Bundesregierung setzt sich für inhaftierte Journalisten ein

Rolf Mützenich im Gespräch mit Nana Brink · 18.11.2010
Der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich hat betont, dass der Iran im Fall der inhaftierten deutschen Journalisten nach rechtsstaatlichen, internationalen Prinzipien zu handeln habe. Allerdings sei die Menschenrechtslage im Iran kritisch.
Nana Brink: Die drohende Steinigung der Iranerin Sakineh Ashtiani löst seit Monaten heftige internationale Proteste aus. Am Montagabend wurde sie erneut im iranischen TV vorgeführt, musste sich als Sünderin bezeichnen. Ihr wird Ehebruch vorgeworfen. In der gleichen Sendung wurden auch zwei deutschen Journalisten gezeigt, die vor fünf Wochen verhaftet wurden, als sie den Sohn und Anwalt von Sakineh Ashtiani interviewten. Im iranischen Fernsehen mussten die beiden deutschen Reporter erzwungene Geständnisse ablegen und nun ist fraglich, ob das iranische Regime sie wegen Spionage anklagen will. Am Telefon ist jetzt Rolf Mützenich, außenpolitischer Sprecher der SPD im Bundestag und stellvertretender Vorsitzender der deutsch-iranischen Parlamentariergruppe. Einen schönen guten Morgen, Herr Mützenich!

Rolf Mützenich: Guten Morgen, Frau Brink!

Brink: Was wissen Sie denn über den Verbleib der inhaftierten deutschen Reporter?

Mützenich: Nun, Einzelheiten sind mir nicht bekannt. Ich habe jetzt erfahren, dass es offensichtlich das zweite Mal gelungen ist durch konsularische Betreuung, dass auch deutsche Beamte eben mit den Inhaftierten sprechen konnten. Eine Delegation des Deutschen Bundestages vor zwei Wochen hat sich um nähere Informationen bemüht, hat auch in seinen Gesprächen immer wieder auf die Situation hingewiesen und auf die unmittelbare Freilassung auch gedrungen.

Brink: Nun ist das ja ein sehr öffentlicher Fall geworden, auch durch den Auftritt der beiden im TV. Wie reagiert man denn dann als Land wie Deutschland? Übt man öffentlichen Druck aus auf den Iran oder maximale Zurückhaltung?

Mützenich: Nein, ich glaube, man muss eigentlich beides tun, man muss bei Gelegenheiten, die sich bieten, öffentlicherseits natürlich auch sich äußern, man sollte aber auch auf Kanälen, die einem zur Verfügung stehen, darauf dringen, dass nicht nur Humanität waltet in solchen Situationen, sondern dass eben auch eine Freilassung passiert und dass keine ungehörigen Forderungen auch gestellt werden. Bei einer Situation, die ähnlich gewesen war, 2005 ist ein deutscher Staatsbürger auch in Gefangenschaft geraten, und damals hatte ich auch Gelegenheit, nicht nur ihn zu besuchen, sondern auch Forderungen, die vonseiten des iranischen Regimes gestellt …

Brink: Also im Iran, Sie konnten ihn im Iran besuchen?

Mützenich: Das war 2005, das erste Mal, da ging es um Herrn Klein, der im Evin-Gefängnis einsaß und natürlich auch gesundheitliche Probleme hatte, und darauf, glaube ich, ist es gut, wenn Bundestagsabgeordnete auch hinweisen.

Brink: Was können Sie jetzt in diesem Fall konkret tun?

Mützenich: Nein, ich kann nicht unmittelbar im Iran etwas dafür tun, aber wir können natürlich schon bei den iranischen Vertretern in Deutschland, aber auch bei anderen Regierungen, bei befreundeten Regierungen oder Regierungen, die unmittelbar auf das Regime Einfluss haben, auch auf die Fälle hinweisen. Und wir müssen natürlich insbesondere deutlich machen, dass es hier keine Tauschgeschäfte gibt.

Brink: Tauschgeschäfte inwiefern, also Lösegeldzahlungen oder Freilassungen von inhaftierten Iranern?

