China und der Zweite Weltkrieg

Von Kerstin Lohse · 30.08.2005
Vor 60 Jahren endete auch in Asien der Zweite Weltkrieg. Japan hatte als Verbündeter Hitlerdeutschlands weite Teile Asiens erobert. Auch China war von den japanischen Eroberungen massiv betroffen. Für die Chinesen begann der Krieg schon 1937 mit dem Vordringen der Japaner - und als er 1945 durch die USA beendet wurde, herrschte in China noch lange kein Frieden.
Als 1937 die ersten Bomben auf Shanghai fielen, strömten erst Tausende, später Hunderttausende chinesische Flüchtlinge in die ausländischen Niederlassungen.

Fast in der ganzen Stadt wurden Läden und Banken geschlossen. Geschäftsleute verlagerten ihre Aktivitäten ins Hinterland oder nach Hongkong und Manila. Schon bald wurden Nahrungsmittel und Geld knapp. Konsulate begannen mit der Evakuierung ihrer Landsleute. All dies verunsicherte die Chinesen so sehr, dass sie in immer größerer Zahl versuchten, sich vor den japanischen Übergriffen in Sicherheit zu bringen. General Chiang Kaishek warnte unterdessen seine Soldaten davor, fahnenflüchtig zu werden.

Chiang Kaishek: "Es ist eine Pflicht für jeden einzelnen, gegen die japanischen Invasoren zu kämpfen! "

1940 verlagerten die Briten ihre Truppenverbände von Shanghai nach Singapur, so dass schließlich nur noch Amerikaner und Japaner die internationalen Gewässer vor dem Freihafen Shanghai kontrollierten. Als im Dezember 1941 die Japaner auch das International Settlement angriffen, wurden Ausländer, allen voran Briten und Amerikaner, interniert und enteignet. Schlimmer aber traf es die Chinesen. Japanische Soldaten plünderten ihre Häuser und bedrohten die Shanghaier. Die Lebensbedingungen verschlechterten sich von Tag zu Tag.

Im Juli 1944 dann wurde das erste amerikanische Flugzeug über Shanghai gesichtet; die Luftgefechte begannen. Knapp ein Jahr später hatten die USA einen Luftwaffenstützpunkt auf Okinawa errichtet, von dem aus sie kontinuierlich Angriffe auf Shanghai fliegen konnten. Fast täglich war das Dröhnen der amerikanischen B-29-Flieger über der Stadt zu hören, berichten Zeitzeugen. Die Bomben gingen meist in den Außenbezirken nieder, denn zivile Ziele sollten vermieden werden. Einmal allerdings verfehlte eine Bombe ihr Ziel und schlug im jüdischen Ghetto ein. Dort waren seit dem Ende der dreißiger Jahre rund 25.000 staaten- und mittellose Emigranten aus aller Welt untergekommen. Auch Wang Faliang lebte damals dort. Der Shanghaier Arbeiter war 26, als er im Radio die Nachricht von Japans Kapitulation hörte.

Wang: "Am 15. August 1945 gab der japanische Kaiser die Kapitulation bekannt. Ich arbeitete damals noch für eine japanische Transportfirma. Wir haben alle gemeinsam vor dem Radio gesessen. Meine japanischen Kollegen wurden ganz still. (…) Wir Chinesen dagegen waren glücklich und ganz aufgeregt. Acht Jahre des Leidens waren endlich vorüber. Wir sind sofort auf die Strasse gezogen und haben gefeiert. (…) In Europa begann der 2. Weltkrieg 1939 mit dem Angriff auf Polen und endete mit dem Selbstmord von Hitler. In China dagegen begann der Krieg bereits im Juli 1937 und endete erst mit der Kapitulation Japans. Wir haben länger gekämpft, weil Japaner so stark und China so schwach war. "
Das Ende des Krieges gegen Japan brachte den Chinesen jedoch noch längst keinen Frieden. Denn die alte Rivalität zwischen den Nationalisten und den Kommunisten brach wieder auf. Mit Hilfe der USA gelang es Chiang Kaishek, seine Truppen nach Shanghai zu bringen. Sie machten Jagd auf so genannte Kollaborateure. Den wirtschaftlichen Niedergang vermochten sie dagegen nicht zu stoppen. Wohlhabende Familien, die nach dem Krieg zurückgekommen waren, um ihre Geschäfte wieder aufzubauen, verließen Shanghai erneut, erinnert sich der heute 86jährige Herr Wang, der noch immer Besucher aus aller Welt durch das jüdische Viertel führt.

Wang: "Die Invasoren waren zwar nicht mehr da, aber das Leben blieb hart. Die Nationalisten hatte die Stadt nicht im Griff, und der Bürgerkrieg mit den Kommunisten ging weiter. Darunter litten auch die Menschen auf der Straße. (…)"

Der Vormarsch der Kommunisten war nicht mehr zu stoppen. In der Nacht zum 25. April 1949 marschierten die Truppen der Volksbefreiungsarmee in Shanghai ein, knapp einen Monat später - am 27. Mai - feierten die Kommunisten die Befreiung Shanghais. In den folgenden Monaten musste alle Ausländer die Stadt verlassen. Herr Wang kaufte damals für zwei Goldbarren von einem israelischen Juden ein Haus an der Tangshan Road, inmitten des ehemaligen Ghettos. Drei Jahre später enteigneten ihn die Kommunisten und er wohnt seitdem mit seiner Familie in den eigenen vier Wänden zur Miete.