vorher absprechen, wenn wir mit China interagieren, was auch weiterhin gut ist, an welchen Stellen, was ist inakzeptabel. Also wenn uns gesagt wird, wir dürfen das und das nicht sagen oder ihr müsst hier aufpassen, dass man im Vorhinein sich klar ist, das ist unsere Grenze, so weit und nicht weiter, und das machen wir nicht mit und das auch klar kommuniziert. Es ist extrem wichtig, solidarischer zu handeln, das heißt, man muss sich im Vorhinein auch unter Staaten besser absprechen, damit eben nicht einzelne Staaten isoliert werden können. Wir sehen gerade in Australien, die haben einen Vorstoß gehabt, eine Untersuchung, den Ursprung von Covid-19 zu fordern, das ist gut so, aber jetzt wird Australien dafür bestraft. Inzwischen sind aber viel mehr Länder dahinter, und im Prinzip müsste man sich da vorher absprechen und das gemeinsam vorbringen. Letztlich muss man schauen, unsere wirtschaftliche Abhängigkeit von China, wie stark ist sie wirklich, wie viel davon ist Mythos, wie viel davon ist Realität, und von der Realität, wie viel davon können wir uns leisten und wo muss man im Zweifelsfall dann sagen, hier müssen wir zumindest uns mal breiter aufstellen und nicht alles auf ein einziges Land setzen.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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