"Cat Person"

Die Geschichte wird im Netz weitererzählt

09:54 Minuten
Eine junge Frau und ein junger Mann drehen sich auf der Straße nacheinander um.
Kristen Roupenians "Cat Person" gibt Einblicke in die Grauzonen der #metoo-Debatte © imago / Reporters / Heline Vanbeselaere
Christiane Frohmann im Gespräch mit Katja Bigalke und Marcus Richter · 19.01.2019
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Aus dem Netz in die Buchhandlungen: gerade ist in 23 Ländern der Erzählband "Cat Person" erschienen - eine Story, die im Rahmen von #MeToo viral ging. Für Christiane Frohmann ein Beispiel dafür, wie Soziale Medien auch neue Kommunikationsräume eröffnen können.
Die 20-jährige Margot und der 34-jährige Robert lernen sich in einem Kino kennen, tauschen Telefonnummern aus und kommunizieren monatelang nur über Textnachrichten. Dann ein Date, bei dem es zum Sex kommt - initiiert von Margot, obwohl die eigentlich gar nicht will, aber sie zieht die Sache halt durch. Irgendwie bringt sie es danach auch nicht fertig, Robert zu sagen, dass sie keinen weiteren Kontakt wünscht, bis das schließlich eine Freundin für sie erledigt - per SMS. Am Ende wird sie von Robert per Textnachricht als "Hure" beschimpft.

Der virale Literatur-Hit des Jahres 2017

Das ist der Stoff der Kurzgeschichte "Cat Person" von Kristen Roupenian, die zum viralen Literatur-Hit des Jahres 2017 wurde: Zunächst in der Zeitschrift "New Yorker" abgedruckt, wurde sie 2,6 Millionen Mal in den sozialen Netzwerken geteilt und dort tausendfach diskutiert. Jetzt ist die Geschichte im Rahmen eines Erzählbandes auch auf Deutsch und in gedruckter Form erschienen.
Den großen Erfolg der Story erklärt die Philosophin und Digitaltheoretikerin Christiane Frohmann vor allem damit, dass diese zur Zeit der #MeToo-Debatte genau den Ton getroffen habe, für den damals sehr viele Menschen sensibel waren.
Christiane Frohmann
Christiane Frohmann© Deutschlandfunk Kultur
"Eigentlich hat diese Short Story gewirkt, wie sonst ein guter Essay wirkt", sagt Frohmann. "Nur gab es einfach keinen Essay, der dieses Phänomen – oder die vielen Phänomene, die in 'Cat People' verhandelt werden, schon so prägnant erzählen konnte". Das Alters- und Machtgefälle zwischen Mann und Frau etwa, das wechselseitige Zum-Objekt-Machen, die Grausamkeit einer Kommunikation, die über Textnachrichten verläuft. Oder die Kommunikation über Avatare, die gewissermaßen als Projektionen von Ich-Idealen auftreten, aber nicht die wirkliche Person widerspiegeln.

Soziale Medien als "schöner Raum zum Probe-Kommunizieren"

Die Diskussion in den Sozialen Medien habe die Erzählung dann gewissermaßen weitergelesen und fortgeschrieben. "Es ist fast so, als ob sich hier noch ein neuer literarischer Raum eröffnet hat, auch einer der Rezeption." Das Gute an diesem Raum: Er lasse Vorläufigkeit zu. "Ein schöner Raum zum Probe-Kommunizieren und -Diskutieren und -Sprechen auch. Es ist nicht so verbindlich. Es ist ein Austesten und ein Anfangen des Gesprächs über etwas, was man nicht so klar begrifftlich fassbar hat", so Frohmann. "Das ist, glaube ich, das Interessante, und deshalb sage ich auch oft über Twitter: Das ist nicht zum Zuende-Erzählen da und das ist auch der große Reiz dieser Erzählung: die erzählt die Geschichte nicht zuende. Sie erzählt sie sehr ambivalent und lässt Deutungsraum, wo man sich einschreiben kann, weiterdenken, weitererzählen."
Auch die anderen Geschichten Kristen Roupenians, die jetzt gemeinsam mit "Cat People" in einem Kurzgeschichtenband erschienen sind, findet Frohmann größtenteils lesenswert. "Da sind immer wieder so Stellen dabei, wo man denkt: wow! Das ist jetzt stilistisch und auch vom Ton her kein besonders originelles Buch. Aber ich finde auch, Literatur muss nicht immer auf allen Ebenen hochoriginell sein, aber das, was sie erzählt, ist absolut ganz weit vorne." (uko)

Kristen Roupenian: "Cat Person. Storys"
Übersetzt von Nella Beljan und Friederike Schilbach
Blumenbar-Verlag, 288 Seiten, 20 Euro

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