Cannabis

Kiffen greift in seelische Entwicklung der Kinder ein

Christoph Möller im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 17.12.2013
Marihuana zu legalisieren wäre ein falsches Signal an Kinder und Jugendliche, glaubt Christoph Möller. Der Kinder- und Jugendpsychiater meint, es würde ihnen suggerieren, "was legal ist, ist in Ordnung". Doch in jungen Jahren könne Kiffen ihre Entwicklung beeinträchtigen.
Korbinian Frenzel: Wir alle kennen das Beispiel der Niederlande, wenn es um den Umgang mit leichten Drogen, um Marihuana geht. Dort kann man ganz legal kiffen in Coffeeshops. Uruguay ist gerade in dieser Woche noch einen Schritt weitergegangen. Als erstes Land in der Welt hat es den begrenzten Handel mit Marihuana legalisiert, 40 Gramm pro Person und Monat. Das kann ganz schön lustig werden. Und jetzt haben sich auch hierzulande Strafrechtler zu Wort gemeldet. 106 Strafrechtsprofessoren vertreten die Aussage: Verbieten hilft nichts, zumindest nicht, um den Drogenkonsum ernsthaft einzudämmen. Eine spannende Debatte ist das, zu der wir hier im Deutschlandradio Kultur eine Stimme hören möchten, die uns erklären kann, was passiert, was passieren kann durchs Kiffen. Am Telefon ist Professor Christoph Möller, er ist Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie im Kinderkrankenhauses "Auf der Bult" in Hannover. Einen schönen guten Morgen!
Christoph Möller: Guten Morgen.
Frenzel: Aus all dem klingt ja so ein bisschen raus: Joints rauchen ist schon okay, auf jeden Fall nicht so schlimm, dass es gleich verboten gehört. Wenn Sie mal medizinisch einordnen: wie bedenklich, wie schädlich ist der regelmäßige Konsum von solchen Drogen?
Möller: Ich möchte einen Aspekt der Kinder- und Jugendpsychiatrie danebenstellen. Kinder und Jugendliche beginnen heute früher zu kiffen als früher. Sie kiffen früher und höher dosiert und das greift enorm in die Lebensgeschichte der Jugendlichen ein. Sie können zum Beispiel alterstypische Aufgaben nicht mehr wahrnehmen wie den Schulbesuch. Es kommt zu Konzentrationsschwierigkeiten gerade im Bereich des Kurzzeitgedächtnisses, der wichtig ist für schulische oder Ausbildungsangelegenheiten, die in das Alter gehören. Und es kann dazu führen, dass psychische komorbide Erkrankungen wie Psychosen zunehmen oder getriggert werden durch den frühen Konsum von Cannabis.
Frenzel: Psychose bedeutet, die Kinder und Jugendlichen sind dann nicht nur momentan im Umfeld des Konsums eingeschränkt in dem, was sie tun können, sondern es bleiben auch langfristige Schäden.
Möller: Die Psychose ist ja eine Krankheit, die bei einem Prozent der Bevölkerung auftritt, und die Wahrscheinlichkeit, dass eine solche Krankheit ausgelöst oder getriggert wird, kann durch Cannabis eben erhöht werden. Das ist eines der Probleme, eines von vielen, wobei die anderen Probleme sicherlich noch gravierender sind, dass es in die seelische Entwicklung der Kinder eingreift, wenn früh und hochdosiert gekifft wird.
Ich möchte zu dem Votum der Rechtskollegen ergänzen, dass die Botschaft an die Jugendlichen problematisch ist. Im Bezug auf das Erwachsenenalter ist es etwas anderes. Die Botschaft an die Jugendlichen ist: Was legal ist, ist in Ordnung. Diese Botschaft ist kritisch zu sehen, weil das doch eher wahrscheinlich dazu verleitet, na ja, Kiffen ist ja nicht so schlimm, also können wir es doch auch probieren, und es noch schwieriger ist, mit den Jugendlichen darüber zu diskutieren, warum es eben nicht sinnvoll ist, sehr früh oder gar noch hochdosiert zu kiffen.
Frenzel: Nun könnte man ja auch anders herum sagen, gerade weil es verboten ist, weil es illegal ist, ist es spannend - es gibt das Beispiel der Niederlande, wo in Coffeeshops gekifft werden kann -, wo man sagen kann, da ist es viel weniger spannend, da machen es wahrscheinlich auch weniger. Wäre das nicht ein Weg?
Möller: Natürlich ist es so: Es ist immer ein Weg zu finden zwischen Verbot und damit Anreiz und die Sachen trotzdem klar beim Namen zu benennen, wobei in den Niederlanden es ja nicht dazu führt, dass die Jugendlichen nicht mehr kiffen, weil das Ganze erlaubt ist. Dieses Ergebnis haben wir hier nicht. Es geht darum, über die Gefahren aufzuklären, und die Gefahren sind im Jugendalter gravierend, und wir haben heute einen Unterschied, dass die Jugendlichen zum Teil mit 14, 15, 16 beginnen zu kiffen und nicht wie früher, wie in den 68ern, sehr viel später in der Studentenzeit, im Rahmen einer Freiheitsbewegung Cannabis einsetzen und versuchen, einen anderen Lifestyle zu entwickeln, sondern die Jugendlichen heute, die es hochdosiert machen, gehen in der Regel nicht mehr zur Schule und drohen sich wirklich ihre Zukunft zu verbauen.
Frenzel: Ein Aspekt noch zum Cannabis. Man sagt ja immer, der THC-Gehalt sei durch die Züchtung heutzutage sehr viel höher, damit auch die Joints sehr viel gefährlicher letztendlich in den Folgen. Können Sie das bestätigen aus Ihrer Arbeit?
Möller: Das ist sicherlich so, dass der Joint von heute nicht vergleichbar ist mit dem Joint der 68er, und das ist sicherlich auch eine Problematik, dass manch einer, der heute Entscheidungsträger ist, auf die eigene Erfahrung zurückgreift, die nicht vergleichbar ist mit einem 15jährigen, der zwei bis drei Gramm täglich konsumiert und das schon seit einiger Zeit.
Frenzel: Wenn Sie sagen, das Verbot aufheben hilft an der Stelle gerade mit Blick auf Kinder und Jugendliche nichts, was hilft denn dann stattdessen?
Möller: Wir wissen, dass die Verfügbarkeit der Droge entscheidend ist, und die Verfügbarkeit war früher ja in Bezug auf Zigaretten nur begrenzt durch die Körpergröße. Der Zigarettenautomat musste erreicht werden, man musste ein bisschen Kleingeld haben. Da hat sich ja heute einiges getan. Sie müssen sich heute ausweisen, Sie bekommen unter 18 deutlich schwieriger Zigaretten und es gibt klare Verbote. Es geht mir immer um die Haltung und die Botschaften, mit denen man gegenüber Jugendlichen auftritt, weil die Auseinandersetzung ist eigentlich ein wesentliches Element für die Entwicklung der Persönlichkeit im Jugendalter, und diese wird nicht geführt, wenn man das Ganze nur legalisiert. Wie gesagt: Ich spreche hier aus Sicht des Kinder- und Jugendpsychiaters für Kinder und Jugendliche, und das ist nicht vergleichbar mit der Problematik bei Erwachsenen.
Frenzel: Professor Christoph Möller, Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie im Kinderkrankenhaus "Auf der Bult" in Hannover. Ich danke Ihnen für das Gespräch.
Möller: Bitte sehr.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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