Bundesverfassungsgericht

Seehofer verliert im Rechtsstreit mit der AfD

04:13 Minuten
Andreas Voßkuhle, Vorsitzender des Zweiten Senats beim Bundesverfassungsgericht und scheidender Präsident des Gerichts, verkündet das Urteil über eine Klage der AfD gegen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Laut dem Urteil wird der AfD-Klage gegen Seehofer stattgegeben.
Die Karlsruher Richter haben die Neutralitätspflicht der Bundesregierung in einem Urteil hervorgehoben. © picture-alliance/dpa/Uli Deck/
Margarete van Ackeren im Gespräch mit Anke Schaefer  · 09.06.2020
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Innenminister Horst Seehofer hätte ein AfD-kritisches Interview nicht auf der Homepage seines Ministeriums veröffentlichen dürfen, bestätigt das Bundesverfassungsgericht. Journalistin Margarete van Ackeren findet dieses Neutralitätsgebot wichtig.
Im Rechtsstreit um eine harsche Kritik von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) an der AfD hat die Partei vor dem Bundesverfassungsgericht einen Erfolg errungen. Seehofer hatte in einem Interview das Verhalten der AfD im Bundestag als "staatszersetzend" bezeichnet und diese Passage auch auf die Internetseite seines Ministeriums gestellt. Die Richter des Zweiten Senats entschieden nun, dass die Interviewäußerungen von Seehofer zwar verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden seien.

Aber durch die Veröffentlichung auf der Internetseite seines Ministeriums habe der CSU-Politiker auf Ressourcen zurückgegriffen, die ihm allein aufgrund seines Regierungsamts zur Verfügung stünden. Deshalb liege ein Verstoß gegen das Gebot staatlicher Neutralität vor. Damit werde das Recht der AfD auf gleichberechtigte Teilnahme am politischen Wettbewerb verletzt.

Eine "Vermischung der Ebenen"

Das Urteil trifft auch bei unserem Studiogast Margarete van Ackeren, Chefkorrespondentin bei "Focus Online" auf Zustimmung. Seehofer habe sich damals als CSU-Parteichef durchaus Vorteile verschafft, sagt sie. So habe ihm sein Pressesprecher das Interview redigiert und durch die Homepage des Ministeriums habe er die zusätzliche PR nutzen können. "Das ist eine Vermischung der beiden Ebenen, die aus guten Gründen nicht erlaubt ist in Deutschland", so van Ackeren.
Die Journalistin erinnerte an den Fall der damaligen Bildungsministerin Johanna Wanka. Sie habe 2018 auf eine Aktion der AfD "Rote Karte für Merkel" reagiert und gesagt: "Rote Karte für die AfD". Da Wanka sich ebenfalls in ihrer Funktion als Ministerin geäußert habe, sei auch das damals vom Bundesverfassungsgericht gerügt worden.
Ein solches Vorgehen mit dem deutlich rauher gewordenen Ton im Deutschen Bundestag zu verteidigen, bezeichnet van Ackeren eher als Hilfskonstruktionen. "Ob das Klima rauher geworden ist oder nicht, hat mit der eigentlichen rechtlichen Frage gar nicht zu tun." Das erlaube nicht, dass man da einfach anders verfahre.

Instrumentalisierung durch die AfD

Die Journalistin stimmt zu, dass die AfD versuche, das Bundesverfassungsgericht zu instrumentalisieren. Die Partei versuche immer wieder solche Fälle zu thematisieren. Es habe beim Berliner Regierenden Bürgermeister Michael Müller einen ähnlichen Fall gegeben. "Da hat er allerdings Recht bekommen, weil er die AfD nicht genannt hat", sagt van Ackeren. Oder der Oberbürgermeister von Düsseldorf, Thomas Geisel, habe anlässlich einer AfD-Kundgebung dazu aufgefordert, aus Protest am Abend die Lichter auszumachen. "Das war auch zu deutlich gegen die AfD und auch da gab es ein juristisches Stoppschild."
(gem)

Margarete van Ackeren ist Chefkorrespondentin von "Focus Online". Sie arbeitete davor zehn Jahre lang für das Magazin "Focus" als politische Korrespondentin und Chefreporterin. Zuvor war sie Redakteurin bei der "Rheinischen Post". Die Journalistin promovierte über das Niederlandebild in der deutschen romantischen Literatur.

Hören Sie hier unsere ganze Sendung mit Margarete van Ackeren:
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