China in Zentralasien

Wem nützt die Neue Seidenstraße?

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Luftansicht von Nur-Sultan in Kasachstan, futuristische Hochhäuser und im Vordergrund ein Monument mit großer goldener Kugel auf der Spitze
Nur-Sultan in Kasachstan: Die hier installierte Börse ist strategischer Partner der Börse von Shanghai, erzählt der Chef des Finanzzentrums. © picture alliance / dpa / TASS / Valery Sharifulin
Von Birgit Wetzel · 04.09.2019
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Eine riesige Region, noch dazu strategisch bedeutsam und voller Ressourcen: Deshalb ist Chinas Interesse an Zentralasien so groß. Von Europa unbemerkt vollzieht sich hier ein geopolitisch entscheidender Wandel - der vor Ort nicht unumstritten ist.
Auf dem Osch-Basar in Bischkek, der Hauptstadt von Kirgistan, drängen sich die Menschen, junge und alte, Frauen mit Kopftüchern und knöchellangen Kaftanen, andere mit engen Jeans und knappen T-Shirts. Einige Männer tragen die traditionellen, hohen weißen Kirgisen-Hüte, zwischen ihnen laufen viele Kinder. Auf dem Basar gibt es fast alles - Obst und Gemüse, frische Backwaren und Fleisch, Gewürze, Kleidung und Drogerieartikel. Der Basar ist der Supermarkt des Orients, im Sommer, wenn die Temperaturen oft über 40 Grad steigen, wie auch bei eisigen Temperaturen im Winter.
Wer modern sein möchte und es sich leisten kann, kauft in den Supermärkten, die es in der Stadt auch gibt. Am Abend und an den Wochenenden sind sie ein beliebter Treffpunkt. Dort gibt es Importwaren aus vielen Ländern: Speisen aus Russland, Schuhe aus Italien, Büroartikel aus Deutschland und vieles aus China.

Chinas Einfluss ist umstritten

Dicht an dicht stehen einfache Tresen und Regale mit Technik, Tee, Haushaltsartikeln und Spielzeug. Davor steht Alexander. Er ist in Bischkek aufgewachsen, seine Vorfahren kommen aus Russland und aus der Ukraine, wie bei vielen in der Region. Als Heranwachsender hat er miterlebt, wie sich das Land nach dem Ende der Sowjetunion veränderte, wie alte Strukturen verfielen, aber gleichzeitig sich neue Freiräume auftaten in dem kleinen, unabhängigen Kirgistan. Den zunehmenden Einfluss Chinas beobachtet er mit Sorge.
Blick in den Dordoi-Markt in der Nähe von Bischkek, der Hauptstadt Kirgistans.
Ein Markt in der Nähe von Bischkek, der Hauptstadt Kirgistans: Viele der Importwaren kommen aus China.© Deutschlandradio / Gesine Dornblüth
"Sieh mal, alles hier ist aus China! Willkommen, überall sind Produkte aus China. Wir können einmal eine Runde drehen. Hier sind besondere Sachen. Spielsachen, sieh mal, Spielsachen aus China. Viele Sachen. Zubehör für Telefone! Speicherkarten!"
Einige Meter weiter gibt es Tee zu kaufen. Blechdosen und große Gläser stapeln sich an den Wänden und auf den Regalen, die bis an die Decke reichen. Dazu Teegeschirr, verschiedene Sorten Reis, Tütensuppen und Sojasoßen. Ich verwickle den Verkäufer in ein kleines Gespräch:
"Ich nehme den kleinen, ist der gut?"
"Ja, sehr gut! Den kann ich sehr empfehlen."
"Kommen Sie aus China? Wie sind Sie nach Kirgistan gekommen?"
"Ja, ich bin Chinese. Wir haben Vermittler! Viele!"
Die Frage nach seinen Handelskontakten beantwortet der Inhaber des Ladens nicht, und auch nicht die Frage, wie lange er schon in Bischkek lebt. Aber er ist typisch für die Chinesen, die in Bischkek, Osch und auch anderen kirgisischen Städten Handel treiben. In Kirgistan leben viele Chinesen, wie viele, weiß niemand genau.
Park, Bänke, mit Mütter udn Kindern, daneben chinesische Spielzeugautos
Chinesische Spielzeugautos im Zentrum der kirgisischen Stadt Osch© Birgit Wetzel
Chinesische Waren gibt es auch ein paar Straßen weiter. Direkt hier verlief die alte Seidenstraße, über die vor Jahrhunderten Karawanen von China nach Westen zogen. Seide, Glas, Gewürze, aber auch Tiere wechselten hier ihre Besitzer.
Der Obsthändler, der am Straßenrand seine Äpfel aus dem kirgisischen Issyk-Kul verkauft, kennt diese alte Geschichte: "Klar, alle wissen das, dass hier die Seidenstraße verlief, dass wissen doch alle, auch in Issyk-Kul."
Die Fahrt dorthin dauerte früher sechs Stunden - auf der von den Sowjets gebauten Straße. Seit die Chinesen diese Straße renoviert haben, dauert die Fahrt nur noch halb so lange. Zwei- bis vierspurig rasen Autos durch die Steppe und sogar über die Pässe der hohen Berge.

