Chefärztin der Reha-Klinik Heiligendamm

Hilfe für den Weg zurück ins alte Leben

05:03 Minuten
Die Ärztin Jördis Frommhold steht im weißen Kittel vor einem Klinikgebäude
"Wir haben immer das normale Leben", sagt Jördis Frommhold trotz der Pandemie, man müsse nur flexibel auf neue Situationen reagieren. © picture alliance / dpa / Bernd Wüstneck
Von Silke Hasselmann · 09.03.2021
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Für Menschen mit Langzeitfolgen nach einer Covid-Erkrankung ist die Reha-Klinik Heiligendamm inzwischen eine der ersten Adressen. Die Lungenfachärztin Jöris Frommhold hat daran großen Anteil.
Jeder, der die Rehabilitationsklinik in Heiligendamm an der Ostsee wegen einer Atemwegserkrankung aufsucht, bekommt direkten Kontakt zur Chefärztin. Etliche der Patienten behandelt sie selbst, alle anderen sieht sie auf jeden Fall einmal in der Chefvisite.
"Ich liebe das wirklich sehr, so direkt mit dem Patienten zusammenzuarbeiten. Weil: Ich lerne immer unheimlich viel von meinen Patienten, und deshalb ist diese Rückkopplung extrem wichtig."
Doch egal, ob Patient, Kollege oder Reporter – wer es mit Dr. Jördis Frommhold zu tun bekommt, erfährt rasch, dass die gebürtige Westfälin eine sehr zugewandte Frau ist und dass sie ein ansteckendes Lachen hat.

Optimistisch in unnormalen Zeiten

Mit Lungenkrankheiten sei natürlich nicht zu spaßen, schon gar nicht mit Covid-19, sagt die 39-Jährige. Doch sie sei nun einmal ein fröhlicher, optimistischer Mensch – auch in unnormal erscheinenden Pandemiezeiten.
"Wir haben immer das normale Leben. Es ist nur wichtig, sich an die neuen Gegebenheiten flexibel anzupassen."
Wobei: Beweglich sein in Kopf und Geist ist für Jördis Frommhold erkennbar nicht gleichbedeutend mit "kein Ziel haben", gar "ohne Rückgrat durchs Leben gehen". Sie wollte schon früh Ärztin werden, studierte in Lübeck Medizin, machte am Akutkrankenhaus in Wismar ihren Facharzt zur Internistin, wurde dort Oberärztin.
Vor vier Jahren wollte sie sich verändern, Neues lernen. Die Wahl-Mecklenburgerin schaute sich in der Nähe ihres Wohnortes Rostock um. Die Klinik Heiligendamm stellte ihr in Aussicht, in absehbarer Zeit die Abteilung Atemwegserkrankungen zu übernehmen. Für diesen Karrieresprung machte sie zunächst noch ihren Facharzt für Lungenheilkunde, begann dann Ende 2019 als Leitende Oberärztin in Heiligendamm.
"Und seit dem ersten Mai 2020 bin ich hier eben als Chefärztin tätig. Es war aber schon immer so, dass ich gerne Dinge entwickelt habe, vorangebracht habe. Und deswegen war schon der Wunsch da, irgendwo eine Leitungsposition zu übernehmen."

Fast alle ihre Kollegen sind Männer

Auch die beiden Oberarztposten in ihrer Abteilung sind mit Frauen besetzt. Doch Weiblichkeit sei da kein Wert an sich. Ist sie für eine Quote?
"Nein. Das darf man ja eigentlich so nicht sagen, aber ich denke, Frauen müssen sich ihrer selbst bewusst sein. Und jede Frau, die Leistung bringt und sich damit auch authentisch identifiziert, wird keine Quote brauchen. Fast alle meine Kollegen sind männlich. Es gibt aber kein Problem. Also ich muss mich nirgendwo irgendwie behaupten, und ich glaube, wenn man diese Stelle in der Führungsposition besetzen möchte, dann können Frauen das genauso gut wie Männer. Nach meinem Empfinden braucht es dafür keine Quote, aber das ist meine subjektive Einschätzung."
Auch Jördis Frommhold gehört mittlerweile zu den vielgefragten Covid-Experten. Gerade gab sie der "London Times" ein Interview. Nun erzählt sie der Deutschlandradio-Reporterin, dass sie schon kurz nach dem Pandemieausbruch im vorigen Jahr dafür sorgte, dass sich ihr auf Lungenkrankheiten spezialisiertes Haus in Heiligendamm als erste deutsche Reha-Einrichtung um Covid-19-Genesene kümmert, die noch lange nicht ihre vorherige Leistungsfähigkeit wiedererlangt haben.
"Natürlich war es so, dass wir nicht von Anfang an gleich die Weisheit mit Löffeln gefressen hatten und wussten, wie so ein Konzept aussieht, sondern wir haben erst mal die Module von Therapien genommen und zusammengestellt, die wir sowieso als Basis schon hatten. Was aber ganz wichtig ist und was mich die Pandemie auch gelehrt hat, ist, dass man immer flexibel bleiben muss."

Zwei halbe Tage im Homeoffice

Anfang April vorigen Jahres kam der erste von Covid-19 genesene und deshalb aus dem Krankenhaus zur Rehabilitation entlassene Patient nach Heiligendamm. Mittlerweile sind neun von zehn ihrer Patienten Covid-19-Genesene, die zurück in ihr altes Leben finden wollen. Die 120 Betten ihrer Abteilung sind seit Wochen überbelegt.
Dass der Anteil der sogenannten Long-Covid-Patienten zunimmt, die nach zunächst milder Erkrankung wochen-, gar monatelang mit Folgeerscheinungen bis hin zur Arbeitsunfähigkeit zu kämpfen haben, macht Jördis Frommhold besonders demütig gegenüber den Sars-CoV-2-Viren. Dennoch oder gerade deshalb hat sie in ihrem ansonsten fast weißen Bürozimmer eine Wand in schönstem Meeresblau streichen lassen. Zudem bleibt sie für zwei halbe Tage im Rostocker Homeoffice und schafft sich Freiraum für Freizeit. Zu groß sei die Gefahr, im Hamsterrad stecken zu bleiben, sagt sie.
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