Buddhistische Mönche in Hamburg

Kochen für gutes Karma

09:20 Minuten
Betende buddhistische Mönche beim Almosengang in Hamburg.
Eine Essensgabe im Tausch gegen gutes Karma: Mönche der buddhistischen Theravada-Gemeinschaft in Hamburg. © Deutschlandradio / Mechthild Klein
Von Mechthild Klein · 22.09.2019
Audio herunterladen
Als Buddha vor 2500 Jahren seinen Orden gründete, gab er den Mönchen und Nonnen feste Regeln: Sie sollten kein Geld annehmen und ihr Essen auf einem Almosengang erhalten. Wie funktioniert dieses Tauschsystem heute in Deutschland?
Ein Sonntagmorgen auf dem Hamburger Rathausmarkt: Eine Hand voll buddhistischer Frauen wartet auf den traditionellen Almosengang der thailändischen Mönche. Auch Pinyada Glaser hat eine große Tasche mit gekochtem thailändischen Essen dabei, das sie gleich an die Mönche verteilen will. "In Thailand machen die Leute das fast jeden Tag", sagt sie. "In Deutschland ist es schwierig, wir sind schon glücklich, wenn wir einmal im Monat mitmachen können. Ich hoffe, dass viele Leute mitkommen."

Essensübergabe vor dem Rathaus

Dann kommen die Mönche in ihren ockergelben Roben und mit frisch rasierten Köpfen zum Treffpunkt am Rathaus. Sie stellen sich gegenüber den Frauen auf, die nach einer Begrüßung das buddhistische Glaubensbekenntnis rezitieren. Jeder Mönch trägt eine Umhängetasche mit der traditionellen Fußball-großen Almosenschale aus Metall. Das gespendete Essen wird an diesem Tag die einzige Mahlzeit der Theravada-Mönche aus der thailändischen Waldklostertradition sein. Vor der Essensübergabe wird eine sogenannte Tham-Bun-Zeremonie mit Rezitationen abgehalten.
Dann stellen sich die Essens-Spenderinnen in einer Reihe auf. Der Abt geht als erster zu den Frauen und öffnet seine Almosenschale. Die Frauen legen abgepackte Gemüse- und Fleischgerichte, Bananen und Äpfel hinein. Es geht den buddhistischen Laien bei der Essensspende darum, gutes Karma zu sammeln. Dies wird häufig den verstorbenen Verwandten gewidmet, damit diese eine bessere Wiedergeburt erhalten und nicht in Höllenwelten gelangen. Die Beziehung zu den Verstorbenen wird betont, indem man ihre Lieblingsspeisen spendet.

Bitte um Almosen gilt nicht als Betteln

"Ich koche, was meine Verwandten mögen", sagt Pinyada Glaser. "Von den Schalen, die wir hier spenden, ist manches für meine verstorbene Oma. Und für meinen Bruder haben wir heute Hähnchensalat gemacht, denn mein Bruder ist schon gestorben." Der Mönch Ajahn Kandtapanno erklärt: "Indem die Laien die Mönche unterstützen, möchten sie an ihren Verdiensten teilhaben. Und genauso geben sie diese Verdienste an ihre Verstorbenen weiter."
Ajahn Kandtapanno ist in Deutschland geboren und lebte elf Jahre lang als Mönch in Thailand. Jetzt wohnt er in einem Hamburger Ableger der Waldkloster-Tradition. Für ihn ist der Almosengang – auf thailändisch Pindabat – das Herz der buddhistischen Lehre: "Wenn wir auf Pindabat gehen, haben wir ‚metta‘, liebende Güte für die Laien. Wir machen das für die Laien, nicht für uns. Das ist ein falsches Verständnis, dass die Mönche auf die Straße gehen und um Essen betteln. Das ist verboten von Buddha. Wir dürfen gar nicht betteln."

Zu deutsch, um nicht zu danken?

Während in Thailand und Laos viele Mönche auch heute noch täglich auf Almosengang gehen, ist das in Deutschland schwieriger. Denn die buddhistischen Laien-Anhänger sind berufstätig und wohnen oft weit entfernt. Deshalb bietet ein Teil der rund 20 Theravada-Klöster in Deutschland an, dass die Laien ins Kloster kommen und die Essensübergabe dort stattfindet.
"Als ich Nonne wurde, wurde mir auch erklärt, dass ich mich nicht bedanken sollte, wenn mir jemand etwas darbringt, weil ich ja den anderen die Möglichkeit gebe, mir das darzubringen", sagt Carola Roloff, Hamburger Professorin für Buddhismus und selbst ordinierte Nonne. "Aber ich persönlich bin da einfach zu deutsch geprägt. Ich bedanke mich auch weiterhin, wenn mir jemand etwas gibt."

