Bus ohne Fahrer

Unterwegs in Deutschlands erstem autonomen Bus

Kleinbus "Olli" bei einer Testfahrt in Berlin
Kleinbus "Olli" bei einer Testfahrt in Berlin © picture alliance / dpa / Maurizio Gambarini
Von Ernst-Luwig von Aster · 29.07.2017
Mit maximal acht km/h fährt Deutschlands erster autonomer Bus jede halbe Stunde über den EUREF-Campus in Berlin Schöneberg. Meist findet er seinen Weg allein. Nur ab und zu legt das Gefährt noch eine Vollbremsung hin oder fährt Schlangenlinien.
"So, dann fahren wir zu unserer Strecke."
Eike dreht den Schlüssel, blickt aufs Computerdisplay. "Not ready" – "Nicht bereit" - steht da in großen Buchstaben.
"Not ready heißt, dass wir noch nicht auf der Trajektorie stehen, also auf unserer Strecke. Erst wenn wir da drauf stehen, kann es losgehen."
…mit dem autonomen Fahren. Bis dahin steuert Eike den elektrischen Kleinbus, den hier alle Olli nennen - oder sein Kollege Panna. Eike schiebt den Joystick nach vorne, langsam setzt sich der Bus in Bewegung.

Orientierung über Laserscanner

"Wir müssen auf unsere vorprogrammierte Strecke. Von dort können wir dann autonom fahren, tatsächlich."
Gemächlich ruckelt Olli Richtung Teststrecke. Kompakt, knuffig, wie eine Skigondel auf Rädern, außen und innen rot-weiß. Auf dem Dach sorgen zwei Laser für Orientierung, vorne scannen nochmals zwei die Umgebung.
"Wir haben einmal den ganzen Campus mithilfe unserer Laserscanner auf dem Dach gemappt, dann haben wir so eine 3-D-Karte erzeugt, in der die Gebäude, Büsche, Bäume enthalten sind."
Der autonom fahrende Kleinbus "Olli" fährt bei einer Testfahrt am 05.12.2016 über das Bürogelände Euref in Berlin-Schöneberg. 
Der fahrerloser Kleinbus "Olli"© dpa / Maurizio Gambarini
Draußen die Laser-Sensoren, im Innern Eike und Panna. Sicher ist sicher. Seit einem knappen Jahr arbeiten die beiden Geografiestudenten als Stewards im autonomen Minibus.
Und wenn Olli sich nicht mehr orientieren kann, bleibt er stehen. Alle 30 Minuten dreht der Minibus seine Runde über das Campusgelände. Maximal zwölf Personen können mitfahren, umsonst.
Mitfahrer: "Wir müssen zu einem Einführungsvortrag Smart City. Könnt ihr uns da hin fahren?"
Steward: "Haupteingang, da fahren wir hin."

Hindernissen kann Olli nicht alleine ausweichen

Drei Männer und zwei Frauen steigen ein, setzen sich auf die weißen Kunstlederbänke, greifen zu den roten Haltestangen. Olli übernimmt jetzt das Kommando, auf dem Display erscheint "Running".
"Wir fahren jetzt auch autonom, ab sofort."
Olli lenkt die Fahrgäste an alten Backsteingebäuden vorbei. In 50 Meter Entfernung schiebt sich ein Bagger langsam über die Fahrbahn.
"So, aber jetzt werden wir an dem Bagger nicht vorbeikommen. Hoppla, das war der Bauarbeiter hier."
Olli stoppt abrupt, weil die Schaufel des Bauarbeiters in seinen Fahrweg ragte. Bei Hindernissen innerhalb von vier Metern bremst er automatisch. Manchmal so wie eben. Die Besucher klammern sich an die Haltegriffe. Jetzt rollt der Bagger heran. Der Steward greift zum Joystick.

Busfahrt in Jogging-Geschwindigkeit

Steward: "So, und um Hindernisse muss ich noch manuell herumfahren. Immer dieser Bagger. Oh Gott, eine große Baustelle."
Mitfahrerin: "Kann der autonom Kurven fahren?"
Steward: "Ja."
Die Bahn ist frei, Olli zurück auf seiner Strecke. Wie auf Schienen rollt der Kleinbus langsam um die Kurve, beschleunigt dann auf der Geraden.
Mitfahrer: "So, jetzt Top Speed."
Eike: "Naja, Top Speed ist gerade acht Kilometer pro Stunde. Das ist aus versicherungstechnischen Gründen reduziert."
Vier Minuten später stoppt Olli am Haupteingang. Die Fahrgäste greifen zu ihren Taschen.
Mitfahrer: "Sehr angenehm. Bremst ab und zu mal echt abrupt."
Eike und Panna müssen weiter. Sie nehmen jetzt die Ausweichstrecke. Da ist weniger Baustellenverkehr. Auf die Straße dürfen sie gar nicht.
Wenig später kommt ihnen ein Mercedes-Oldtimer entgegen. Ein Cabriolet, tipptopp-gepflegt, in knalligem Rot. Angespannt umklammert der Fahrer das Lenkrad.

Blätter lassen den Bus Schlangenlinien fahren

"Beide werden langsamer, fragende Blicke im anderen Fahrzeug."
Vier Meter vor dem Oldtimer stoppt Olli, diesmal sanft, lässt das Fahrzeug passieren, fährt dann wieder an. Plötzlich wechselt der Minibus in den Slalom-Modus, schwingt sanft von Seite zu Seite. Eike und Panna blicken sich wissend an.
"Die Ausweichstrecke hat ein bisschen Probleme, weil wir dann Schlangenlinien fahren. Wir vermuten, dass es an den Blättern liegt, weil die Bäume jetzt völlig unerwartet Blätter tragen. Und die Strecke ja im Winter eingefahren wurde."
Wieder einmal Arbeit für die Programmierer. Olli braucht ein Sommer-Update, eins mit Blättern an den Bäumen. Aber eins, das ihn im Herbst, wenn die Blätter wieder fallen, nicht erneut schlingern lässt.
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