Chinas Grenze zu Kirgistan ist schwer kontrollierbar

Kirgistan und China haben eine gemeinsame Grenze. Die sehr hohen Berge machen sie schwer kontrollierbar. Und über diese Berge kommen insbesondere Händler gern ins Land und verkaufen ihre Waren. Ihre Produkte entsprechen nicht den eigentlich geltenden Qualitätsnormen, aber sie sind erschwinglich. Fast unbemerkt haben sie die Märkte erobert.
Durch Kirgistan verläuft auch die wichtige Handelsroute von China Richtung südliches Asien, nach Afghanistan, Indien und Pakistan. Dorthin gibt es bisher nur wenig Handel, aber für die Chinesen sind es interessante Märkte der Zukunft. Sie planen strategisch. Und es gibt dort Häfen mit Zugang zu den Weltmeeren. Sobald in Afghanistan Frieden herrscht, könnten Handelswaren auf diesem Weg die Häfen am Indischen Golf erreichen. So die Hoffnungen auf beiden Seiten.
Junge und alte Frauen stehen nebeneinander, im Hintergrund ist eine Moschee zu sehen.
Zwischen Tradition und Moderne: Frauen in der usbekischen Hauptstadt Taschkent© Birgit Wetzel
Es gibt aber auch Befürchtungen, vor allem bei der Bevölkerung. Viele Kirgisen haben das Gefühl, nicht kontrollieren zu können, was aus China in ihr Land kommt. Ihre Grenzkontrollen sind schwach, die im Lande vorhandenen Kontrollinstitutionen funktionieren nur bedingt und die allseits präsente Korruption schwächt die staatlichen Instanzen erheblich oder macht sie sogar wirkungslos.
Nun sollen auch 42 veraltete Fabriken in China ab- und in Kirgistan wieder aufgebaut werden – so ist zu hören. Dschamila – eine Frau, die anonym bleiben will, weil sie Angst hat – hat das Geschehen und die Strategie des großen Nachbarn genau verfolgt. Die Juristin lebt und arbeitet mit ihrer Familie in Kirgistan, wo sie aufgewachsen ist.
"Die Chinesen wollen eine neue Technologie", sagt sie, "die wollen eine neue Zukunft, aber was geschieht dann mit uns? Dass wir die Fabriken bekommen sei wichtig für unseren Arbeitsmarkt, heißt es. Aber wir wollen nicht in der Vergangenheit leben, mit Chinas veralteter Technologie. Davor haben wir große Angst."

