Bundestagspräsident a.D. Norbert Lammert

Mann der geschliffenen Rede - und der langen Pausen

35:08 Minuten
Das Foto zeigt den ehemaligenBundestagspräsidenten Norbert Lammert bei der Verleihung des Hermann Ehlers Preises an ihn.
Norbert Lammert hat viele Preise bekommen - auch den Hermann Ehlers Preis 2017. © dpa / picture alliance / Markus Scholz
Moderation: Ulrike Timm · 23.10.2019
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37 Jahre lang saß Norbert Lammert für die CDU im Bundestag. Als dessen Präsident kämpfte er für mehr Unabhängigkeit der Parlamentarier und überwachte streng deren Redezeiten. Die Debattenkultur ist ihm noch immer ein echtes Anliegen.
Ursprünglich wollte er Dirigent werden. Doch dann verschlug es ihn in die Politik. Aber einmal durfte er am "Tag der offenen Tür" die Berliner Philharmoniker dirigieren - "ein heimlicher Höhepunkt meiner Biographie", sagt Bundestagspräsident a.D. Norbert Lammert.

Förderung der Debattenkultur

Inzwischen leitet Lammert die Konrad-Adenauer–Stiftung. Eines seiner Ziele ist, die Debattenkultur zu fördern. Denn deren Entwicklung bereitet ihm große Sorgen - vor allem die Verrohung in den sozialen Medien.
Die Sprache ist für den 71-Jährigen ein Präzisionsinstrument. Lammert ist bekannt für seine Schachtelsätze und langen Sprechpausen. Das sei keine Marotte, sondern gründe in dem Bedürfnis, erst zu wissen, was man sagen wolle, bevor man mit dem Reden beginne, betont er:
"Aber richtig ist: Mir fallen dann beim Reden oft Einwände, Ergänzungen, Zusätze ein, von denen ich meine, dass man sie gleichzeitig ganz gut unterbringen könnte. Wie so etwas funktioniert, kann man am besten bei Heinrich von Kleist nachlesen in seinem berühmten Aufsatz 'Vom allmählichen Verfertigen der Gedanken beim Reden'."

Aufstieg in der CDU, Abstieg im Fußball

Schon als junger Mann trat Norbert Lammert in die CDU ein und saß in seiner Heimatstadt Bochum im Stadtrat, übrigens gemeinsam mit seinem Vater, einem Bäckermeister. Seiner Heimatstadt ist er nach wie vor eng verbunden, nicht zuletzt leidgeprüft durch den Abstieg des VfL Bochum: "Eine Herausforderung für das eigene Duldungsvermögen" ist die Clubgeschichte für ihn.
Von 1980 bis 2017 war Lammert Mitglied des Deutschen Bundetags: "Als wir 1999 von Bonn nach Berlin umgezogen sind, habe ich das als vergleichsweise sehr einfache Übung empfunden, weil die Mentalität, die ich hier in Berlin vorgefunden habe, mit dem Ruhrgebiet sehr vergleichbar ist: eine eher schnoddrige Form von Freundlichkeit, eine etwas rustikale Umgangsform, die aber ungeschnörkelt und im Regelfall verlässlich ist."

Gysi brachte eine Standuhr vorbei

Für drei Legislaturperioden wurde er zum Bundestagspräsidenten gewählt und sorgte dafür, dass die Redezeiten eingehalten wurden. Auch die Bundeskanzlerin mahnte er zu Disziplin. Legendär sind seine Wortgefechte mit dem Linken-Chef Gregor Gysi, der immer den Eindruck hatte, seine Redezeit sei zu kurz bemessen und Lammert daher eine Uhr schenken wollte.
"Ich hatte die damalige Ankündigung längst vergessen, als er dann einige Tage nach meinem Geburtstag sich im Büro meldete und sagte, er müsse mir etwas vorbeibringen. Dann erschien er dort und brachte mir eine Standuhr mit, bei der die Zeiger links rum laufen."
Manche Debatten waren endlos. Und zuweilen beklagte Lammert auch, dass das Parlament nicht die notwendige Aufmerksamkeit bekäme. Doch wenn er die Debatten im britischen Unterhaus dieser Tage mit denen im Bundestag vergleicht, sieht er durchaus die Vorzüge des deutschen Parlamentarismus:
"Eine so unglaublich - freundlich formuliert - unauffällige Rolle, wie sie das britische Parlament unmittelbar und nach der Brexitentscheidung gespielt hat, wäre im Deutschen Bundestag völlig unvorstellbar."
(svs)
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