Mützenich: Nein, es wird ja manchmal auch verdeckt bei politischen Gesprächen eben auf besondere Situationen hingewiesen, und dass der Iran auch Forderungen hat. Das war damals in dem 2005-Fall eben die Frage gewesen. Dies wird, glaube ich jetzt in diesem Zusammenhang nicht gestellt, aber der Punkt ist schon: Man muss dem Iran deutlich machen, dass er nach rechtsstaatlichen, internationalen Prinzipien zu handeln hat, und das ist insbesondere der konsularische Zugang. Und er muss natürlich auch darüber berichten, was er den Reportern letztlich vorwirft.

Brink: Das heißt, es könnte aber sein, dass wirklich nicht bekannt wird, was denn die Bundesregierung konkret unternimmt, weil sie diese Verhandlungen nicht gefährden will?

Mützenich: Nein, sie sollte sie nicht gefährden, aber sie tut alles Mögliche, nach meinem Kenntnisstand, eben für die Freilassung einzutreten, alle Bedingungen auch kennenzulernen, und insbesondere nicht nur für die deutschen Staatsbürger einzutreten, sondern das ist ja eine umfassende Frage, die Lage der Menschenrechte im Iran.

Brink: Sie sind nun stellvertretender Vorsitzender der deutsch-iranischen Parlamentariergruppe. Welche Reaktionen erhalten Sie aus dem Iran, oder was können Sie denn dorthin transportieren an Informationen und Forderungen?

Mützenich: Insbesondere das, dass wir uns um die Situation der Menschenrechte allgemein natürlich einsetzen, das hat die Delegation, die vor zwei Wochen den Iran besucht hat, nachhaltig getan. Ich glaube, dass bei solchen Besuchen auch sehr deutlich wird, dass es ja sehr unterschiedliche Gruppen im Iran gibt, die durchaus auch wollen, Kontakte auch zu Deutschland zu entwickeln, das nicht zu Belastungen kommen zu lassen, und eben offensichtlich auch andere Gruppen, die an einer Verschärfung der Situation interessiert sind. Da geht es natürlich hauptsächlich um mögliche Gespräche, die jetzt wieder um das Atomprogramm geführt werden, aber insbesondere natürlich auch kulturelle, offene Beziehungen, die wir zum Iran pflegen wollen.

Brink: Aber haben Sie denn, Pardon, den Eindruck, dass diese Gruppen, also diese aufgeklärteren Gruppen denn überhaupt irgendeinen Einfluss haben auf jemanden wie Ahmadinedschad?

Mützenich: Also wenn Sie von der Oppositionsbewegung meinen mit offenen Gruppen, dann natürlich nicht. Aber es gibt innerhalb des Systems durchaus auch Widerstände, auch sehr öffentliche Widerstände gegen die Regierung Ahmadinedschad. Und das ist ja offensichtlich auch unser Problem, dass es nur schwierig ist, insgesamt auf das politische System Einfluss zu nehmen: Sie müssen nicht nur eben mit Regierungsinstitutionen verhandeln, sondern eben auch mit informellen Gruppen, die dieses politische Machtsystem mitbilden.

Brink: Welche Auswirkungen könnte denn der Fall der inhaftierten Deutschen auf die von der Steinigung bedrohten Iranerin Ashtiani haben?

Mützenich: Na, auf jeden Fall besteht natürlich ein Zusammenhang. Man muss konstatieren, dass auch die beiden Journalisten offensichtlich mit einem Touristenvisum eingereist waren. Es ist immer ein Abwägungsprozess, den man führen muss, ob man möglicherweise dadurch auch andere Beteiligte, insbesondere im Iran, auch in Gefahr bringt. Aber wir tun alles dafür, dass sowohl die Journalisten, aber auch die im iranischen Gefängnis unter ja erniedrigender Weise auch vorgeführte Ashtiani … eben größte Probleme hat, überhaupt für ihre Rechte sozusagen einzustehen.

Brink: Rolf Mützenich, außenpolitischer Sprecher der SPD im Bundestag, und wir sprachen über die Verhaftung von zwei deutschen Reportern im Iran. Herzlichen Dank für das Gespräch!

Mützenich: Danke für die Einladung!