Caetano Veloso live in Deutschland

Ein intimer Familienabend

08:57 Minuten
Sänger Caetano Veloso mit seinen Söhnen Moreno, Zeca und Tom bei einem Auftritt in Sao Paulo.
Caetano Veloso mit seinen Söhnen. Ähnlich wie bei diesem Auftritt in Sao Paulo ging es im Berliner Tempodrom zu: sehr familiär. © imago images / Fotoarena
Von Dirk Schneider · 26.06.2019
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Caetano Veloso ist ein großer Rebell der brasilianischen Kultur, oft wird er mit Bob Dylan verglichen. Das Konzert mit seinen Söhnen Moreno, Zeca und Tom im Berliner Tempodrom wurde ein fröhliches Familienfest im erweiterten Kreis.
Als Caetano Veloso 1968 mit der Band Os Mutantes "É proibido proibir" sang - zu Deutsch "es ist verboten zu verbieten" - griff er nicht nur das herrschende Militärregime an, das ihn kurz darauf ins Gefängnis warf. Er provozierte damit auch marxistische Studenten, die Veloso und anderen Musikern des "Tropicalismo" wie Gilberto Gil und Tom Zé vorwarfen, die brasilianische Musiktradition zu kommerzialisieren.
Tropicalismo war die große Erneuerungsbewegung in der brasilianischen Musik der späten 60er-Jahre, die brasilianische Musik mit Rock’n’Roll und Avantgarde vermischte und damit auf die Höhe der Zeit brachte.
Heute gehört Caetano Veloso längst zur brasilianischen Musiktradition, viele seiner Kompositionen sind zu Klassikern geworden und Veloso nicht nur zu einem der renommiertesten brasilianischen Musiker, sondern zu einer internationalen Größe.
Nicht nur 30 Grad Außentemperatur haben dafür gesorgt, dass sich das Konzert für Caetano Veloso und seine Söhne Moreno, Zeca und Tom wie ein Heimspiel angefühlt haben dürfte. Es wurde viel Portugiesisch gesprochen im Berliner Tempodrom, die vier Velosos wurden schon zu Beginn wie Helden empfangen, und als Veloso mit dem Stück "Você Não Entende Nada" eröffnete, hat der halbe Saal mitgesungen.
Caetano Veloso bei einem Konzert 2018.
Caetano Velosos Stil wurde "Tropicalismo" genannt. Während der Militärdiktatur (1964-1984) wurde er inhaftiert, 1968 ging er ins Exil nach London.© imago stock&people
"Ofertório" heißt das aktuelle Album von Caetano Veloso, ein Live-Album, das er mit seinen Söhnen aufgenommen hat, und sie nun gemeinsam auf der Bühne sitzen zu sehen, hatte etwas sehr Intimes. Es zeigte sich, dass sie auf eine ganz andere Art und Weise als eine Band oder ein Ensemble miteinander umgehen, vertrauter, liebevoller und vielleicht sogar zärtlicher - in der Ansprache, aber natürlich vor allem in der Musik, fast alle Songs haben sie gemeinsam gespielt, und oft auch gemeinsam gesungen.
Auch die Söhne haben sich als großartige Musiker präsentiert, Zeco hat neben Gitarre noch Bass und Keyboards gespielt, und Moreno, der älteste Sohn, hat auch Percussions gemacht und war fast so etwas wie der heimliche Star des Abends, er hat viel erzählt, viele Witze gemacht.
Aber alle vier präsentierten sich mehr oder weniger auf Augenhöhe, Caetano Veloso hat ihnen viel Platz geboten, sie haben auch eigene Kompositionen gespielt.
Einer der Höhepunkte war sicher das Lied "Todo Homem", das Caetano Veloso nach eigener Aussage geschrieben hat, als seine Frau mit Zeco schwanger war, und das hat an diesem Abend Zeco selbst gespielt, gesungen mit hoher, fast brüchiger, aber sehr intensiver Stimme.
Caetano Velosos Stimme musste sich neben denen seiner Söhne nicht verstecken. Man hörte ihr ein gewisses Alter an, aber das hat sie keinesfalls eingeschränkt, sie ist noch sehr klar, sehr sicher, sehr sanft. Man sieht Caetano Veloso seine 76 Jahre nicht so sehr an, aber man merkte schon, dass er auch schwächer geworden ist.

Die Familie als ein Ganzes

Umso schöner war es, dass er nun mit seinen Söhnen auftritt, die ihn vielleicht ein bisschen gestützt haben, musikalisch, ihn ergänzt haben, und tatsächlich konnte man an diesem Abend nicht nur Caetano Veloso und seine Söhne erleben, sondern ein Ganzes.
Die gute Beziehung des Vaters zu den Söhnen zeigte sich sehr schön darin, als Caetano Veloso erzählte, er sei ja selbst nicht religiös, aber seine Söhne schon, alle drei. Für eine Messe zum 90. Geburtstag seiner Mutter hat Veloso ein, wie er beim Konzert sagte, tief religiöses Stück Musik geschrieben, und das hat er auch vorgetragen und es eine Hommage an den Glauben seiner Söhne genannt – eine beeindruckende Respektbezeugung vor dem eigenen Weg, den die Söhne gehen.

Glückliche Gesichter im Publikum und auf der Bühne

Caetano Veloso war immer auch eine politische Stimme in Brasilien, vor der Wahl des jetzt amtierenden Präsidenten Brasiliens hatte er in einem Interview gewarnt, Jair Bolsonaro werde "eine Welle von Angst und Hass" in Brasilien auslösen. Zur politischen Lage in seiner Heimat hat er sich dennoch fast nicht geäußert.
Als allerdings während der Zugaben das Publikum "Lula Livre" skandierte, also die Freilassung des ehemaligen Präsidenten Lula Da Silva forderte, der ja als politischer Gefangener gilt, aufgrund seiner Verurteilung konnte er bei der letzten Wahl nicht gegen Bolsonaro antreten, antwortete Caetano Veloso ebenfalls "Lula Livre".
Es gab an diesem Abend mehr Zugaben als geplant, die vier Velosos hatten sich schon mehrmals von der Bühne verabschiedet und dann doch immer noch weiter gespielt, am Ende hat der halbe Saal getanzt - ein bewegender Abend in doppelter Hinsicht, es war wirklich bewegend, viele glückliche Gesichter waren nach diesem Konzert zu sehen - nicht nur im Publikum, auch auf der Bühne.
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