Chiang Kai-shek

Taiwans Diktator zum Anfassen

Nahe der Hauptstadt Taipeh: Skulpturen des Diktators Chiang Kai-shek.
Nahe der Hauptstadt Taipeh: Skulpturen des Diktators Chiang Kai-shek. © picture alliance / dpa / EPA / TAHSI TOWNSHIP
Von Jürgen Hanefeld · 01.12.2014
Stolze 175 Statuen des Diktators Chiang Kai-shek können in einem Park in der Nähe von Taiwans Hauptstadt Taipeh betrachtet werden. Selbst Touristen vom chinesischen Festland besuchen inzwischen die Parklandschaft.
Türkis steht ihm am besten. Auch hellgrün geht ganz gut. Sanitärfarben jedenfalls, aber kein rot. Das passt nicht zum Generalissimus. Meist kommt er ohnehin in lack-schwarz daher. Oder besser: steht rum.
"Chiang hat schon seine Berechtigung", findet dieses Ehepaar aus Xian. "Er war immerhin auch ein wichtiger Führer im Zweiten Weltkrieg."
Genau genommen im Kampf gegen die japanische Besatzung. Doch als die Japaner geschlagen waren, unterlagen Chiangs Truppen den Kommunisten und flüchteten 1949 mit zwei Millionen Mann nach Taiwan. Dort errichtete der General mit US-amerikanischer Unterstützung ein Terrorregime.
Jovialer Landesvater
Tausende kamen um, Zehntausende landeten im Gefängnis, vor allem alteingesessene Taiwanesen, die sich mit der handstreichartigen Übernahme der Macht durch Chiang und seine Truppen nicht abfinden wollten. Der Diktator regierte mit Kriegsrecht.
Von all dem erfährt man nichts im Skulpturenpark. Im Gegenteil: Die meisten Monumente zeigen ihn gütig lächelnd, mit Glatze und Schnauzer, als jovialer Landesvater, gerne in Uniform, nur selten in strenger Herrscherpose und noch seltener als Intellektuellen - mit Buch und Spazierstock. Gibt's aber auch.
Dass Chiang ein erbitterter Feind Maos war und bis zu seinem Tod 1975 davon träumte, das Festland zurückzuerobern, haben diese jungen Besucherinnen aus Shaanxi irgendwie anders gelernt.
"Chiang Kai-shek hat ja mit den Kommunisten zusammengearbeitet, im Krieg gegen Japan. Er hat auch Sun Yat-sen unterstützt. Ein berühmter Mann! Er wird sowohl hier verehrt als auch bei uns auf dem Festland. Natürlich gab es später Konflikte mit Mao Zedong, aber Chiang ist trotzdem eine wichtige Persönlichkeit in der Geschichte Chinas."
Den Diktator rückwirkend umgedeutet
China hat ihn rückwirkend umgedeutet. Was auf jeden Fall nützlich ist, wenn man das Ziel verfolgt, die Insel früher oder später wieder an sich zu binden. Die Mädchen sind sich jetzt schon sicher:
"Für uns ist das hier ein Teil von China."
Für Taiwanesen natürlich nicht. Sie machen sich eher lustig über den Chiang Kai-shek - Entsorgungspark. Ein ideales Ausflugsziel, 30 km südwestlich der Hauptstadt Taipeh, im wunderschönen Wald bei Daxi, wo der Generalissimus sein privates Erholungsgebiet genoss: ein See, auf dem noch heute sein Boot dümpelt, eine Handvoll eleganter Gästehäuser im Bauhausstil, und um die Ecke das Mausoleum, vor dem mehrmals am Tag eine operettenhafte Wachablösung zelebriert wird. Die Mädchen aus Shaanxi sind fasziniert und machen Selfies ohne Ende.
Das hier ist unsere Schulabschlussfahrt. Wir vom Festland können ja noch nicht so lang nach Taiwan fahren. Deswegen sind wir so neugierig.
Im Souvenirshop haben sie das Schönste gefunden, was es zu kaufen gibt: Chiang Kai-shek als karikierte Plastikpuppe, die mit dem Kopf nicken kann. Ein Wackel-Chiang "Made in Taiwan". So weit ist es gekommen mit der Ehrfurcht vor dem Generalissimus.
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