"Business Insider" von Simon Denny in Brüssel

Die Ästhetik von Macht und Politik im Tech-Zeitalter

Der neuseeländische Künstler Simon Denny steht am 29.08.2013 im Hamburger Bahnhof in Berlin vor seinen für den Preis der Nationalgalerie für junge Kunst 2013 nominierten Werken.
Der neuseeländische Künstler Simon Denny © picture alliance / dpa / MAtthias Balk
Von Mike Herbstreuth · 20.05.2016
Zwölf Vitrinen mit Neonbeleuchtung: Der erste Eindruck der Ausstellung "Business Insider" in Brüssel ist kühl, aber ein näheres Hinsehen lohnt sich. Der neuseeländische Künstler Simon Denny hat aus alten Server-Racks Monumente über die Geschichte des Hackings gemacht.
Ein hoher, weißer Raum, darin drei Reihen mit Glasvitrinen. Insgesamt zwölf Vitrinen sind es, schmale, gut zwei Meter hohe Glaskästen, die von oben mit Neonröhren beleuchtet werden. Der erste Blick in die Ausstellung "Business Insider" von Simon Denny ist ein ziemlich karger und kühler. Tritt man näher, dann fällt auf: Diese Glaskästen sind keine normalen Vitrinen. Es sind leere Server-Racks – die Gestelle, in denen in Rechenzentren die einzelnen Rechner übereinandergestapelt werden. Simon Denny hat sie umgebaut – zu zwölf Monumenten über die Geschichte des Hackings.
Denny: "Statt einer normalen Vitrine wollte ich etwas benutzen, das aus Welt des Hackings kommt und die Geschichte dieser Kultur in sich trägt."
Eine von Dennys Skulpturen zeigt die Anfänge des Hackings am MIT in den 40er-Jahren, eine beschäftigt sich mit dem Hacken von Telefonleitungen in den 60ern, eine mit den Hackathons, die aktuell von vielen Unternehmen veranstaltet werden. Denny stellt in jede der Vitrinen kleine Objekte und Symbole dieser Meilensteine des Hackings aus, alle versehen mit kleinen Erklärtafeln.

Kleine Objekt und erklärende Texte

In der Vitrine über Hackathons erklärt ein wissenschaftlicher Text diese mehrstündigen Hack-Events. Außerdem liegen darin unter anderem ein Bean-Bag-Chair – eine beliebte Sitzgelegenheit auf Hackathons. Dazu technische Ausrüstung, ein Ausweis eines Hack-Events, an dem Denny selbst teilgenommen hat, ein Flipboard für Ideen, ein paar Dosen Redbull und, und, und. Diese Objekte wiederum sind frontal geschützt von einer Glasscheibe, auf der in weißer Schrift Zusammenhänge und Diagramme aufgemalt sind – zum Beispiel zwischen den Hackern, ihrem Wissen, Institutionen, Marken und Produkten. Dennys Ausstellungen sind nichts für Lesefaule.
Zoë Gray, die Kuratorin: "Ich finde er spielt mit diesem überwältigenden Aspekt der Informationen. Er bringt uns selbst in die Situation von Geheimdiensten: Wir müssen uns durch diese Datenmassen wühlen, um den Sinn des Ganzen zu entdecken. Aber seine Arbeiten sind auch unheimlich einnehmend. Sie sind lustig und sehr geistreich. Und sie sehen fantastisch aus. So zieht er uns hinein in die Geschichten, die diese Skulpturen erzählen."

Skulptur mit Grafiken und Illustrationen der NSA

Wie vielschichtig die Arbeit von Denny sein kann, zeigt auch seine Arbeit für den neuseeländischen Pavillion der Biennale in Venedig aus dem letzten Jahr. Dort hat er sich mit den geleakten Geheimdienst-Dokumenten von Edward Snowden beschäftigt, in denen Neuseeland als enger Partner der amerikanischen NSA oft erwähnt wird. Eine Auswahl dieser Biennale-Arbeiten befindet sich im hinteren Raum der Brüsseler Ausstellung - auch das zentrale Stück: Eine Skulptur über David Darchicourt. Er war lange Creative-Director der NSA und hat für den Geheimdienst viele Grafiken, Illustrationen und Designs entworfen. Auch die, die auf den Dokumenten zu sehen sind, die Edward Snowden geleakt hat. Denny hat sich damals auf die Suche nach dem Urheber der Illustrationen gemacht und stieß auf Darchicourt und dessen Website. Dort fand er noch mehr Arbeiten des Grafik-Designers und machte sie zum Kern seiner Ausstellung:
"Wir haben diese Ausstellung gemacht, in der ich seine Arbeiten interpretiert habe, sie vergrößert habe, in 3-D umgewandelt habe, in HD, sie ausgedruckt und in solchen Vitrinen aus Server-Racks ausgestellt habe.”
Und so landete die Arbeit von David Darchicourt auf der Biennale in Venedig, ohne dass er etwas davon wusste.
Denny: "Dass Darchicourt nicht wusste, dass wir sein ganzes Material benutzen und wir ihn im Dunkeln darüber gelassen haben, dass es da diese riesige Ausstellung über ihn gab – damit wollte ich zeigen, dass wir nicht wissen, was unsere Daten online machen und wer was damit anstellen kann".

Überwältigende Informationsflut

So tut sich in Dennys arbeiten immer noch eine eben auf, und noch eine, und noch eine. Es gibt sehr viel zu entdecken in den Ausstellungen – man könnte Stunden damit verbringen, all die Erklärtafeln und Bildunterschriften durchzulesen. Aber man kann sich auch leicht überwältigen lassen von dieser Flut an Informationen. Gerade, wenn man in manchen Themen nicht so bewandert ist. Geheimdienste, Leaks, Hacking, Tech Culture – Dennys "Business Insider" wirkt teilweise wie eine Ausstellung von einem Digital Native für Digital Natives. Doch Denny widerspricht:
"Ob Digital Native oder nicht – wir alle verlassen uns extrem auf diese Technologien und Infrastrukturen. Auf der einen Seite geht es in meiner Arbeit um mich, weil ich ständig mit all diesen Dingen zu tun habe. Aber selbst Menschen, die glauben, sie wären nicht digital vernetzt, sind es in Wirklichkeit sehr wohl. So ist es auf eine gewisse Art nicht nur meine Geschichte, sondern die Geschichte von jedem."

Die Ausstellung "Simon Denny: Business Insider" ist vom 20.5. bis 14.8.2016 im WIELS Contemporary Art Center in Brüssel zu sehen.

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