Buddhismus

Das Vesakh-Fest - der große gemeinsame Feiertag

Buddhistische Mönche bei einer Prozession zum Vesakh in Magelang, Indonesien. Buddhisten in Indonesien feiern Vesakh an dieser Stätte jedes Jahr, was sie zu einer der meist besuchten Touristenattraktionen des Landes macht. Die Zeremonie wird während des Vollmondes im Mai oder Juni jeden Jahres durchgeführt. Sie konzentriert sich auf drei buddhistische Tempel, fängt mit einem Fußmarsch in Mendut an, geht weiter nach Pawon und endet in Borobudur.
Buddhistische Mönche bei einer Prozession zum Vesakh in Magelang, Indonesien. © imago / ZUMA Press
Inken Prohl im Gespräch mit Anne Françoise Weber · 22.05.2016
Buddhisten auf der ganzen Welt feiern an diesem Wochenende das Vesakh-Fest, den Geburtstag Gautama Buddhas. Das Fest sei vor allen Dingen eine Möglichkeit zur Mission oder zur Information über den Buddhismus, sagt die Religionswissenschaftlerin Inken Prohl.
Anne Françoise Weber: Buddhisten weltweit feiern an diesem Wochenende ihr größtes Fest – Vesakh wird es meist genannt, und es ist die Erinnerung an die Geburt, die Erleuchtung und den endgültigen Eingang ins Nirwana des historischen Buddha Siddharta Gautama. 1999 wurde es von der UN-Generalversammlung als internationaler Feiertag anerkannt. Inwiefern dieses Fest zur buddhistischen Einheit beiträgt, darüber habe ich vor der Sendung mit Inken Prohl gesprochen. Sie ist Professorin für Religionswissenschaft an der Universität Heidelberg und besonders auf den Buddhismus in Japan spezialisiert.
Zunächst habe ich sie gefragt, ob Vesakh, wenn wir es mit dem Christentum vergleichen, sozusagen Weihnachten, Ostern und Himmelfahrt in einem ist?

Erinnerung an Buddha

Inken Prohl: Das ist eine gute Frage. Vielleicht seit den letzten 50 Jahren oder seit den letzten 80 Jahren. Bis dahin gab es ja so viele verschiedene Buddhismen weltweit, dass die Buddhisten gar nicht unbedingt einen gemeinsamen Feiertag gehabt haben. Das zum einen. Und zum anderen, was die Erinnerungskultur betrifft und was die Bedeutung der Erinnerung an Buddha betrifft, ist es vielleicht vergleichbar, aber dann ist die Frage, wie alt Weihnachten, Pfingsten und Ostern sind in den einzelnen Traditionen.
Weber: Sie haben gerade gesagt, es ist also ein ziemlich neues Fest. Es ist ja auch der Wunsch, damit die verschiedenen Buddhismen zu einigen. Wie kam man dazu, dieses Fest so zu positionieren und zu sagen, damit wollen wir uns zusammenfinden?
Prohl: Zunächst einmal war es ja bis vor hundert Jahren für die meisten Buddhisten der Welt gar nicht selbstverständlich, zu wissen, dass es noch andere Buddhisten in anderen Ländern Asiens gibt. Wir haben also im 19. und 20. Jahrhundert so ein großes Erwachen dazu, dass es diese verschiedenen buddhistischen Traditionen in so verschiedenen und vielen Ländern in Asien gibt. Und dann, als Reaktion auf die Kolonialzeit und als Ergebnis eines erwachten, erstarkten Selbstbewusstseins gegenüber den Kolonialisten, gegenüber den Missionaren, gegenüber den Christen, hat man überlegt, dass man dieses neue Selbstbewusstsein durch einen gemeinsamen Feiertag am besten zum Ausdruck bringen kann. Das war in der Mitte des 20. Jahrhunderts, ich glaube sogar, genau 1950, dass man sich dann in Sri Lanka getroffen hat und gemeinsam beschlossen hat – also die Vertreter verschiedener Buddhismen aus verschiedenen asiatischen Ländern – und gemeinsam beschlossen hat, dass dieses Vesakh-Fest jetzt der Tag sein soll, auf den sich die Buddhisten einigen als großer gemeinsamer Feiertag.
Weber: Trotzdem wird der nicht in allen Ländern gleichzeitig gefeiert, weil es immer noch unterschiedliche Kalenderrechnungen gibt.
Prohl: Ja, es gibt unterschiedliche Kalenderrechnungen. Manchmal ist es auch so, dass es zwei Vollmondtage im Mai gibt – es soll ja an einem Vollmondtag im Mai gefeiert werden. Und dann gibt es zum Beispiel Japan, wo der westliche Kalender früher eingeführt worden ist, sodass es seit Langem feststeht, dass es im April ist, und daher die unterschiedlichen Tage.
Weber: In Japan wird ja auch, soweit ich gelesen habe, diese dreifache Feier von Geburt, Erleuchtung und Erlösung aufgeteilt und am 8. April nur der Geburtstag Buddhas begangen. Sind das also drei unterschiedliche Feste.

