Chansons von "Requin Chagrin"

Ein Album wie ein Instagram-Filter

Eine Lichterkette liegt in einer Hand.
"Requin Chagrin ist ein intimes Projekt, ich schreibe vor allem über meine eigenen Gefühle", sagt Sängerin Marion Brunetto. © Unsplahs/Marcus Wallis
Von Christoph Möller · 28.01.2019
Auf dem Album "Sémaphore" der französischen Band "Requin Chagrin" reflektiert Sängerin Marion Brunetto ihre Emanzipation und thematisiert den Verlust ihrer Heimat. Es ist ein poetisches, bildliches Album, das irgendwo zwischen Traum und Realität schwingt.
"Vor zehn Jahren habe ich den Süden Frankreichs verlassen, um nach Paris zu gehen. Auf meinem neuen Album reflektiere ich diese Emanzipation", ...
... sagt Marion Brunetto, die als Requin Chagrin Musik macht. Wovon sie sich genau emanzipieren musste, ob es Probleme mit ihrer Familie oder ihrer Heimat gab? All das möchte sie nicht erzählen, und das erfährt man auch nicht auf "Sémaphore", ihrem neuen, zweiten Album.
Marion Brunetto ist in Ramatuelle aufgewachsen, einem Küstendorf zwischen Marseille und Nizza. Der Albumtitel "Sémaphore" bezeichnet ein maritimes Signalsystem, mit dem etwa Wind- und Wetterverhältnisse optisch angezeigt werden können. Für Brunetto symbolisiert der Sémaphore ihres Heimatdorfs ihr altes Leben. Im Titelstück singt sie über Echos von Geräuschen, die sie am Sémaphore gehört hat.

Songs über Geräusche, Licht und Gerüche

"Sémaphore" ist ein poetisches, bildliches Album, das zwischen Traum und Realität wechselt. Brunetto hat lange als Illustratorin gearbeitet, und es scheint, als zeichne sie auf "Sémaphore" nicht mehr mit Stift und Pinsel, sondern mit Musik. Sie singt über Geräusche, Licht und Gerüche, und erzeugt ein nostalgisches Bild vom Meer als Ort unendlicher Sehnsucht.
"Wasser und Meer sind Teile von mir. Blau ist meine Lieblingsfarbe. Diese Dinge lösen in mir nostalgische Gefühle aus."
Ein Album wie ein Instagram-Filter: Retro, nostalgisch, auch ein bisschen kitschig. Doch hinter dem Kitsch hört man Texte über Ängste, Selbstzweifel und die Suche nach Orientierung. "Sémaphore" fragt, was es eigentlich bedeutet, die Heimat zu verlassen.

Es geht um die Einsamkeit

"Requin Chagrin ist ein intimes Projekt, ich schreibe vor allem über meine eigenen Gefühle. Es geht um die Einsamkeit, wenn du in eine neue Stadt kommst, oder darum, herauszufinden, wer du bist."
Über politische Themen denkt Brunetto zwar nach, auf "Sémaphore" spielen sie aber keine Rolle:
"Vielleicht schreibe ich eines Tages darüber, aber ich mag es, wenn jeder seine eigene Bedeutung in die Stücke hineinlegen kann."
Verhallte Gitarren, ein straff gespieltes Schlagzeug, und Brunettos Gesang, der so verhallt ist, dass er wie eine Stimme aus einer längst vergangenen Zeit wirkt. Stellenweise ist die Retro-Surf-Musik von Requin Chagrin redundant. Doch insgesamt hat "Sémaphore" eine gute Dramaturgie. Die Stimmung wechselt von tiefer Trauer zu naiven Balladen über durchgemachte Nächte.
"Sémaphore" ist ein monothematisches Album. Es thematisiert das Gefühl der Entfremdung von der Heimat auf Albumlänge. Das wirkt fast schon anachronistisch in einer Zeit, in der es immer mehr nur noch darum geht, einzelne Musikstücke zu veröffentlichen, um den Streaming-Algorithmus zu bedienen. Und auch wenn vieles auf "Sémaphore" rätselhaft bleibt: Requin Chagrin nimmt sich Zeit, auch die Nuancen ihrer Gefühlswelt musikalisch zu verarbeiten.
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