Bürgerkrieg in Polen

Von Natalie Weber · 01.08.2005
Vor 60 Jahren tagten im Potsdamer Cecilienhof die Staats- und Regierungschefs der drei Siegermächte. Wichtigste Aufgabe war, in dem vom Krieg verwüsteten Europa eine stabile Nachkriegsordnung zu schaffen. Tatsächlich sorgte der Kalte Krieg bald dafür, dass es kaum regionale Kriegsschauplätze in Europa gab. Einen hohen Preis aber zahlte Osteuropa: Schon während der Potsdamer Konferenz zeigte sich, dass Stalin den Völkern seines Machtbereichs keine Freiheit gewährte. Auch den Polen nicht. Bis heute ist bei uns wenig bekannt, wie stark und wie lange sich Teile der polnischen Bevölkerung dagegen wehrten.
Rokossowski: "Die Stärke der Sowjetunion hat über die Niederlage des deutschen Imperialismus entschieden. Gestützt auf diese sozialistische Großmacht schauen wir vertrauensvoll in die Zukunft unserer tapferen fried- und freiheitsliebenden Nation. "

Mit diesen Worten beschwor Marschall Konstanty Rokossowski im Dezember 1949 auf dem Kongress der Volkseinheit den Zusammenhalt der Polen und ihrer neuen kommunistischen Regierung. In punkto freiheitsliebender Nation behielt er Recht. Nur in einem ganz anderen Sinne, als er und seine Parteigenossen das meinten. Denn Teile der polnischen Untergrundarmee AK und andere, zum Teil neue Gruppierungen bekämpften fast zwanzig Jahre lang das aufoktroyierte politische System. Piotr Lysakowski vom Warschauer Institut für Nationales Gedenken:

"Es ist schwer, genaueres über diese Organisationen zu sagen, weil wir erst seit wenigen Jahren frei forschen können und Zugang zu den Archiven der Geheimdienste haben. Sicherlich kann man für die späten Fünfziger nicht mehr von einer Massenbewegung sprechen, aber es gab solche Aktionen, es gab diese Organisationen. Die Regierung bezeichnete sie im Allgemeinen als Banditen, obwohl sie keinen kriminellen Hintergrund hatten. Erst Anfang der Sechziger Jahre wurde der letzte polnische Partisan liquidiert, wenn man das so sagen kann. "

Der letzte, das war Józef Franczak; mit dem Decknamen "Puppe" aus der Nähe von Lublin; am 21. Oktober 1963 wurde er von der Geheimpolizei ermordet.
Bereits Anfang 1944, als die Rote Armee in den Osten Vorkriegspolens einrückte, nahmen Teile der polnischen Untergrundarmee den Kampf mit der Roten Armee auf. Die Verhältnisse seien jedoch sehr kompliziert gewesen, sagt Piotr Lysakowski.

" Die polnische Seite wollte Herr im eigenen Land sein, aber gleichzeitig mit den Sowjets zusammenarbeiten. Doch nach der Besetzung zum Beispiel von Vilnius wurden die polnischen Einheiten von den Sowjets sofort aufgelöst entweder zum Eintritt in die Rote Armee gezwungen oder in den Osten deportiert. Dieser Moment entschied sozusagen über die Einstellung der polnischen Untergrundkräfte zur Roten Armee, d.h. damals wurde klar, dass alles auf die Unterordnung Polens abzielte und es kam zu sehr intensiven Konflikten. "

Nachdem die Wehrmacht aus Polen vertrieben worden war, kämpften einige Untergrundeinheiten weiter, gegen die Sowjets und das neue politische System. Vor allem in den Wäldern des heutigen Ostpolen. In den vierziger Jahren, so Piotr Lysakowski, zählten die Partisanen einige zehntausend, vielleicht sogar fast hunderttausend Menschen. Aber der staatliche Sicherheitsapparat schlief nicht und die Zahl schrumpfte zunehmend. Manche gaben auf, viele wurden ermordet.

"Eines Nachts im Jahr 1945 klopfte der NKWD in der Nähe von Augustów an die Türen jener Leute, die bereits als Feinde der Volksrepublik enttarnt waren. Niemand weiß, was aus ihnen geworden ist. Inzwischen kann man davon ausgehen, dass diese über 600 Menschen – und das ist das größte Verbrechen an Polen in der Nachkriegszeit – irgendwo in den Wäldern um Augustów ermordet und verscharrt wurden; niemand weiß wo. "

Nach heutigem Stand der Forschung geht Piotr Lysakowski davon aus, dass in den ersten zehn Jahren nach dem Krieg etwa 500.000 Menschen diesem Terror zum Opfer fielen. Deportiert, ermordet, eingesperrt, ohne Urteil hingerichtet. Und noch bis in die Neunziger Jahre hinein, so fügt er hinzu, hat die Erinnerung an diese Schrecken die Zeugen zum Schweigen gebracht.