Bundespräsident Gauck

Das Ende des Rumorens

Bundespräsident Joachim Gauck am 2. Juni 2016 in Berlin
Bundespräsident Joachim Gauck am 2. Juni 2016 in Berlin © dpa / picture alliance / Bernd Von Jutrczenka
Von Stephan Detjen · 06.06.2016
Bundespräsident Joachim Gauck verzichtet auf eine zweite Amtszeit - nun auch offiziell. Bereits zuvor war eine klare Tendenz sei aus verschiedenen Indizien ablesbar.

Vieles lässt sich an diesem Tag erahnen, aber nur eines ist wirklich gewiss. Daran hat auch Joachim Gauck selbst erst vor kurzem im Deutschlandfunk-Interview der Woche keinen Zweifel gelassen:
"Am 12. Februar nächsten Jahres findet in Berlin eine wichtige Veranstaltung statt, in der darüber entschieden wird, ob der neue Bundespräsident der alte sein soll oder ob sich die Wahlfrauen und Wahlmänner eine neue Kandidatin, einen neuen Kandidaten auswählen."
Nur wenig beachtet von der Öffentlichkeit hatte Bundestagspräsident Lammert bereits Mitte Dezember letzten Jahres per "Anordnung über Zeit und Ort der 16. Bundesversammlung" den Wahltag bestimmt. Erst in den vergangenen Wochen aber war das Rumoren immer lauter geworden: Tritt Gauck nochmal an oder nicht?
"Lassen Sie uns mal den Frühsommer kommen und dann werde ich mich entschieden haben und werde das auch dann öffentlich kundtun."

Bisher keine Termine am Montag

Astronomisch ist Sommeranfang am 21. Juni. Meteorologisch begann der Sommer schon am 1. Juni. Der politische Frühsommer – das verdichtete sich in der vergangenen Woche in Berlin immer mehr – steht unmittelbar bevor.
Heute Abend kommt der Bundespräsident zu einem turnusmäßigen Treffen mit der Kanzlerin zusammen. Am nächsten Vormittag werde er die Öffentlichkeit über seine Entscheidung informieren, hatte die "Bild"-Zeitung am Wochenende berichtet. Für Dienstagvormittag aber ist im offiziellen Terminkalender des Bundespräsidialamtes bereits die Eröffnung der "Woche der Umwelt", einer großen Ausstellung mit Veranstaltungen im Park von Schloss Bellevue angekündigt.
Auffällig dagegen ist, dass für den heutigen Montag bislang keine Termine angekündigt wurden. Da könnte sich ein Zeitfenster öffnen.
Absehbar aber ist, wie die Entscheidung Joachim Gaucks ausgefallen ist. Würde er noch einmal antreten, hätte er das längst unter dem Beifall von Politik und Öffentlichkeit mitteilen können und sich damit wochenlange Spekulationen und Nachfragen ersparen können. Nur bei einem Verzicht auf eine weitere Kandidatur macht das lange Zögern Sinn. Gauck wusste, dass der Rest seiner Amtszeit von Nachfolgediskussionen überlagert sein würde. Diesen Moment galt es deshalb, so lange wie möglich hinauszuzögern.

"Es wird eine schwere Entscheidung"

Nach außen indes gab sich der Bundespräsident noch Ende April hin und her gerissen:
"Wie auch immer ich mich entscheide, es wird eine schwere Entscheidung sein. Und ich werde vielleicht dann auch nicht so glücklich aus der Wäsche gucken, sondern wenn ich sie dann getroffen habe, wird sich noch vielleicht ein paar Wochen oder auch länger so ganz geheim die Frage einschleichen: Oh, war das jetzt richtig?"
In der Tat war Gauck bis zuletzt bedrängt worden, noch einmal anzutreten. Spitzenvertreter von Union, SPD und Grünen hatten öffentlich deutlich gemacht, dass sie eine zweite Amtszeit unterstützen würden. In den Medien war spekuliert worden, Gauck könne bedrängt werden, den Parteien im Jahr der nächsten Bundestagswahl nicht auch noch die Wahl eines Staatsoberhauptes mit den dafür nötigen Koalitionsbildungen zuzumuten.

Republikanische Normalität

Gauck allerdings dürfte bei seiner Entscheidung nicht nur das eigene Alter, sondern auch sein tiefes Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der parlamentarischen Demokratie im Auge haben. Vielleicht dachte er in den letzten Tagen auch an einen seiner ersten heiklen Auftritte zurück, als er – wenige Wochen nach seiner Wahl – im Angesicht einer versteinerten Kanzlerin dem von Merkel gefeuerten Bundesumweltminister Norbert Röttgen die Entlassungsurkunde überreichte. Gauck sagte damals:
"Auch in schwierigen Entscheidungssituationen existiert so etwas wie eine republikanische Normalität des Wechsels."
Die republikanische Normalität des Wechsels dürfte Gauck heute auch für sich selbst in Anspruch nehmen.
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