Lokale Götter, lokale Heilige

Prohl: Das sind drei unterschiedliche Feste. In Japan wird dieser Tag begangen als Blumenfest. Wenn Sie viele japanische Buddhisten fragen, wer Buddha Shakyamuni ist, werden die sagen, wissen wir nicht unbedingt, weil wie in so vielen Ländern des Buddhismus lokale Götter, lokale Heilige eine viel größere Rolle spielen als Buddha Shakyamuni selbst.
Weber: Buddha Shakyamuni, ich habe ihn in der Anmoderation Siddharta Gautama genannt, das ist aber der gleiche, das ist der Historische, von dem da eben der Lebensweg nacherzählt wird sozusagen.
Prohl: Es geht um den historischen, von dem der Lebensweg nacherzählt wird, von dem aber auch Begebenheiten und Geschichten aus seinen vielen vorherigen Leben erzählt wird.
Weber: Gibt es denn ein Element, das die verschiedenen Vesakh-Feiern rund um den Globus vereint? Gibt es eine Sache, die eigentlich überall Buddhisten heutzutage feiern?
Prohl: Heutzutage überall sicherlich der Wunsch nach Einheit, der gute Vorsatz, ein tugendhaftes Leben zu führen, der Wunsch nach und die Aktivität für Frieden. Und dann würde ich trennen zwischen asiatischen Ländern, zwischen Asiaten in westlichen Ländern und die westlichen konvertierten beziehungsweise westlichen Menschen, die mit dem Buddhismus sympathisieren.
Weber: Und was machen da die unterschiedlichen Gruppen?

