Bundeswehr-Skandal

Ist der Geist des Grundgesetzes in Gefahr?

ARCHIV - Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) blickt am 09.07.2015 auf einer Veranstaltung im Niedersächsischen Landtag in Hannover (Niedersachsen) zum Thema Flüchtlingskatastrophe an den EU-Außengrenzen in Richtung Rednerpult.
Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen will den Ursachen der rechtsextremen Vorfälle in der Bundeswehr auf den Grund gehen © Susann Prautsch/dpa
Detlef Bald im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 03.05.2017
Die Bundeswehr habe ein Problem mit dem "inneren Image", so urteilt der Militärhistoriker Detlef Bald über deren Zustand. Angesichts zahlreicher rechtsextremer Vorfälle brauche Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen umfassende Rückenstärkung, fordert er.
Missstände in der Bundeswehr und möglicherweise ein rechtsextremes Netzwerk - nun will Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen Ursachenforschung betreiben: "Jetzt gehen wir dieses harte Thema an", hat sie angekündigt. Heute besucht sie den Bundeswehrstandort Illkirch, wo der terrorverdächtige Bundeswehroffizier Franco A. stationiert war.
Von der Leyen brauche bei ihrer Aufklärungsarbeit Rückenstärkung durch das Parlament und die Öffentlichkeit, fordert der Militärhistoriker Detlef Bald im Deutschlandfunk Kultur. Der Wehrbeauftragte habe von fast 200 Fällen rechtsextremer Ereignisse im letzten Jahr gesprochen:
"Sie hat völlig recht, wenn sie sagt: 'Hier ist ein riesengroßes Problem, was über die jetzigen extremen völkischen – und völkisch heißt immerhin NS-Ideologie – hinausgeht. Sie muss grundlegend an die Ausbildung der Unteroffiziere und Offiziere heran, damit ihre Ziele, nämlich den Geist unseres Grundgesetzes und die Rechtslage unserer Bürger im Auge zu behalten, tatsächlich in der Armee wenigstens tendenziell verwirklicht werden kann."

Schlagwort von der "Armee auf der Erbse"

Es gebe das alte Schlagwort von der "Armee auf der Erbse", sagt Bald. Das sei das, was man in diesen Kreisen oft zu hören bekomme, nämlich die Warnung vor einer Kritik an der Bundeswehr:
"'Nimm die Armee in Schutz. Um Gottes Willen, wir dürfen nichts in die Öffentlichkeit dringen lassen, was ein gutes Urteil über die Bundeswehr verwässern und verfälschen könnte.'"
Seiner Einschätzung nach handele es sich nicht um Einzelfälle, sondern um ein größeres Problem, betont Bald. Es betreffe das Selbstverständnis, das "innere Image" der Bundeswehr und ihrer Ausbildungsmaßnahmen. Dort werde immer noch das Bild des "archaischen Kriegers" gepflegt, was zu zusätzlichen Verwerfungen geführt habe. Bis vor wenigen Jahren hätten Unteroffiziere als Material für die Ausbildung der Rekruten noch Bücher der Wehrmacht aus der Zeit von 1902 bis 1945 erhalten.

Diskussion um die Abschaffung der Wehrpflicht

Bald widersprach ferner der These von Michael Wolffsohn, wonach die Abschaffung der Wehrpflicht ein Hauptgrund für die rechtsextremen Vorfälle in der Bundeswehr sei. Er verweis auf die Geschichte der Rekrutierungspolitik des Militärs, in der immer bestimmte Auswahlkritierien präsent gewesen seien:
"Seit rund 150 Jahren ist es ein wichtiges Ziel der militärischen Innenpolitik, die Rekrutierungspolitik als Selektion zu verstehen. Man hat immer, zu allen Zeiten bewusst ausgewählt und nicht den Querschnitt der Bevölkerung, also den Spiegel der Gesellschaft als Ziel der Rekrutierung genommen." (ue)
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