Buchstaben gleich Zahlen

Von Evelyn Bartolmai · 25.05.2012
Im Judentum spielt die Zahlensymbolik eine wichtige Rolle. Da jedem Buchstaben im hebräischen Alphabet eine Zahl entspricht, lassen sich viele interessante Berechnungen anstellen und Bedeutungen erschließen – auch die des Wochenfestes Schawuot.
Sieben Wochen mit jeweils sieben Tagen sind vergangen, seit die Israeliten aus Ägypten ausgezogen sind. 49 Tage lang wurde das sogenannte Omer gezählt, die Zeit von der Aussaat bis zur Reife des Weizens. Der 50. Tag muss also ein besonderer sein - und ist es auch, nämlich chamishim oder chamsin, wie das in den allgemeinen Brauch eingegangene arabische Wort heißt. Chamsin ist aber zugleich ein heißer Wind, der besonders zwischen Pesach und Schawuot in Natur und Landwirtschaft viel Schaden anrichten kann und man froh ist, wenn diese Zeit endlich vorbei ist.

Doch der 50. Tag hat noch eine weitere Bedeutung: Die Israeliten sind inzwischen am Berg Sinai angekommen, nachdem sie die 50 Tore der Heiligkeit durchschritten und so die 50 Stufen der Unreinheit verlassen hatten, auf die sie während der Sklaverei in Ägypten herabgesunken waren. Der Auszug aus Ägypten war also nicht nur ein physisches Verlassen eines Landes, sondern bedeutete zugleich, eine geistig-moralische Verwahrlosung zu verlassen und zur Heiligkeit aufzusteigen – eben darin bestand ja die Auserwähltheit der Kinder Israel.

Wie gesagt, am 50. Tag sind die Israeliten so weit geläutert, dass sie den Lohn für ihre Mühen, das göttliche Geschenk der Torah, in Empfang nehmen dürfen. Das klingt jetzt alles zwar sehr edel und erhaben – aber wir wissen, dass es leider in der Praxis erst im zweiten Anlauf gelang. Denn als Moses zum ersten Mal auf den Berg gestiegen war, brachten seine Wandergenossen nicht allzu viel Verständnis dafür auf, dass es so lange dauerte und Moses wohl Probleme mit der hebräischen Schrift hatte.

Die ägyptischen Hieroglyphen mit wenig Text, dafür großen Bildern und auch ein goldenes Kalb waren ihnen allemal lieber als irgendwelche Gebote. Und während Moses sich noch mit dem Griffel abmühte, feierten sie schon mal fröhlich. Aus Wut darüber zerschmetterte Moses die Erstausgabe der Torah - ließ sich am Ende aber doch überreden, noch einmal auf den Berg zu steigen und um eine Neuauflage zu bitten.

40 Tage hat das gedauert, zu Schawuot, wie gesagt, waren die Wogen endlich geglättet und die Kinder Israel freuten sich nun über die Torah und auch über die Anweisung, zum Fest der Übergabe der Torah nur Milchspeisen zu verzehren – bei inzwischen immer hochsommerlicheren Temperaturen stand ihnen eh der Sinn nicht nach fettem Braten.

Jedoch auch die Geduld Gottes stellt man nicht ungestraft auf die Probe – und so hatte der Allmächtige mit der Lex Käsekuchen denn auch sehr göttlich-elegant seine Strafe für den Frevel mit dem Goldkalb ausgesprochen. Nach der Gematria hat das hebräische Wort für Milch, chalav, den Zahlenwert 40. Quarkspeise als Sühne für die 40 Tage, die Moses noch einmal Gott wegen der Torah behelligt hatte, sind ja nun durchaus noch zu ertragen.

Allerdings war es zugleich auch ein Hinweis darauf, dass es nicht schnurstracks dann weiter in das Land geht, wo Milch und Honig fließen – sondern die Israeliten noch geschlagene 40 Jahre durch die Wüste ziehen sollten! Denn keiner von denen, die Gold und rauschende Feste wichtiger fanden als Ehrfurcht vor Gott, sollte das Gelobte Land erreichen.

Und so ist es bis heute in allen jüdischen Gemeinden Tradition, in der Nacht von Schawuot wach zu bleiben und die Torah zu studieren, damit sich Verfehlungen wie der Tanz ums Goldene Kalb und andere Banalitäten nicht wiederholen.
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