Verschwiegen: Chinesische Firmen in Kirgistan

Dshamila erzählt von der neu gebauten Papierfabrik in Tokmok, einer Stadt an der Grenze zu Kasachstan. Sie wurde von den Chinesen geplant und mit den regionalen Behörden besprochen, allerdings hinter verschlossenen Türen. Die chinesischen Firmen wollen keine Öffentlichkeit, erzählt sie. Zwar gibt es in Kirgistan Standards und Gesetze, die den Zugang zu Information garantieren. Es ist auch vorgeschrieben, die Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren zu beteiligen, und den Menschen zu gewähren, bei Umweltangelegenheiten vor Gericht zu gehen.
Aber wegen der Korruption werde das oft nicht eingehalten. Und für die Firmen aus China sind sie oft kein Thema: "Europäer, die USA und Kanada bringen ihre Experten und Standards mit, die denen in Kirgistan entsprechen. Firmen aus China aber haben diese Standards nicht."
Aber es gibt auch positive Stimmen zu China – wie zum Beispiel die des Experten für Infrastruktur, Chingiz: Er ist im unabhängigen Kirgistan aufgewachsen, hat in Bischkek Wirtschaft studiert und plant in staatlichen Behörden neue Verkehrswege für Autos, Bahnen und Flugzeuge.
"Was die Eisenbahn angeht und die Kredite aus China", sagt er, "muss man sehen, dass es notwendig ist. Da gibt es wirtschaftliche Vereinbarungen. Sie geben uns Kredite, und dafür arbeiten wir dann zusammen. Unser Land nimmt sozusagen ein privates Darlehen, das ist zum größten Teil für Infrastrukturprojekte. - Ob wir in Zukunft in der Lage sein werden, die Schulden zu bezahlen, das ist allerdings eine große Frage. Weil Straßen verschleißen, müssen sie ja ständig repariert werden. Dass wir die notwendigen wirtschaftlichen Erträge durch die Benutzung dieser Straße erhalten, und dass wir in Zukunft in der Lage sein werden, die Instandhaltungskosten zu decken, das können wir nur hoffen."
Was Chingiz nicht sagt: Chinesische Firmen erhalten die Aufträge zum Bau von großen Infrastrukturprojekten, die sie dann mit eigenen Arbeitern umsetzen. Arbeitssuchende in Kirgistan gehen dabei leer aus, obwohl es viele gibt, die dringend Arbeit suchen..
Der Karakul-See in China mit Blick auf das Pamir-Gebirge in Zentralasien.
Der Karakul-See in China: Von hier sieht man auf das Pamir-Gebirge in Zentralasien.© CPA Media/Pictures From Asia
Das Engagement Chinas in den fünf Staaten Zentralasiens ist unterschiedlich stark. Kirgistan und auch Tadschikistan grenzen an China, beide zu mehr als 80 Prozent bedeckt von gewaltigen Bergen, die bis zu 7500 Meter hoch aufragen. In der Mitte und umgeben von diesen Nachbarn liegt Usbekistan.
Am Kaspischen Meer, westlich von Tadschikistan, liegt Turkmenistan, ein Land mit Steppen und Wüsten. Es bildet den südlichen Rand von Zentralasien und hat eine gemeinsame Grenze mit Afghanistan. In Tadschikistan hat China lediglich eine kleine Militärpräsenz errichtet. Von Turkmenistan baute China eine 7000 km lange Gaspipeline bis nach Shanghai.
Kasachstan wiederum liegt ganz im Norden der zentralasiatischen Region mit ganz unterschiedlichen Landschaften. Es ist riesig – über 2,7 Millionen Quadratkilometer! Und es hat eine knapp 7000 Kilometer lange, gemeinsame Grenze mit Russland.

Gemeinsam statt gegeneinander

Seit dem Ende der Sowjetunion 1991 sind die Staaten Zentralasiens selbstständig. Im Wettstreit untereinander kämpften sie um ihr Überleben, bis sie vor zwei Jahren den gemeinsamen Beschluss fassten, dass eine Zusammenarbeit für alle ein Gewinn wäre. Ein wichtiger Wendepunkt in der Entwicklung war der Tod des usbekischen Präsidenten und Diktators Karimov 2016. Ihm folgte der demokratisch gewählte Schafkat Mirziyoyev, der vielen als Hoffnungsträger gilt, weil er schon zu Beginn seiner Amtszeit fast alle Konflikte mit den Nachbarn friedlich gelöst hat und damit eine neue Ära der Zusammenarbeit mit allen Nachbarn einleitete.
Seit Januar dieses Jahres dürfen auch Europäer nach Usbekistan ohne Visum einreisen. Ein junger Unternehmer aus Taschkent, der jetzt Busreisen organisiert, erklärte im Frühjahr 2019: "In den letzten beiden Jahren gab es viele Veränderungen in unserem Land. Insbesondere im Transportwesen. Es gibt 16 neue Reiserouten in alle Nachbarstaaten, nach Kasachstan, nach Tadschikistan, nach Kirgistan und nach Russland. Täglich sind 500 bis 600 Menschen unterwegs."
Schawkat Mirsijojew, Präsident von Usbekistan
Schawkat Mirsijojew, seit 2016 Präsident von Usbekistan, gilt vielen als Hoffnungsträger.© dpa / Bernd von Jutrczenka
Nach China gibt es noch keine direkte Verbindung. Aber das Interesse der großen Nachbarn an Usbekistan ist stark gewachsen. 27 Jahre regierte Ilhom Karimov das Land mit strenger Hand. Er kämpfte mit Erfolg gegen Korruption und hielt die alte Infrastruktur wie auch die Bildungsinstitutionen am Laufen.
Aber das Land isolierte sich auch total, erzählt der heutige Bildungsminister Sherzod Shermatov: "In den letzten 25 Jahren war das Land ziemlich verschlossen, das müssen wir zugeben. Seit zwei Jahren haben wir einen neuen Präsidenten. Er verfolgt eine Politik der Öffnung."
Die neue Öffnung nutzt der Bildungsminister und wirbt für neue Kooperationen mit dem Ausland. Sie sollen helfen, in der Bildung die Versäumnisse der vergangenen Jahre aufzuholen.