Indem man etwas gibt, bekommt man etwas wieder

Prohl: In den meisten asiatischen Ländern geht es an diesen Feiertagen um die Feier der Gemeinschaft, des Kollektivs. Traditionellerweise geht es ja bei religiösen Feiertagen meistens darum, die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Tempel oder einer anderen religiösen Institution zu demonstrieren und damit auch den festen Platz in der Gemeinschaft. Und dann geht es in den asiatischen Ländern, wie bei den meisten Feiertagen und Festlichkeiten darum, durch das Geben von Geschenken, also durch die Gabe gutes Karma oder auch Tugendpunkte oder auch bessere Chancen für göttliche Wohltaten zu bekommen, also so ein Deal, den man macht an diesen ganzen Tagen. Indem man etwas gibt, bekommt man etwas wieder von den als transzendent gedachten Wesen des Buddhismus oder Buddha Shakyamuni selbst.
In den westlichen Ländern gibt es ja viele buddhistische Emigranten oder Asiaten, die jetzt hier ganz normal leben, aber ihre Tradition mitgebracht haben. Und hier ist es wie bei vielen Feiertagen, die Emigranten mitbringen, eine Möglichkeit, die eigene Kultur zu feiern und sich der Zugehörigkeit zu vergewissern. Und dann haben wir das Vesakh-Fest in den westlichen Ländern, in Europa, in Deutschland ja auch und in den USA. Was hier gemacht wird, ist vor allen Dingen auch ein großes und sichtbares Bekenntnis zum Buddhismus, Wunsch nach Einheit und Frieden. Aber dann ist es vor allen Dingen auch eine Möglichkeit zur Mission oder zur Information über den Buddhismus.
Frauen am 02. Juni 2015 auf einer Prozession zum Vesakh Fest in Magelang, Zentral-Java, Indonesien. Millionen Buddhisten auf der ganzen Welt feiern den Vesakh Tag um die Geburt, Erleuchtung und den Tot von Siddhartha Gautama Buddha, dem Gründer des Buddhismus, zu feiern.
Frauen auf einer Prozession zum Vesakh Fest in Magelang, Zentral-Java, Indonesien.© imago / ZUMA Press
Weber: Prozessionen gehören überall dazu?
Prohl: Prozessionen gehören überall dazu. In den asiatischen Ländern sind es Prozessionen, bei denen gefeiert, gezeigt wird, Bilder aus den Lebensgeschichten des Buddha, während es in den westlichen Ländern vor allen Dingen alle möglichen kulturellen asiatischen Darbietungen sind.
Weber: Sie haben schon gesagt, Vesakh feiert man in einer Vollmondnacht im Mai. Es sollen auch Vollmondnächte gewesen sein, in denen diese drei großen Ereignisse in Buddhas Leben passierten, seine Geburt, seine Erleuchtung und sein Erlöschen. Hat denn der Mond eine rituelle oder der Vollmond eine rituelle Bedeutung im Buddhismus?
Prohl: Die rituelle Bedeutung – dass es ein besonderes Ereignis ist, was ja besonders hervorsticht. Insofern werden bedeutsame religiöse Ereignisse häufig, wenn sie aufgeschrieben werden, erinnert werden – also es wird ihnen zugeschrieben, dass das immer bei Vollmond passiert ist.
Weber: Der Buddhismus wird ja in Deutschland sehr in Verbindung mit Konzepten wie Meditation und Achtsamkeit wahrgenommen, hatte auch einen gewissen Zulauf. Dennoch ist das Vesakh-Fest hierzulande wenig bekannt, vielleicht abgesehen von den großen Städten, wo das mittlerweile so zu den Stadtfesten gehört. Woran liegt das, dass dieses Fest sonst so wenig bekannt ist? Akzeptiert man oder nimmt man hier nur die Konzepte der Religion auf, die irgendwie mit unserem westlich-säkularen Leben vereinbar sind?

Glückssuche durch Achtsamkeit

Prohl: Diejenigen, die sich für Buddhismus interessieren, sind ja häufig solche, die sich von den institutionellen Religionen loslösen wollen und gerade nicht das, was mir so als leere Rituale oder langweilige Feierlichkeiten oder nur Feier der Kirche von sich selbst, was wir so damit bezeichnen, das soll ja gerade nicht sein, sondern es geht um eine individuelle Suche nach dem Selbst oder eine individuelle Bearbeitung des Selbst durch Meditation oder auch eine Glückssuche durch Achtsamkeit. Und das, was bei Vesakh gemacht wird, ist ja gerade wieder die Feier des Kollektiven, der Erinnerung, der Institution. Es wird zum Ausdruck gebracht die Verbindung von Individuum mit dem Kollektiv, aber auch mit der Institution der Tempel. Und ich denke, dass das der Grund ist, warum im Westen dieses Vesakh-Fest, das eher für so eine traditionelle Religion steht, nicht so bekannt ist wie Meditation und Achtsamkeit.
Weber: Vielen Dank Inken Prohl, Professorin für Religionswissenschaft an der Universität Heidelberg!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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