CDU strebt nach Frauenquote

Die Selbstverpflichtung hat nicht funktioniert

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Die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, und Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Trotz prominenter Frauen an der Spitze, wie die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, und Bundeskanzlerin Angela Merkel, fehlen in der CDU die Frauen an der Basis. © picture-alliance/NurPhoto/Nicolas Economou
Stephan Detjen im Gespräch mit Korbinian Frenzel  · 08.07.2020
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Dass auch die CDU in Zukunft auf eine Frauenquote setzen werde, habe sich lange abgezeichnet, sagt unser Berliner Chefkorrespondent Stephan Detjen. Als Volkspartei brauche die Basis mehr weibliche Mitglieder und Karrierechancen.
Als eine "Evolution" charakterisiert unser Studiogast, der Chefkorrespondent des Deutschlandradio, Stephan Detjen, dass die CDU-Führungsspitze eine Frauenquote von 50 Prozent ab 2025 in der Partei durchsetzen will. "Es ist eine Entwicklung, die sich seit langen abgezeichnet, dass die Partei erkannt hat: Sie hat da ein massives Problem", so Detjen. Es werde inzwischen erkannt, dass Ziele wie die Frauenförderung nur erreicht werden könnten, wenn man bestimmte Strukturen schaffe. Mit der Selbstverpflichtung, auf die sich die Unionsparteien lange verlassen hätten, komme man da nicht weit genug.

CDU braucht mehr Frauen

Obwohl die CDU die Bundeskanzlerin stellte, habe sich der Anteil der Frauen unter den Mitgliedern nicht erkennbar erhöht. Bei Angela Merkels Amtsantritt habe er bei 24 Prozent gelegen und sei nur etwa um drei Prozent gestiegen. "Das ist bei weitem nicht das, was die Partei will, was sie auch braucht, wenn sie sich als breit aufgestellte Volkspartei erhalten will."
Porträt von Stephan Detjen.
Zu Gast in unserer Sendung: Stephan Detjen, Chefkorrespondent des Deutschlandradios. (Deutschlandradio / Anja Schäfer)© Deutschlandradio / Anja Schäfer
Zur parteiinternen Kritik an der Quote sagt Detjen, es habe lange zur Identität der CDU dazu gehört, diese abzulehnen und sich so von anderen Parteien, wie der SPD oder den Grünen, abzugrenzen. "Das war ein hoch - auch emotional - aufgeladenes Thema." Doch die Erkenntnis, dass es zwar Frauen an der Spitze gebe, die Ära Merkel jetzt ende und ihr voraussichtlich ein Mann nachfolge, werde von der Einsicht begleitet, dass Frauen an der Basis fehlten. Dabei sei die CDU - wie schon in ihren Gründungsjahren - bei Wählerinnen viel erfolgreicher als die SPD. Aber um das zu erhalten, brauche man mehr Frauen in der Mitgliedschaft, die dann auch in der Partei Karriere machen könnten.

Rückschritte bei der Frauenförderung

"Man darf sich nichts vormachen, dass Politik generell nach wie vor noch etwas ist, was man mit all dem assoziieren kann, was man sehr grob und vereinfacht als 'männlich' beschreiben kann", sagt Detjen. Das sei im Journalismus ähnlich.
Junge Frauen würden in der CDU oft mit offenen Armen empfangen, aber wenn es später um den Aufstieg in der Partei, ein Bundestags- oder Landtagsmandat gehe, dann fingen die gewachsenen Machtstrukturen an zu arbeiten. "Und die sind dann männlich", sagt Detjen. Die Bundestagsfraktion von CDU/CSU sei bei den weiblichen Abgeordneten auf einem historischen Tiefststand - mit 80 Prozent Männern. Das seien viel weniger als bei Merkels Amtsantritt. "Man macht Rückschritte und das kann man keinem mehr erklären."

Frage der Erfolgsstrategie

In der CDU werde auch diskutiert, ob sich die Parteien nicht immer mehr angleichen, sagt Detjen. "Wir haben uns von der Atomkraft verabschiedet, wir haben uns von der Wehrpflicht verabschiedet und dann noch die Flüchtlinge aufgenommen, grüne Politik gemacht und jetzt machen wir auch noch Frauenquote", laute das Argument von Kritikern, die um die Abgrenzung zu den anderen Parteien fürchteten.
Detjen erwartet, dass sich dennoch keiner der drei Kandidaten für den zukünftigen CDU-Parteivorsitz gegen die Frauenquote positionieren werde. "Alle wissen das, wenn sie diese Partei erfolgreich führen wollen, dann müssen sie da entschieden vorankommen, dann müssen sie die Frauen einbinden und wirksame Instrumente finden, die Frauen zu fördern und auf andere Formen der Abgrenzung setzen."

Chance für AfD und FDP?

Aber auf dem Markt der politischen Meinungen bleibe nun dieses Feld für eine Partei wie die AfD frei, die eine Frauenquote ablehnt. Aber auch diese Partei habe riesige Probleme weibliche Wähler zu erreichen und Frauen in der Partei zu aktivieren, sagt Detjen. Die Bundestagsfraktion sei noch stärker als die Union von Männern dominiert. Wenn die AfD Volkspartei werden wolle, stehe sie vor ähnlichen Problemen wie die CDU.
Auch die FDP werde als liberale Partei weiter auf eine Quote als "Zwangsmaßnahme" verzichten. "Also, der politische Markt ist da, es gibt Alternativen."

Stephan Detjen ist Chefkorrespondent des Deutschlandradio sowie Studioleiter des Hauptstadtstudios Berlin und des Deutschlandradio-Büros in Brüssel. Von Juni 2008 bis März 2012 war der studierte Jurist und Historiker Chefredakteur des Deutschlandfunks.

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