China nutzt das neue kasachische Finanzzentrum *

China bietet sich dabei gern als Partner an: Sein großes Interesse an Usbekistan zeigt sich über direkte und indirekte Investitionen, die auch über das neue Finanzzentrum der kasachischen Hauptstadt Nur-Sultan ins Land kommen.
Der Chef des neuen Zentrums, Kairat Kelimbetov formulierte die Ziele so: "Wir haben drei Ziele: Das erste ist Zentralasien. Wir haben fünf post-sowjetische Staaten mit einem Markt von 60 Millionen Menschen. Das zweite ist die Eurasische Wirtschaftsunion. Das ist ein großer Teil der früheren Sowjetunion mit einem Markt von 170 Millionen Menschen. Und wir denken, dass wir in diesem Teil der Welt auch das Zentrum für die neue Seidenstraße sein können. Es gibt eine Vereinbarung zwischen den Staatsoberhäuptern der Eurasischen Union und der chinesischen Regierung, dass wir zusammen die neue Seidenstraße entwickeln. Die Idee ist, dass wir der finanzielle Knotenpunkt für die 'Belt and Road'-Initiative in Zentralasien sein wollen."
Das chinesische Engagement erreicht so Zentralasien auch über das neue Finanzzentrum und die dort neu installierte Börse. Hier, am AIFC, dem "Astana International Finance Center", hofft man auf viele Investitionen, nicht nur aus China.
"Ich denke, wir haben schon eine sehr signifikante Präsenz von chinesischen Firmen. Für die Börse von Shanghai sind wir ein strategischer Partner. Wir kennen die Pläne für die nächsten Jahre, und wir wissen, dass sie sicher führend sein wird bei Geschäften in Zusammenhang mit der neuen Seidenstraße. Von unserer Börse gehören 25 Prozent der Börse von Shanghai und fünf Prozent dem Silk Road Fund. Wir arbeiten sehr eng mit einigen chinesischen Finanzinstitutionen zusammen."
Vertragsunterzeichnung im neuen Financecenter
Das "Astana International Finance Center" könnte in Zentralasien das Zentrum für die neue Seidenstraße werden.© Birgit Wetzel
Dennoch: Chinas Interesse an ihrem Land betrachten viele hier mit Misstrauen. China hat sein Interesse in vielen Bereichen ausgebaut, denn in Kasachstan verlaufen die wichtigsten Verbindungswege zwischen Ost und West auf der neuen Seidenstraße.

Magnet der Region: Freihandelszone Khorgos

An der Grenze zu China, am Ende einer Schnellstraße, treffen schon früh morgens die ersten Busse aus Almaty ein, der früheren Hauptstadt Kasachstans. Ihre Mitfahrer wollen in die Freihandelszone Khorgos, an der Grenze zwischen Kasachstan und China. Sie ist zum Magneten der Region geworden. An der Grenze arbeitet Ivan.
"Wir sind hier direkt an der Seidenstraße", sagt er, "es geht hier um die wirtschaftliche Zusammenarbeit der Länder. Unsere Staatsführung ist nach Peking gereist, hat sich dort getroffen, einen Vertrag unterschrieben, auf den man sich geeinigt hat, und dann ein internationales Handelszentrum errichtet. Jeden Tag kommen 3500 bis 5000 Menschen aus Kasachstan nach China. Wir haben das Gefühl, dass wir die steigenden Besucherzahlen buchstäblich wachsen sehen können."
Lediglich mit Pass und einem Tagesvisum können Besucher aus Kasachstan hier nach China in die Freihandelszone einreisen - und einkaufen. Die Kasachen entwickeln sogar ein Geschäftsmodell, wie und wo sie die Waren in Kasachstan verkaufen können – wie die 30-jährige Aida zum Beispiel.
"Ich bin hierhergekommen um einzukaufen", erzählt sie. "Textilien und Betten. Die sind hier billiger. Ich erhalte gute Qualität. Wir haben uns gefreut, als das Zentrum eröffnet wurde. Wir könnten jederzeit nach China reisen, die Waren einkaufen und sie dann wiederverkaufen. Für uns Bürger aus Kasachstan ist es hier einfach mit den Papieren."
Riesige Pakete wandern aus China über die Grenze und in das Postamt. Von dort reisen sie weiter ins Innere Kasachstans.

