Bundeskanzler

Schlechte Noten für Adenauer

Dr. Konrad Adenauer (CDU) wird am 20. September 1949 durch Bundestagspräsident Dr. Erich Köhler zum ersten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland vereidigt.
Dr. Konrad Adenauer (CDU) wird am 20. September 1949 durch Bundestagspräsident Dr. Erich Köhler zum ersten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland vereidigt. © dpa
Von Klaus Pokatzky · 22.07.2015
Das Demokratieverständnis von Bundeskanzler Konrad Adenauer war autoritär, das gesellschaftliche Klima unter seiner Regierung wenig liberal. Unser Autor Klaus Pokatzky hat ihm in der Rubrik "Störenfried" ein politisches Zeugnis ausgestellt - und das fällt nicht gut aus.
Schüler Adenauer, mit zwei "A" und zwei "E", Sie waren immer der Störenfried in dieser re-edukativen Klasse. Sie haben sich am Anfang in Ihre Lehrer eingeschmeichelt und erzählt, eine stolze Führungsmacht wie unsere schönen USA habe es "seit der Zeit des Römischen Reiches unter Kaiser Augustus" nicht gegeben. Und gleichzeitig sind Sie von Jahr zu Jahr renitenter geworden. Sie waren der Klassensprecher und hatten die größte Verantwortung. Sie haben auf diese rheinische Art das Mitleid Ihrer Lehrer so herausgekitzelt, dass wir Ihnen in London die Hälfte der Schulden Ihrer Klasse erlassen haben.
Ihr Mitschüler Abs, mit einem "A" und einem "S", hat immer wieder gesagt: Die Gläubiger von heute sind die Geldgeber von morgen. Und was war Ihr Dank dafür? Sie haben einen auf bescheiden gemacht und gesagt: Deutschland soll nicht den "dicken Willy" spielen. Und dann wollten Sie auf einmal die Atombombe. Den schlanken Willy, unseren demokratischen Klassenbesten und Ihren gefährlichsten Konkurrenten, haben Sie dafür verunglimpft und öffentlich bepöbelt. Weil er ein Emigrant war – wie so viele Ihrer besten Lehrer. Bah, wat für 'ne fiese Charakter!
Aus Ihrer Partei haben Sie einen Kanzlerwahlverein gemacht; Sie haben die neue westdeutsche Demokratie für sich gepachtet. Auf dem Höhepunkt der "Spiegel"-Affäre wollten Sie in Ihrem Kanzleramt den Chef des Bundesnachrichtendienstes Gehlen vom Justizminister und einem Bundesanwalt verhaften lassen – und als die sich geweigert haben, haben sie denen gesagt: "Ich bin auch einmal Staatsanwalt gewesen. Früher war das aber ganz anders."
Sie haben eben nie begriffen, das Bonn nicht Weimar war. Sie wurden ein immer größerer Störenfried und haben ganz offen gezeigt, was Sie von uns halten: nämlich nichts. Und hinter unserem Rücken haben Sie die alten Nazis in die Klasse eingeschmuggelt; haben all die Beamten und Richter, die wir 1945 entlassen haben, wieder für ihre Dienste zugelassen. Und haben dazu einen Ihrer renitenten Sprüche losgelassen: "Man schüttet kein dreckiges Wasser aus, wenn man kein reines hat."
Na gut, wir rechnen Ihnen mildernd an, dass diese Leute sich sehr schnell angepasst haben und dass Sie es so geschafft haben, dass kein gefährliches neues Nazitum entstanden ist. Die Verlogenheit aber, mit der diese Leute auf einmal keine braune Vergangenheit mehr hatten, werden Ihre Kinder und Enkel und Urenkel noch auszubaden haben. Schöler Adenauer, mit zwei "A" und zwei "E", das alles ist gerade eine Vier Minus. "Sääzen sä säsch!"
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