Childhood

Vom Bloghype zum Debütalbum

Die eine Kapsel eines Kopfhörers ist mit Telefondraht umwickelt.
Von Childhood wird man noch einiges hören, urteilt Martin Risel. © picture-alliance / dpa / Maximilian Schönherr
Von Martin Risel · 08.10.2014
Die Band hat im Netz ihre ersten Singles veröffentlicht, die Begeisterung in den Musikblogs auslösten. Erst dann wurden die Labels auf Childhood aufmerksam. Jetzt ist das erste Album der jungen Briten erschienen: "Lacuna".
Wie hieß noch dieses Drama von Tennessee Williams, in der Verfilmung mit Paul Newman in der Hauptrolle? Süßer Vogel Jugend! Genau!
Und es sind mal wieder ein paar Anfang 20-Jährige, die jetzt von Süd-London aus mit ihrem Debütalbum die Welt erobern wollen. Und das eher noch mit Flaum im Gesicht als mit diesen angesagten Bärten:
"Wir haben noch nicht genug Testosteron, um einen Bart wachsen zu lassen, wir warten noch."
Da lacht er fast ein bisschen verlegen: Ben Romans-Hopcraft, schwarzer Lockenkopf, langer Lulatsch, Milchkaffee-Teint, Milchbubi-Image. Man sieht noch etwas den süßen kleinen Fratz in seinen Gesichtszügen. Aber nicht deshalb heißt die Band, für die er die meisten Songs schreibt, Childhood:
"Es geht nicht ganz wörtlich um unsere Kindheit. Sondern allgemein um eine Phase, die wichtig ist im Leben. Und manchmal gibt man Bands solche Namen."
Plötzlich standen die Labels Schlange
Diesen Song haben Childhood schon im vergangenen Jahr als Single veröffentlicht. In den Musikblogs wurden sie da bereits gefeiert, bevor die jubelwütige britische Musikpresse ihre Arien anstimmte. Und dann dauerte es nicht lange, bis die Labels - kleine und große - Schlange standen, um das Quartett unter Vertrag zu nehmen. Trotz aller Unerfahrenheit haben sich die jungen Musiker nicht beirren lassen, haben nicht bei einem großen Major angebissen, sondern sind bei dem kleinen Indielabel Marathon Artists geblieben, das sie schon von Anfang an betreut hat.
Ben: "Das ist schon ein gemeinsames Bestreben mit so einem Indie-Vertrag. Da geht’s sehr um den Künstler."
Leo: "Es gibt viel mehr künstlerische Freiheit, wenn man mit einem Indie arbeitet wie wir. Das ist schon eine einvernehmliche Beziehung."
Leo Dobsen ist Songwriter und Gitarrist Nummer zwei bei Childhood. Erstaunlich ernsthafter Blick unter der Konfirmanden-Frisur. Und hat ganz brav auch erst mal zu Ende studiert, bevor es nun mit der großen Musikerkarriere losgehen soll. Ein Fach, das schon große Musiker hervorgebracht hat: Kunstgeschichte. Und das hat natürlich einen großen Einfluss auf die Kunst, die er macht, oder?
Leo: "Nicht direkt auf die Musik. Aber was unser Artwork angeht, schaue ich schon ganz bewusst, was wir da machen. Aber die Kunst spielt keine große Rolle bei der Art, wie ich Musik mache."
Vom US-amerikanischen Soul beeinflusst
Leo Dobsen und Ben Romans-Hopcraft haben sich an der Uni kennengelernt, die Band gegründet, vor vier Jahren, in Nottingham: Wo es eine ziemlich vielfältige Musikszene gibt. Und natürlich diesen typisch britischen Northern Soul. Aber Ben Romans-Hopcraft hat Amerikanistik studiert. Vielleicht hat er daher sein Faible für diese schönen Harmonien des US-amerikanischen Soul, die in seinen Kompositionen immer mal wieder durchschimmern:
"Wir sind schon vom Soul beeinflusst – ohne das uns jetzt bewusst wäre, dass diese oder jene Elemente von Motown oder so was kämen. Also nicht als unsere erste Inspirationsquelle. Das entsteht eher in so einer Bierlaune."
Und da sind sie dann wieder ganz die britischen Jungs, die auch schon mal in den Pub dürfen. Bierlaune statt bierernst.
Und im folgenden Song eine Twang-Gitarre und ein zarter Soul-Schmelz in der Stimme, als wüssten sie schon lange, wie man unsterbliche Melodien intoniert. Und man spürt, von Childhood wird man noch hören…
"Es geht darum, wenn man so eine emotionale Leere mit erzwungenen Gefühlen auffüllt. – Also bleibt lieber natürlich miteinander!"

Service:
Childhood spielen am 2. November 2014 im Luxor in Köln im Vorprogramm von Gitarrenlegende Johnny Marr.