Carlos Ruíz Zafón: "Das Labyrinth der Lichter"

Mischung aus Krimi, Mystery und Generationendrama

Buchcover Carlos Ruíz Zafón: "Das Labyrinth der Lichter" vor einer Nachtansicht von Barcelona
Buchcover Carlos Ruíz Zafón: "Das Labyrinth der Lichter" © S. Fischer Verlag / dpa
Von Irene Binal · 15.03.2017
Im letzten Band seiner Bestseller-Tetralogie rund um den Friedhof der vergessenen Bücher löst der spanische Autor Carlos Ruíz Zafón Rätsel aus den ersten drei Romanen. Doch das in Barcelona spielende Buch hat zahlreiche Schwächen. Und die vielleicht spannendste Frage bleibt offen.
Es ist ein Wiedersehen mit alten Bekannten: Buchhändlerssohn Daniel Sempere mit Frau Bea und Sohn Julián, der geschwätzige Fermín, David Martín, Romancier mit größeren psychischen Defekten – sie alle lässt Carlos Ruíz Zafón in seinem neuen Roman "Das Labyrinth der Lichter" wieder aufmarschieren.
Dazu kommen einige neue Gesichter: Alicia etwa, eine junge Frau, der Fermín vor vielen Jahren in einer Bombennacht das Leben rettete und die nun – belastet mit einen schweren Hüftschaden und einer zynischen Weltsicht – im Auftrag ihres obskuren Mentors Leandro nach Barcelona zurückkehrt, um das Verschwinden des zwielichtigen Kulturministers aufzuklären; der brutale Polizist Hendaya, ein würdiger Nachfolger des sinistren Inspektor Fumero; oder der Schriftsteller Victor Mataix, dessen Romanreihe um ein Mädchen namens Ariadna angeblich jedem, der mit den Büchern in Berührung kommt, Unglück bringt. Selbst der Federhalter, der möglicherweise Victor Hugo gehörte, geistert erneut herum, und natürlich taucht auch der Friedhof der vergessenen Bücher wieder auf, jene labyrinthische Bibliothek im Herzen Barcelonas, die für Zafóns Figuren gleichzeitig Flucht- und Sehnsuchtspunkt ist.
Beste Voraussetzungen also für einen furiosen Abschluss der Barcelona-Tetralogie des spanischen Autors, sollte man meinen. Auf fast 1000 Seiten spinnt Zafón seine Fäden, lässt die Vergangenheit in die Gegenwart greifen, ergeht sich in Rückblenden, jagt seine Figuren quer durch Barcelona oder Madrid. Und folgt man ihm zu Beginn noch mit Neugier, so stellt sich spätestens nach einigen hundert Seiten eine gewisse Ermüdung ein.

Schiefe Methaphern, hölzerne Charaktere

Allzu geschraubt wirken oft die überlangen Dialoge, allzu verwirrend die zahlreichen Verbindungen und Nebenhandlungen. Wo vor allem in den ersten beiden Bänden der Reihe noch ein Zauber zu wirken schien, der von Zafóns schriftstellerischen Schwächen ablenkte, treten diese Mängel nun deutlich zutage: die oft merkwürdig schiefen Metaphern ("Eine Schar von Helden, von einer Schicht Verwesung erzeugt, die dieses Brachland überschwemmten wie ein Fluss voller Blut, das aus den Gullys quoll"), die mitunter allzu geschraubten Dialoge oder auch die etwas hölzernen Charaktere, die kaum je eine Entwicklung durchmachen (Daniel Sempere etwa, der nie etwas anderes sein darf als lieb und ein bisschen überfordert).
Seltener sind Passagen, in denen Zafón sein Können ausspielt und ein dunkles und melancholisches Barcelona zeichnet, dem die blutige spanische Geschichte tiefe Wunden geschlagen hat. Ein bisschen scheint es, als habe der Spanier allzu viel in diesen letzten Band der Reihe packen wollen, und das Ergebnis ist eine seltsame Mischung aus Krimi, Mystery-Stück und historischem Generationendrama. Die ungelösten Rätsel aus den ersten drei Romanen finden tatsächlich eine Auflösung, offen bleibt aber die vielleicht spannendste Frage: ob Carlos Ruíz Zafón nun ein brillanter Autor ist, der sich mitunter Schwächen erlaubt, oder ein eher mittelmäßiger Schriftsteller, dem mal ein großer Wurf gelungen ist.

Carlos Ruíz Zafón: "Das Labyrinth der Lichter"
aus dem Spanischen von Peter Schwaar
Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2017
939 Seiten, 25 Euro

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