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Versandhandel
Konkurrenten profitieren deutlich von Poststreik

Verdi hat die Streiks bei der Deutschen Post in der dritten Woche erneut ausgeweitet. Sehr zur Freude der Postkonkurrenten. Ihnen bringt der Ausstand mehr Kunden als jahrelange, teure Werbekampagnen. Doch allzu offene Schadenfreude verkneift man sich.

Von Daniela Siebert | 24.06.2015
    Eine junge Frau nimmt an der Haustür ein Paket von einem Paketboten entgegen.
    Postkunden greifen in der dritten Streikwoche häufiger auf die Konkurrenz zurück (imago / Westend61)
    Hört man sich auf den Berliner Straßen um, so lässt der jetzt schon dreiwöchige Streik bei der Post inzwischen kaum noch jemanden kalt. Denn fast jeder ist irgendwie betroffen. Viele weichen daher jetzt erstmals auf andere Anbieter als den ehemaligen Monopolisten in Gelb aus. Etwa die Dame mit den Medikamentenbestellungen
    "Ich habe jetzt aber beim Versand für mich auf andere zurückgegriffen, auf Hermes, und kam pünktlich, schnell und freundlich." – Die Medikamente? – "Nee, es waren Schuhe."
    Eine andere Frau berichtet ihr Sohn habe jetzt erstmals einen eiligen Brief an eine hiesige Behörde mit der PinAG verschickt. Diese Alternative entdecken gerade ganz viele in der Hauptstadt neu, vor allem Geschäftskunden. Über diese Entwicklung freut sich nicht zuletzt der Geschäftsführer der in Berlin ansässigen PinAG Axel Stirl:
    "Es ist eine dreistellige Zahl an Neukunden, die wir gewonnen haben seit Streikbeginn, die Unternehmen, die dahinterstecken sind vor allem Rechtsanwälte, das sind Steuerberater und Dienstleister dieser Art, das sind aber auch Banken – und wir sind mit dieser Situation zunächst einmal sehr glücklich."
    Sein Unternehmen ist auf die Postverteilung in Berlin und den neuen Bundesländern konzentriert. Eine Besonderheiten: Briefmarken von der PinAG gibt es an Kassen der Supermarktkette Kaisers zu kaufen. Dort gingen sie in den letzten Tagen weg wie warme Semmeln:
    "Die Briefmarken, die wir über Kaisers vertreiben waren gleich am zweiten Streiktag vergriffen, wurden über Nacht nachgeführt, zur Mitte des Monats hatten wir einen gesamten Monatsvorrat dort abverkauft und da gibt es täglich Steigerungsraten, so das wir im Augenblick das fünf- oder sechsfache verkaufen."
    "Wir profitieren außerordentlich"
    Auch andere Konkurrenten der gelben Post profitieren vom dortigen Streik. So schreibt uns die "Citipost" aus Hannover, ein Unternehmen, das schwerpunktmäßig Briefpost in Niedersachsen anbietet.
    "Wir profitieren von dem Poststreik außerordentlich. Seit Beginn des Streiks haben wir sehr viele Anfragen von Geschäftskunden. Darunter sind die größten Unternehmen Hannovers. Wir haben eine Steigerung bei den Aufträgen in den vergangenen Tagen von insgesamt rund 30 Prozent. Jetzt arbeiten wir im Briefzentrum in drei Schichten statt wie bisher in zwei. Auch im Privatkundenmarkt sehen wir eine enorme Umsatzsteigerung. Unsere Briefmarken sind heiß begehrt."
    Und auch bei Hermes, spezialisiert auf nationale und internationale Paketzustellung, merkt man einen deutlichen Effekt durch neue Kunden. Auf unsere Anfrage antwortet das Hamburger Unternehmen:
    "Der Poststreik wirkt sich bei Hermes durch deutlich gestiegene Sendungsmengen aus. Das betrifft sowohl unser Privatkundengeschäft als auch den klassischen Versandhandel. Derzeit versuchen immer mehr Online- und Versandhändler ihre Sendungen auf andere Paketdienstleister umzulegen, auch auf Hermes. Aktuell liegen uns zahlreiche Anfragen dazu vor, Mengen zu übernehmen. Diese Anfragen bewegen sich bei jeweils 10.000 bis 50.000 Sendungen pro Tag."
    Offenkundige Schadenfreude verkneifen sich die Postkonkurrenten in ihren Statements. Auch wenn für sie der Streik gerne länger dauern darf. Der Poststreik bringt vielen von ihnen mehr als jahrelange PR-Bemühungen. Es gibt einen ähnlichen Effekt wie beim Lokführerstreik, der vielen Verbrauchern die Alternativen in Form von Fernbussen erst so richtig bewusst gemacht hat. Doch Axel Stirl von der PinAG verweist lieber auf den Umstand, dass auch bei der Post der Streik nicht ewig dauern wird.
    "Es ist ja durchaus so, dass die gelbe Konkurrenz ein hervorragendes Unternehmen ist, auf einem absolut tollen Leistungsniveau, wir haben wahrscheinlich so 35-40 Prozent Marktanteil hier in Berlin, aber wir müssen uns jedenfalls beweisen. Kein Kunde kommt aus purer Sympathie zu uns, wir müssen die gleiche Leistung bringen und anschließend einen besseren Preis bieten. Und die Chance haben wir jetzt, so einfach haben wir es in der Regel nicht, und die wollen wir natürlich nutzen."