Carolyne zu Sayn-Wittgenstein

Die große Muse von Franz Liszt

Das zeitgenössische Porträt zeigt Carolyne Fürstin zu Sayn-Wittgenstein (1819-1887). | Verwendung weltweit
Carolyne Fürstin zu Sayn-Wittgenstein © picture-alliance / dpa
Von Ulrike Rückert · 07.02.2019
Als sie den Pianisten Franz Liszt kennenlernte, war Carolyne zu Sayn-Wittgenstein 28 Jahre alt. Sie folgte dem charismatischen Superstar nach Weimar und fand dort die Mission ihres Lebens: seine Muse zu sein. Vor 200 Jahren wurde sie geboren.
"Sie war ohne Frage die große Muse von Franz Liszt. Ohne sie ist eigentlich kaum denkbar diese enorme Arbeitsleistung und diese schöpferische Tätigkeit Liszts, die er hier in Weimar vollbracht hat."
"Sie ist mit meinem Dasein, meiner Arbeit, meinen Sorgen und meiner Laufbahn untrennbar vereint, sie leitet mich durch ihren Rat, stärkt mich durch ihren Zuspruch, belebt mich durch ihre Begeisterung, durch ihre einsichtsvollen, liebreichen Worte, ihre klugen und beharrlichen Mühen."
So pries Franz Liszt seine Lebensgefährtin Fürstin Carolyne zu Sayn-Wittgenstein. Für das 19. Jahrhundert war dies die ideale Rollenverteilung eines Paares. Für die Fürstin war es die Mission ihres Lebens: die Muse für Liszts Genie zu sein.

Berüchtigter Salonlöwe und Frauenheld

Carolyne Iwanowska, geboren am 7. Februar 1819, war die Tochter polnischer Großgrundbesitzer in der Ukraine. Mit 17 drängte ihr Vater sie in eine Ehe mit Fürst Nikolaus zu Sayn-Wittgenstein. Als sie Liszt in Kiew begegnete, war sie 28 Jahre alt, lebte von ihrem Ehemann getrennt und verwaltete ihre vom Vater geerbten Ländereien mit 30.000 Leibeigenen. Liszt wurde als Pianist auf Tourneen durch ganz Europa gefeiert, ein charismatischer Superstar. Was die Presse aus Berlin berichtete, spielte sich überall ab:
"Eine Dame ist vor ihm niedergekniet und hat ihn gebeten, seine Fingerspitzen küssen zu dürfen, hunderte haben Handschuhe mit seinem Bild getragen, - viele haben den Verstand verloren."
Die Fürstin lud den berüchtigten Salonlöwen und Frauenhelden auf ihr Landgut ein: Er blieb drei Monate lang. Im Frühjahr 1848 folgte sie Liszt mit ihrer elfjährigen Tochter nach Weimar. Der großen Tourneen überdrüssig, wollte er sich dort aufs Komponieren konzentrieren. Für zwölf Jahre wurde Weimar, nach Goethes Tod verödet, wieder zum kulturellen Zentrum. Das Haus, in dem Carolyne zu Sayn-Wittgenstein und Liszt zusammenlebten, zog Musiker und Komponisten, Dichter, Schriftsteller und Maler an.
"Liszt war nicht gegenwärtig bei dieser Unterhaltung, die die Fürstin mit einer bewunderungswürdigen Schärfe, mit stets neuen, nie oberflächlichen Behauptungen fortführte, indem sie die schwersten Pflanzerzigarren dabei rauchte. Die Fürstin war wieder der Glanzpunkt aller Gespräche", schrieb der Pianist Hans von Bülow über einen Abend. So gewandt und großzügig sie als Gastgeberin war, so konsequent hielt sie Liszt an, seine Ideen auf Notenblättern auszuarbeiten.

"Genie hat ihm nicht gefehlt – aber Sitzfleisch"

"Immer mit meiner Arbeit in demselben Zimmer, sonst hätte er nie komponiert. Genie hat ihm nicht gefehlt – aber Sitzfleisch – und Fleiß, Arbeitsausdauer. Wenn Niemand ihm dabei hilft, so kann er nicht."
Über sein eigenes Werk hinaus wollte Liszt zeitgenössischer Musik zum Durchbruch verhelfen, ein neues Kunstverständnis etablieren, eine nationale Institution als Mittelpunkt aller Künste schaffen. Die Fürstin war seine Diskussionspartnerin, Kritikerin, Assistentin und Mitautorin seiner Bücher und Feuilletonaufsätze. Schon Zeitgenossen warfen ihr vor, ihn zu sehr zu beeinflussen.
Auch neuere Biographen kritisieren, sie habe ihn dominiert und seine Schriften verfälscht. Der 2016 verstorbene Liszt-Forscher Detlef Altenburg beurteilte das anders:
"Sie hat ganz entscheidend dazu beigetragen, dass er seine kompositorischen Pläne, die er hatte, die mehr so in den Bereich der Schwärmerei gingen, hier in Weimar mit einer Konsequenz durchgeführt hat, die ihresgleichen sucht."
Die fromme Katholikin versuchte, die Annullierung ihrer Ehe zu erlangen. 1860 reiste sie deshalb nach Rom, doch als sie ihr Ziel erreicht hatte, wurde die geplante Hochzeit mit Liszt in letzter Minute abgesagt. Die Gründe sind nicht ganz zu klären. Bis zu ihrem Tod 1887 blieb die Fürstin in Rom, wo auch Liszt nun die meiste Zeit verbrachte. Sie lebten nicht mehr zusammen, blieben aber eng verbunden. Bei einem Besuch in Weimar hatte Hans Christian Andersen in sein Tagebuch notiert:
"Er und die Fürstin kommen mir vor wie Feuergeister, sie lodern und flammen, sie können einen augenblicklich erwärmen, doch nähern darf man sich ihnen nicht, da verbrennt man."
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