Carolina Böhm aus Berlin

So arbeitet eine Gleichstellungsbeauftragte

Aufkleber mit Venus- und Marssymbol als Zeichen für Frauen und Männer
Dem Kampf für Gender-Mainstreaming widmen sich Gleichstellungsbeauftragte. © picture alliance / dpa / Jan Woitas
Von Susanne Arlt  · 15.09.2015
Sie plagt sich mit der Sportanlagennutzungsverordnung, besucht Frauen in einer Flüchtlingsunterkunft, engagiert sich gegen häusliche Gewalt: Szenen aus dem Arbeitsalltag einer Berliner Gleichstellungsbeauftragten.
Carolina Böhm ist viel unterwegs. Sie besucht Beratungseinrichtungen für Frauen, fragt bei der Arbeitsagentur nach, geht zu den Treffs beim Unternehmerinnenzentrum. Ohne Networking geht in ihrem Beruf nichts. Seit knapp einem halben Jahr ist sie neue Gleichstellungsbeauftragte des Berliner Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf. Kein Schreibtischjob, sagt die 48-Jährige, dafür aber in Berlin ein Traumjob.
"Das Landesgleichstellungsgesetz von Berlin ist eines der fortschrittlichsten bundesweit. Wir sind ja hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte und es gibt erstaunliche viele Kolleginnen im Bundesgebiet, die das so ein bisschen mitmachen das Thema, gleichzeitig aber noch für viele andere Aufgaben zuständig sind."
Nicht so Carolina Böhm und ihre Kolleginnen in den elf anderen Berliner Bezirken. Sie dürfen sich ausschließlich dem Kampf für das Gender-Mainstreaming widmen. Seit der Weltfrauenkonferenz in China vor 20 Jahren sei aber schon viel erreicht worden, betont die 48-Jährige.
"In den Diskussionen in frauenbewegten Kreisen war das Thema schon da. Aber dass es sozusagen eine politische Strategie wurde, das hat erst in Peking begonnen. Und dass es dann in der Folge ja auch in der EU als EU-weite Strategie festgeschrieben wurde und Pflichtaufgabe ist für die Mitgliedsstaaten, wo sie bestimmt sehr unterschiedlich damit umgehen, das ist mit Peking gestartet worden."
Eine Quote für das Charlottenburger Rathaus gibt es zwar nicht, aber die Posten der Amtsleiter sind fast paritätisch besetzt: zwei Frauen, drei Männer, einer davon ein bekennender Homosexueller.
"Wenn wir uns dazu im Gegensatz die Dax-Konzerne angucken, shame on you."
Carolina Böhm packt ihre Unterlagen in eine Fahrradtasche. Dann radelt sie los in eine Flüchtlingsunterkunft. Seit dem Bürgerkrieg in Syrien ein Thema, das immer mehr ihrer Zeit in Anspruch nimmt.

Die Gemeinschaftsunterkunft in der Soorstraße liegt am Rande eines Charlottenburger Villenviertels. Als vor zwei Jahren syrische und afghanische Flüchtling in die denkmalgeschützte Kaserne aus preußischer Zeit zogen, regte sich anfangs Wiederstand. Manche Anwohner waren der Meinung, die Migranten seien eine psychische Bedrohung, der Wert ihrer Immobilien würde sinken, der soziale Frieden sei gestört.
Kampf gegen die Rollenklischees
Inzwischen engagieren sich dort mehr als 60 Anwohner ehrenamtlich und helfen den Flüchtlingen, sich zu integrieren. Sozialstadtrat Carsten Engelmann und die Bezirksverordneten wollen sich heute einen Überblick verschaffen, wie es in den Flüchtlingsunterkünften im Bezirk so läuft. Carolina Böhm will von der Heimleiterin natürlich wissen, wie es den Frauen geht.
"Die Frauen, die alleine sind, sind die auch hier separiert untergebracht? Ist das möglich oder ist das gewünscht?"
"Wie meinen Sie separiert?"
Die Heimleiterin schaut irritiert. Für Carolina Böhm keine ungewohnte Situation. Freundlich fragt sie weiter.
"Dass es einen Trakt gibt, wo die Frauen untergebracht sind?"
"Nein, das geht auch gar nicht, es kann ja passieren, wir haben ein Zwei-Bett-Zimmer, wenn wir das dann frei melden, dass uns zwei einzelne Frauen und zwei Männer geschickt werden. Und je nachdem, wo Bedarf ist, der kommt dann halt."
Für manche geht dieser Gedanke dann doch zu weit. Für Carolina Böhm nicht. Viele Migrantinnen seien traumatisiert, auf ihrer Flucht genötigt, vergewaltigt, erniedrigt worden, erzählt sie. Es gibt in Deutschland noch immer Bereiche, die problematisch sind: häusliche Gewalt, die hohe Anzahl von Frauen in schlecht bezahlten Jobs. Auch im Sport gehöre Diskriminierung zum Alltag, insbesondere beim Fußball, sagt die 48-Jährige.
"Das geht auch nicht konfrontativ, das habe ich gelernt. Unsere Sportflächen werden von 80 Prozent Männern, aber nur von 20 Prozent Frauen genutzt. Was ein bisschen damit zu tun, dass die Vereine, die hier ansässig sind, auch nicht alle so wahnsinnig engagiert sind, um überhaupt den Frauenfußball zu fördern. Da haben Vereine, die einen Platz nutzen, ein Vorzugsrecht, die können nur sehr schwer vertrieben werden und deswegen ist das ein irre dickes Brett."
Ein Brett, das der rot-schwarze Senat durchbohren könnte, wenn er die Sportanlagennutzungsverordnung ändern würde. Danach sieht es derzeit aber nicht aus. Und noch etwas scheint nach 20 Jahren Weltfrauenkonferenz Bestand zu haben. Im Flüchtlingsheim möchte ein Politiker wissen, ob die Bewohner sich denn selber versorgen können.
Kochen nur die Frauen oder auch die Männer?, will CDU-Sozialstadtrat Carsten Engelmann wissen und zwinkert in diesem Moment Carolina Böhm zu. Die nimmt es gelassen, lächelt kühl zurück und sagt später, ihr Amt werde gern als Einfallstor für Witze genutzt.
"Es gibt noch Rollenklischees. Frauen generell sind ja noch immer in den Köpfen mit bestimmten Bildern verhaftet. Es ist, glaube ich, grundsätzlich so, dass wir noch nicht davon ausgehen können, dass in allen Köpfen das Bild von Mann und Frau ein Gleichwertiges ist."
Daran wird sich, wenn überhaupt, wohl erst in vielen Jahren etwas ändern.
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