Größter Umschlagplatz zwischen Europa und China

Auf kasachischer Seite, nur wenige Kilometer von der Freihandelszone entfernt, reihen sich die Züge, Gleis an Gleis, Wagen an Wagen. Gewaltige Kräne ziehen, bewegen und senken Container fast geräuschlos von Zug zu Zug. Einige gehen nach China, andere nach Europa, wiederum andere nach Usbekistan, in den Iran oder nach Afghanistan.
Roman Vassilenko, stellvertretender Außenminister von Kasachstan, weiß das zu schätzen: "Indem wir Eisenbahnen gebaut haben, Straßen und Häfen, haben wir die Teile unseres riesigen Landes miteinander verbunden. Am Kaspischen Meer haben wir einen zweiten Hafen gebaut, Kuryk. Der wird für den Containerverkehr von China nach Europa gebraucht, über den sogenannten mittleren Korridor."
Im Khorgos Gateaway sind Kräne, Züge und Schienen zu sehen.
Vor fünf Jahren waren hier nur Gras und niedrige Büsche: Khorgos Gateaway ist der größte Trockenhafen der gesamten Region.© Birgit Wetzel
"Khorgos Gateway" heißt der Hafen und er ist schon jetzt der größte Trockenhafen der gesamten Region. Er soll zum größten Umschlagplatz zwischen Europa und China werden. Noch 2014 waren hier nur Gras und niedrige Büsche - ein bedeutungsloser Platz in der Steppe zwischen Kasachstan und China.
Jetzt rollen hier die Züge, leiten Waren auf neue Routen und bringen ganze Regionen in neue wirtschaftliche Kontakte miteinander. Wandel ist unterwegs, in der Wirtschaft und damit auch geopolitisch. Per Schiff wären die Güter rund 40 Tage unterwegs, zwar preisgünstig, aber langsam. Mit dem Flugzeug kommen sie in nur wenigen Stunden zum Ziel - schnell, aber teuer. Die Bahn ist ein guter Kompromiss.
Die enge Zusammenarbeit zwischen China und Kasachstan zeigt sich in der Beteiligung der beiden Länder an dem neuen Terminal: 49 Prozent gehören China, 51 Prozent Kasachstan. Es sieht so aus, als habe man in Kasachstan gelernt, die Mehrheit der Beteiligung besser in eigener Regie zu halten.
Eine weniger gute Erfahrung machten die Kasachen in der Pharma-Branche. Früher gab es dort mehrere Unternehmen, heute ist die Branche fest in Chinas Hand.
"Die Firma Kelun wurde 1996 in China gegründet. Die Tochterfirma in Kasachstan wurde erst 2014 gegründet". sagt ihr Generaldirektor Zhang Qiancheng. Seit 2014 arbeitet er in Almaty, aber bisher spricht er noch kein Russisch oder Kasachisch. Das Motto begrüßt den Besucher gleich am Eingang: "Für die Firma tun wir alles". Gearbeitet wird rund um die Uhr und an den entscheidenden Positionen sitzen Chinesen.

Eurasische Union öffnet Märkte von China bis Polen

Die Übernahme war für die Chinesen interessant, weil sich durch die Eurasische Union ein zollfreier Raum von der chinesischen Grenze bis nach Polen auftat und die neue Seidenstraße gewaltige Märkte bis nach Europa hinein öffnet.
Mithilfe der Chinesen will Kasachstan eine Spitzenposition unter den Industriestaaten erklimmen. Chefökonom Kelimbetov erklärt: "Jetzt entwickeln wir die Strategie für die nächsten zehn Jahre. In zehn Jahren wollen wir zu den Top 20 Finanzmärkten gehören. Jetzt sind wir auf Platz 51. Wir haben einen langen Weg vor uns, aber in zehn Jahren können wir viel schaffen."
Die enge Zusammenarbeit mit China ist Teil der Außenpolitik Kasachstans, das aber gleichzeitig auch gute Beziehungen zu Russland, zur Europäischen Union und zu allen Nachbarn sucht.
Für China wiederum ist Kasachstan das wichtigste Land in Zentralasien – der Korridor, über den die Kontakte nach Europa laufen und das Land, das durch seinen Reichtum an Rohstoffen wie Gas, Öl und seltene Erden interessant ist.
China will seinen Einfluss ausbauen. Die neue Seidenstraße soll den Weg dazu bahnen. Wer andere Interessen hat, wird die aushandeln müssen.
* Wir haben einen inhaltlichen Fehler korrigiert.
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