Bundeswehr

Staatsbürger oder Kämpfer in Uniform?

Generalmajor Jürgen Weigt, Kommandeur des Zentrum Innere Führung der Bundeswehr in Koblenz (Rheinland-Pfalz) aufgenommen am 15.04.2015.
Generalmajor Jürgen Weigt, Kommandeur des Zentrum Innere Führung der Bundeswehr in Koblenz (Rheinland-Pfalz) © picture alliance / dpa / Thomas Frey
Moderation: Ernst Rommeney · 24.07.2015
Wofür dienen deutsche Soldaten? In einer Podiumsdiskussion debattieren darüber Generalmajor Jürgen Weigt vom Zentrum Innere Führung in Koblenz und junge Offiziere, die sich in dem Buch "Armee im Aufbruch" kritisch mit ihrem Selbstverständnis als militärische Führungskräfte auseinandergesetzt haben.
Für wichtig, sinnvoll und überfällig hält Generalmajor Jürgen Weigt die jüngste Debatte über die "Innere Führung der Bundeswehr". Mit provokanten und gewagten Thesen hätten 16 Studenten der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg ein Kernthema aufgegriffen, das jetzt diskutiert werden müsse.
Denn eine Antwort auf die Frage, wofür deutsche Soldaten dienten, sei häufig ausgespart worden, als in der Vergangenheit über die Zukunft von Struktur, Ausrüstung und Ausbildung der Streitkräfte geredet worden sei, räumte der Kommandeur des Zentrums Innere Führung in Koblenz ein.
Die jungen Offiziere hatten letztes Jahr das Buch "Armee im Aufbruch", erschienen im Miles-Verlag, herausgegeben. Sie setzten sich darin kritisch mit ihrem Selbstverständnis als militärische Führungskräfte auseinander, aber auch mit der Einstellung, welche die deutsche Gesellschaft zu Heer, Luftwaffe und Marine hat.
Beim ersten Lesen sei er über Begriffe wie "Feld der Ehre", "Staat im Staate" und "Militär als Elite" erschrocken gewesen, berichtete Peter Marx, Redakteur bei Deutschlandradio Kultur. Beim zweiten Lesen habe er vor allem eine Verunsicherung über die Rolle als Soldat und Offizier gespürt. Sehr schnell, so sein Fazit, habe sich die "Generation Einsatz" zu einer "Generation Jammern" gewandelt.
Diesem Eindruck hielt Major Marcel Bohnert als Mitherausgeber des Buches entgegen, dass sich das Gesicht der Bundeswehr in den letzten 25 Jahren verändert habe. Zum einen sei sie durch Truppenreduzierung aus der bundesdeutschen Fläche verschwunden. Und die Wehrpflicht wurde ausgesetzt. Zum anderen hätten die Soldaten während ihrer Auslandseinsätze erstmals Gefechtserfahrungen gemacht.
Gleichzeitig vermisse er aber Rückhalt in der Gesellschaft und Interesse am Auftrag der Kampftruppen, der militärische mit entwicklungshelfenden Aufgaben vernetze. Gerade durch die neuerliche Debatte hofft Schwester Cornelia Bührle auf gesellschaftliche Resonanz. Die Ordensfrau und Juristin ist derzeit Beauftragte für Migration und Integration der Katholischen Kirche Bremens und war Schülerin von Wolf Graf von Baudissin, der das Konzept der "Inneren Führung" in den 50ziger Jahren entworfen hat.
Das Bild vom "Soldat für Frieden" oder dem "Staatsbürger in Uniform" sei ihrer Meinung nach nicht auf Dauer festgeschrieben, sondern folge der Dynamik, mit der sich militärische Aufgaben weiter entwickelten. Es handele sich um ein werteorientiertes Konzept mit den drei Grundprinzipien "Freiheit, Verantwortung und Frieden" und enthalte außenpolitische Leitideen wie Kooperation, gemeinsame Sicherheit, strategisches Gleichgewicht und Krisenmanagement.
40 Jahre Berufserfahrung hätten ihm gezeigt, betonte Generalmajor Jürgen Weigt, dass es nicht darum gehe, Leitsätzen, sondern sich selbst treu zu bleiben und als Mensch auch Soldat sein zu können. Diese Chance bezeichnet er als das Neue im Bundeswehrkonzept, verglichen mit früheren Soldatengenerationen.
Statt frühzeitig in diesem Sinne Führungsverantwortung zu lernen, so bemängelte Ko-Herausgeber Leutnant Lukas Reitstetter, würde sich der Offiziersnachwuchs zu lange in der theoretischen Ausbildung, unter anderem auf den Hochschulen der Bundeswehr, aufhalten und zu wenig am Alltag der Bundeswehr teilnehmen.
Für den "Wortwechsel" über die Frage "Staatsbürger oder Kämpfer in Uniform?" war Deutschlandradio Kultur Anfang Juni zu Gast im Zentrum Innere Führung der Bundeswehr in Koblenz.
Gesprächspartner:
- Major Marcel Bohnert und Leutnant Lukas Reitstetter, Herausgeber des Buches "Armee im Aufbruch"
- Generalmajor Jürgen Weigt, Kommandeur des Zentrums Innere Führung
- Cornelia Bührle, Beauftragte für Migration und Integration der Katholischen Kirche Bremens, die einst Schülerin von Graf von Baudissin war
Moderation: Peter Marx, Redakteur bei Deutschlandradio Kultur.
Aufzeichnung einer Podiumsdiskussion am 09.06.2015 im Zentrum für Innere Führung der Bundeswehr in Koblenz.