Asiatische Gemeinden pflegen die Tradition

Roloff gehört zur tibetisch-buddhistischen Gelupga-Schule. Zu ihrer eigenen Ordination habe sie ebenfalls eine Almosenschale bekommen, die auch auf ihrem Hausaltar stehe. Aber in der Mahayana-Tradition, der sie angehört, spiele der Almosengang nur noch bei besonderen Feiertagen oder Zeremonien eine Rolle, nicht aber in der täglichen Praxis.
Roloff beobachtet, dass die Theravada-Klöster in Deutschland hauptsächlich von asiatischen Laien-Buddhisten getragen werden. Die deutschstämmigen Buddhisten seien da eher zurückhaltend:
"Dass westliche Konvertiten solch ein Vertrauen in Mönche und Nonnen haben, ist sehr selten. Die Asiaten pflegen ihre Traditionen auch im Ausland sehr gut weiter, für die ist das Teil ihrer kulturellen Identität. Aber für die westlichen Buddhisten, da gibt es schon sehr starke Bewegungen, die am liebsten das Klostertum ganz abschaffen würden."

Zählen die Rituale oder die Idee dahinter?

Auf den Web-Seiten der deutschen Theravada-Klöster kann man erfahren, wo und wann die Mönche auf Almosengang gehen. Carola Roloff sagt, es gebe sehr unterschiedliche Auffassungen über Sinn und Zweck dieser Übung im 21. Jahrhundert:
"Vielleicht ist es auch eine Frage der Prioritäten, wie wichtig man diesen Almosengang einschätzt: Ob man eher denkt, dass es darum geht, diese Regeln von ihrem Ursprungsgeist einzuhalten, oder ob man sie wörtlich einhalten muss oder sollte. Ob man solche asiatischen Formen überhaupt nach Europa importieren möchte, das wurde schon in den 1920-er Jahren in Deutschland diskutiert. Schon damals waren Buddhisten der Meinung, dass diese Praxis einfach zu exotisch ist und den Blick auf das eigentliche Wesen des Buddhismus eher verstellt."

Milde Gaben lassen sich nicht horten

Zum Beispiel dürfen die Mönche, die den Almosengang praktizieren, in den Klöstern nach altem Verständnis kein Essen aufbewahren. Aus hygienischen und aus moralischen Gründen, erklärt Roloff: "Weil im Buddhismus der Ursprungsgedanke mehr ist, dass der Spender der Beschenkte ist. Und der Mönch oder die Nonne gilt als Verdienstfeld, der einem die Gelegenheit gibt, gutes Karma anzusammeln."
Roloff weiß auch von neuen Entwicklungen, vieles sei eine Frage der Auslegung. Zum Beispiel, dass Klöster auf ihren Websites schreiben, was ihnen fehlt. Oder dass manche übrig gebliebenes Essen einfrieren. Roloff selbst hat eine Zeit lang in einem amerikanischen Kloster gelebt. Dort gab es die Regel, dass nur das gegessen wurde, was von Buddhisten dargebracht wird. Das führte einmal dazu, dass sie eine Zeit lang von Muffins geradezu überschwemmt wurden. Es hatte sich nämlich herumgesprochen, dass die Nonnen auch gerne mal Kuchen essen.

Wunschzettel widersprechen der Tradition

"Das war natürlich auch nicht sehr gesund", sagt Roloff, "und dann haben sie das kommuniziert, dass es besser wäre auch gesunde Sachen vorbeizubringen, vielleicht auch mal was anderes. Und dann haben sie sich zur Gewohnheit gemacht, dass sie eine Art Wunschliste auf die Internetseite stellen. Welche Sachen gerade ausgegangen sind. Nicht nur Nahrungsmittel, sondern auch andere Dinge, die sie brauchen."
Nach traditionellem Verständnis dürfen die Ordensleute von sich aus nicht sagen, was sie sich wünschen. Aber die Laien können sie fragen, was fehlt. Ob ein Almosengang bei Nicht-Buddhisten Sinn hat, da hat Roloff eher Zweifel:
"Letztlich entscheidet das jede Ordensgemeinschaft vor Ort, wie sie damit umgehen. Ich hab auch im Internet gesehen, die Gemeinschaften gehen auf den Wochenmarkt oder zu Demeter und machen da ihren Almosengang. Wenn die Leute das gerne machen, ist ja gut. Aber wenn sie gar keine Buddhisten sind, dann frag ich mich auch, ist das jetzt ein versteckter Versuch, die doch zu animieren gutes Karma anzusammeln, obwohl sie gar nicht daran glauben?"
Mehr zum Thema