Chebli-Urteil in Berlin

Freiheit, die Freiheit frisst

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Das Foto zeigt die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli sitzt inmitten von Kindern bei einer Schulaufführung.
Sawsan Chebli (SPD), Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement und Internationales in der Berliner Senatskanzlei. © picture alliance / Annette Riedl / dpa
Brigitte Fehrle im Gespräch mit Julius Stucke · 28.02.2020
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Die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli als "islamische Sprechpuppe" zu bezeichnen, ist laut einem Gerichtsurteil noch von der Meinungsfreiheit gedeckt. Die Journalistin Brigitte Fehrle fragt deswegen, ob unsere Gesetze noch passen.
Die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli darf "Quotenmigrantin der SPD" und "islamische Sprechpuppe" genannt werden. Ein ehemaliger Polizist, der das in einem Youtube-Video getan hatte, wurde jetzt vom Amtsgericht Berlin-Tiergarten vom Vorwurf der Beleidigung freigesprochen. Die Äußerungen seien von der Meinungsfreiheit gedeckt und nicht strafbar, hieß es.
Nun wird erneut darüber diskutiert, wie weit die Meinungsfreiheit geht. Die Gerichte betrachteten immer den einzelnen Fall, sagt die Berliner Journalistin Brigitte Fehrle. Und in diesem Fall habe das Gericht "bedauerlicherweise" gegen Chebli entschieden.

Hassmailer werden ermutigt

Sie selbst habe die Betitelung der Staatssekretärin als "islamische Sprechpuppe" als "erschreckend" empfunden, sagt Fehrle. Die Kreise, die Hassmails schrieben, würden durch das Urteil ermutigt.
Nun komme wieder die Öffentlichkeit und die Zivilgesellschaft ins Spiel, so Fehrle: "Wir dürfen da einfach nicht nachlassen." Irgendwann werde aber in Deutschland auch die Frage auftauchen, ob die freiheitlichen Vorstellungen nicht die Freiheit auffräßen.
Brigitte Fehrle, Chefredakteurin Berliner Zeitung
Die Journalistin Brigitte Fehrle: Auf Anonymität folgte Entgrenzung.© Christine Blohmann
"Wir müssen uns fragen, ob unsere Gesetze und wie wir sie anwenden, auf das, was an gesellschaftlicher Realität da ist, noch wirklich so passt, dass das Ziel, was wir haben – nämlich diese freiheitliche Gesellschaft zu erhalten – auch wirklich erreicht wird."

Chebli will gegen das Urteil vorgehen

Es sei eine Grundsatzdiskussion, die jetzt geführt werden müsse, betont Fehrle. Die Gesetzeslage sei für die Art von Öffentlichkeit, wie sie das Internet erzeuge, "nicht wirklich gerüstet". Aus der Anonymität im Netz sei Entgrenzung erfolgt - das müsse man neu beurteilen.
Im Fall Chebli hat die Staatsanwaltwaltschaft eine Strafe von sechs Monaten Haft auf Bewährung und die Zahlung von 3000 Euro verlangt, sie kündigte Rechtsmittel an. Auch Chebli will gegen das Urteil vorgehen. Sie ist Staatssekretärin für Bürgerliches Engagement und Internationales und hat palästinensische Wurzeln. Kürzlich hatte Chebli berichtet, eine Morddrohung von mutmaßlichen Rechtsextremisten erhalten zu haben.
(ahe)
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