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Spanien
Die große Krise des Mariano Rajoy

Im Oktober will es Mariano Rajoy noch einmal wissen. Dann könnte der amtierende Ministerpräsident erneut vor das spanische Parlament treten und die Abgeordneten bitten, ihn als spanischen Regierungschef wiederzuwählen. Doch viel Hoffnung gibt es nicht. Eine dritte Parlamentswahl im Dezember wird damit immer wahrscheinlicher.

Von Hans-Günter Kellner | 06.09.2016
    Spaniens amtierender Ministerpräsident Mariano Rajoy hat (02.09.16) im Parlament auch die zweite Vertrauensabstimmung zur Regierungsbildung verloren.
    Spaniens amtierender Ministerpräsident Mariano Rajoy hat (02.09.16) im Parlament auch die zweite Vertrauensabstimmung zur Regierungsbildung verloren. (dpa picture alliance / EPA/ Kiko Huesca)
    Mariano Rajoy hat hart um die Stimmen der Sozialisten gekämpft. Im spanischen Parlament appellierte er vor der Abstimmung über seine Kandidatur zum neuen spanischen Regierungschef an die sozialistischen Abgeordneten:
    "Die Sozialisten und wir von der Volkspartei sind keine natürlichen Alliierten. Bei den wichtigen grundsätzlichen Fragen Spaniens sind wir aber notwendige Alliierte. Es kann doch niemand sagen, dass die Sozialisten den Separatisten oder den Populisten näher stehen als uns, der Volkspartei."
    Aussichtlose Regierungsbildung
    Das Ergebnis ist bekannt, Rajoy ist trotzdem in zwei Wahlgängen durchgefallen. Als verantwortlich dafür galt bei einem großen Teil der Öffentlichkeit vor allem Pedro Sánchez, der Generalsekretär der Sozialistischen Arbeiterpartei Spaniens, der entgegen der Kritiker in den eigenen Reihen nicht mit Rajoy über eine Große Koalition verhandeln wollte. Doch dann nominierte Spaniens amtierender Regierungschef seinen ehemaligen Industrieminister José Manuel Soria zum Exekutivdirektor der Weltbank. Soria musste vor einem Jahr zurücktreten, weil er und seine Familie Unternehmen in Steuerparadiesen besaßen.
    "Unglaublich. Das ist von so einer Dummheit, ich kann es einfach nicht verstehen."
    Pablo Simón, einer der gefragtesten Parteienforscher Spaniens, schlägt die Hände über dem Kopf zusammen. Er hat davon gerade nach seiner Rückkehr aus den USA erfahren:
    "Vielleicht dachte Rajoy, dass es keiner merkt? Ich weiß es nicht. Der Flurschaden für die Konservativen ist groß. Hinzu kommt ja noch, dass jetzt im Oktober auch noch die mündlichen Verhandlungen in zahlreichen Korruptionsfällen eröffnet werden."
    So viel Porzellan ist in der spanischen Politik schon lange nicht mehr zerschlagen worden. Die neue, liberale Partei Ciudadanos hatte sich den Kampf gegen die Korruption auf die Fahnen geschrieben, Rajoy aber trotzdem unterstützt. Dieser Pakt steht nach diesem neuen Fall von Vetternwirtschaft zur Disposition. Und den Sozialisten fällt es nun auch leichter, ihr Nein zu Rajoy in ein günstigeres Licht zu stellen, sagt Pablo Simón über Nominierung des ehemaligen Ministers:
    "Vielleicht wollen sie damit ja zeigen, dass sie die Vereinbarung mit Ciudadanos nicht interessiert? Aber auch die ablehnende Haltung von Sánchez gegenüber einer großen Koalition ist nun gerechtfertigt. Er kann jetzt sagen: 'Stellt Euch vor, wir hätten Rajoy zum Ministerpräsidenten gemacht – und am nächsten Tag wäre die Nominierung Sorias für die Weltbank bekannt geworden."
    In der Parlamentsdebatte griff Rajoy Sozialistenchef Pedro Sánchez noch scharf an. Sánchez habe zwei Mal das schlechteste Ergebnis in der Geschichte der spanischen Sozialisten eingefahren. Er selbst, so Rajoy, habe hingegen die Wahlen zwei Mal hintereinander gewonnen und somit das Recht zu regieren. Pablo Simón schüttelt mit dem Kopf. Rajoy habe weder nach den Wahlen im Dezember noch nach dem Urnengang im Juni im Parlament ausreichend Unterstützer für seine Kandidatur gefunden. Das habe er sich selbst zuzuschreiben:
    "Seit Jahrzehnten hatte keine Partei mehr so viel Macht wie die Konservativen nach den Wahlen von 2011. Das haben sie alle anderen vier Jahre lang spüren lassen. Sie haben die Brücken zu allen anderen Parteien abgerissen. Sie sind auch heute noch völlig unsensibel für die Bedürfnisse anderer."
    Rückzug Rajoys könnte Bewegung in das politische Patt bringen
    Ein Rückzug Rajoys, die Kandidatur eines Parteifreundes, könnte zwar Bewegung in das politische Patt bringen, doch Simón glaubt nicht, dass Rajoy dazu bereit ist. Es sei auch gar nicht sicher, dass Sozialistenchef Pedro Sánchez einen anderen konservativen Kandidaten unterstützen würde. Sánchez will stattdessen jetzt wieder mit Podemos und Ciudadanos über eine alternative Mehrheit verhandeln. Simón dazu:
    "Das wäre eine Minderheitenregierung mit unabhängigen Ministern und einem Programm mit vier oder fünf Grundsatzvereinbarungen. Das ist sicher nicht schön, würde aber Pedro Sánchez erstmal das Überleben an der Spitze der Sozialisten sichern. Bei Neuwahlen stände hingegen nicht einmal fest, ob er auch der Spitzenkandidat wäre."
    Auf der anderen Seite glauben Konservative wie Sozialisten aber auch, dass sie aus Neuwahlen gestärkt hervorgehen könnten, sagt Simón. Die Verlockung ist also groß, die Spanier im Dezember noch einmal an die Urnen zu rufen.