"Bundesausreisezentrum"

Ein Euphemismus allererster Kajüte

Der Aufenthaltsraum für rückzuführende Frauen und Männer (l) und das angrenzende Arbeitszimmer der Bundespolizei (r) bei der Bundespolizei auf dem Frankfurter Flughafen.
Abschiebung am Flughafen Frankfurt am Main © picture alliance / dpa / Andreas Arnold
Von Florian Werner · 04.01.2017
Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat den Begriff "Bundesausreisezentrum" in Umlauf gebracht. Das klingt ja auch viel serviceorientierter als "Bundesabschiebehaftanstalt", findet Florian Werner. Und macht in seiner Glosse gleich noch einen Vorschlag.
Deutschland - man mag es gar nicht glauben, aber immer wieder gern hören - ist das beliebteste Land der Welt. Überall auf dem Globus blicken die Menschen neidisch auf unsere starke Wirtschaft, unser starkes Bier und unsere starke Viererkette um Mats Hummels und Jérôme Boateng.
Vor allem aber beneiden sie uns natürlich um die Schönheit unserer Grammatik, die es uns erlaubt, so herrliche zusammengesetzte Wörter zu bilden wie "Donaudampfschifffahrtskapitänsmütze" oder "Bundesausreisezentrum". Letzteren Begriff brachte vorgestern Bundesinnenminister Thomas de Maizière in Umlauf.

Innenminister de Maizière
Innenminister de Maizière hat ein "Bundesausreisezentrum" ins Gespräch gebracht.© dpa/ picture alliance / Michael Kappeler
Nur: "Bundes-Ausreise-Zentrum" - was soll das sein? Linguistisch betrachtet handelt es sich um ein endozentrisches hypotaktisches Kompositum mit einem Determinatum, nämlich "Zentrum", und zwei Determinanten, nämlich "Bundes" und "Ausreise".
Nüchtern betrachtet handelt es sich um einen Ort, an dem abgelehnte Asylbewerber festgehalten werden sollen, bevor sie in ihre Heimatländer abgeschoben werden.

Wie wäre es mit "Federal Deportation Center"?

Womit, drittens, klar sein dürfte: "Bundesausreisezentrum" ist ein Euphemismus allererster Kajüte. Beim flüchtigen Hören erinnert der Begriff an die "Reisezentren" der Deutschen Bahn - allerdings dürfte sich kein Asylsuchender freiwillig im Bundesausreisezentrum eine Nummer ziehen und warten, bis er endlich außer Landes geschafft wird.
Aber "Bundesabschiebehaftanstalt" klang vermutlich nicht so serviceorientiert.
Weshalb sich die Frage stellt: Wenn schon ein Euphemismus - warum dann nicht einer, der etwas weniger leicht durchschaubar ist? "Ich schlage vor, dass der Bund eine ergänzende Vollzugszuständigkeit bei der Aufenthaltsbeendigung erhält", so de Maiziére im besten Beamtendeutsch in der FAZ.
Warum also nicht gleich "Bundesaufenthaltsbeendigungvollzugszuständigkeitsstelle"? Oder, in Anlehnung an unsere schick anglophonen Job-Center: "Federal Deportation Center"? Oder vielleicht eine Abkürzung: "BAZ für Nafris und andere NAAs", also Nicht Anerkannte Asylbewerber? Nein? Nichts dabei?
Na, dann noch eine allerletzte Frage zum Schluss: Wenn von dem fraglichen Zentrum aus mehr als nur eine Abschiebung stattfinden soll - müsste es dann nicht, analog zu den von Karl Valentin beschriebenen Semmelnknödeln, Bundesausreisenzentrum heißen?
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