Candice Fox: "Hades"

Ein Krimi, der süchtig macht

Ein australischer Polizeiwagen parkt an einem Tatort.
Ein australischer Polizeiwagen parkt an einem Tatort. © picture alliance / dpa
Von Marten Hahn · 28.06.2016
Der Gangster "Hades" trifft in dem gleichnamigen Krimi auf zwei halbtote, elternlose Kinder. Die Zukunft der traumatisierten Geschwister sieht er im australischen Polizeidienst. Candice Fox macht daraus einen Plot mit Sogeffekt.
Wer in Sydney eine Leiche entsorgen muss, geht zu Hades. Der selbsternannte Herr der Unterwelt kümmert sich und löst die Probleme auf seiner Müllkippe am Rand der australischen Metropole wortwörtlich in Luft auf. Business as usual. Dann liefert jemand zwei halbtote Kinder bei ihm ab, ein Geschwisterpaar, und Hades nimmt sich der beiden an.
Bald muss er feststellen: Bei Eden und Eric, deren Eltern umgebracht worden sind, ist mehr kaputt gegangen als nur Knochen und Haut. "Tiere waren sie, alle beide. Fürs Rennen geschaffen. Fürs Töten gemacht."
Hades kanalisiert die Mordlust der beiden, hämmert ihnen vermeintlich moralische Prinzipien ein und bereitet sie auf ihre Karriere vor: Polizei, Mordkommission Sydney. Erst dann lässt er sie auf die Außenwelt los – auf ihre Peiniger und andere, die es nicht weniger verdient haben. Unter anderem machen sie an der australischen Ostküste Jagd auf einen Serienmörder, der illegal mit Organen handelt.
Wie die meisten Kriminalromane ist auch Candice Fox’ gelungenes Debüt "Hades" eine Geschichte über Einsamkeit – die der Täter und die der Opfer. Und es ist eine Suche nach der Ursache des Bösen in uns. Angeboren? Anerzogen? Oder das Ergebnis psychischer Qualen?

Parallelen zur TV-Serie "Dexter"

Candice Fox folgt hier einem eingetreten Pfad. Traumatische Kindheit, mörderische Triebe, Polizeiarbeit bei Tag, Selbstjustiz bei Nacht: Die australische Autorin gibt sich wenig Mühe, die Parallelen zur erfolgreichen US-TV-Serie "Dexter" zu verschleiern. Im Gegenteil, sie legt sogar absichtlich einige Fährten. Dexter Morgan arbeitet bekanntlich für die Polizei in Miami, zusammen mit seiner Schwester Deborah Morgan, und zu Beginn des Romans fragt Hades das schwer verletzte Mädchen, das später Eden Archer heißen wird, nach ihrem Namen. Die Antwort: Morgan.
Um den Kreis zu schließen: Die TV-Serie "Dexter" basiert zu Teilen selbst auf einem Roman, auf "Darkly Dreaming Dexter" von Jeff Lindsay. Heißt also: Roman inspirierte TV-Serie inspirierte Roman. Macht "Hades" das weniger originell? Abklatsch statt Kunst? Nein! Um ein weiteres Fernseh-Beispiel ins Spiel zu bringen: Auch der Serien-Blockbuster "Homeland" hat eine israelische Vorlage und wird dennoch als eigenständiges Kunstwerk gefeiert.
"Hades" ist hartgesottene Kriminalliteratur vom Feinsten. Ein Buch, das einmal mehr unseren Durst nach Anti-Helden und sympathischen Psychopathen stillt. Fox gelingt im Literarischen das, wonach jeder Serienmacher strebt: Sie stellt diesen Sogeffekt her, der binge watcher ganze Wochenenden vor der Glotze verbringen lässt. Wer für derartigen exzessiven Belletristik-Konsum etwas übrig hat, muss im Fall Fox allerdings noch etwas warten. "Hades" ist der erste Teil einer Trilogie. Der letzte Band erscheint im Frühjahr 2017.

Candice Fox: "Hades"
Aus dem australischen Englisch von Anke Caroline Burger
Suhrkamp, Berlin 2016
341 Seiten, 14,99 Euro

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