Buchhandel kritisiert Erdogan

    "Türkei ist das größte Gefängnis für Journalisten und Autoren"

    Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels.
    Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. © Deutschlandradio - Sven Crefeld
    Alexander Skipis im Gespräch mit Sven Crefeld · 22.03.2017
    Die Menschenrechtslage in der Türkei könne man so nicht akzeptieren, sagt Alexander Skipis vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels. "Die Türkei ist auf dem Wege in einen totalitären Unrechtsstaat, an dessen Spitze der Diktator Erdogan steht."
    Deutschlandradio Kultur: Welche Rolle spielt die Türkei auf dieser Buchmesse? Was hören Sie aus erster Hand von Autoren über die aktuelle politische Situation?
    Alexander Skipis: Die deutsche Buchbranche setzt sich schon seit eineinhalb Jahren für die Meinungsfreiheit in der Türkei ein. Nicht nur, weil die Meinungsfreiheit für uns conditio sine qua non eines Buchmarktes ist, sondern weil es ein Menschenrecht ist. Wir sehen, wie sehr das dort bedroht ist. Schon vor eineinhalb Jahren übrigens. Das hat sich jetzt extrem zugespitzt.
    Wir waren 2016 auf der Istanbuler Buchmesse, ich habe da eine Mahnwache für Asli Erdogan – damals noch im Gefängnis – vor dem Gefängnis organisiert und viel mit Intellektuellen, Künstlern, Autoren, Verlegern gesprochen. Das Bild, das sich dort gezeichnet hat, ist schlicht erschütternd. Die Menschen leben in Angst und Schrecken, sie wissen nicht, ob sie morgen noch in Freiheit sind.
    Es herrscht ein Furor in diesem Land gegen jeden auch nur irgendwie Andersdenkenden, so dass die Menschen dort sehr bedroht sind.

    "Zeigt uns eure Solidarität!"

    Deutschlandradio Kultur: Was kann in Deutschland getan werden, speziell hier auf der Buchmesse?
    Skipis: Auf meine Frage in der Türkei: "Was können wir für euch tun?" war immer wieder die Antwort: "Zeigt uns eure Solidarität! Wir brauchen diese Unterstützung, weil wir sind schon viele, die so denken, aber wir werden niedergewalzt und plattgemacht von diesem Regime!"
    Das hat sich in den letzten Tagen immer weiter zugespitzt: Der Journalist Denis Yücel ist im Gefängnis mit geradezu hanebüchenen Vorwürfen. Asli Erdogan ist zwar – vielleicht auch ein bisschen durch unsere Mithilfe – aus der Untersuchungshaft entlassen, aber ihr droht immer noch der Prozess, an dessen Ende fürchterliche Strafen stehen können.
    Das ist eine Situation, die wir nicht akzeptieren können. Wir müssen jetzt Haltung zeigen – sowohl die Politik wie auch die Presse, wie jeder einzelne Bürger in der Zivilgesellschaft. Um auf diese Situation zumindest so darauf aufmerksam zu machen, dass niemand mehr daran vorbeikommt. Deshalb beteiligen wir uns an Lesungen von Texten von Denis Yücel auf der Buchmesse, um ihn nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, sondern darauf hinzuweisen, was jetzt mit ihm passiert.

    "Die Türkei ist auf dem Wege in einen totalitären Unrechtsstaat"

    Deutschlandradio Kultur: Wohin steuert die Türkei mit dem Verfassungsreferendum?
    Skipis: Man muss der Sache einfach ins Auge sehen: Die Türkei ist auf dem Wege in einen totalitären Unrechtsstaat, an dessen Spitze der Diktator Erdogan steht. Ich halte es für völlig fehl am Platz, falsche diplomatische Erwägungen im Umgang mit solchen Despoten einzugehen. In bin ein bisschen davon erschüttert, dass jetzt gerade, wo gestern bekannt geworden ist, dass keine Minister mehr zum Wahlkampf nach Deutschland geschickt werden, da schon wieder einige glauben, jetzt ist das ein Wandel in der Meinung.
    Nein, das ist kein Wandel in der Türkei, Herr Erdogan ist keiner, der sich hinten anstellt, sondern einer, der sich nimmt, was er will. Und er wird sich noch viel nehmen, wenn wir nicht wachsam sind und ihm entgegentreten. Deshalb muss die Bundesregierung, die EU, eigentlich jeder politisch Verantwortliche gerade solche Rechte wie die Meinungsfreiheit hochhalten und sie nicht zum Verhandlungsgegenstand für Flüchtlingsfragen, Nato-Stützpunkte oder wirtschaftliche Interessen machen. Das ist unsere Forderung an die Politik.

    "Herr Erdogan, lassen Sie die inhaftierten Autoren, Verleger und Journalisten frei!"

    Deutschlandradio Kultur: Und was sagen Sie dem türkischen Präsidenten?
    Skipis: Selbstverständlich dies: Herr Erdogan, lassen Sie die inhaftierten Autoren, Verleger und Journalisten frei! Die Türkei ist zur Zeit das größte Gefängnis für Journalisten und Autoren. Und hören Sie auf, Herr Erdogan, mit den Repressionen und den aberwitzigen Vorwürfen gegen Autoren wie Asli Erdogan.
    Deutschlandradio Kultur: Asli Erdogan ist zur Buchmesse eingeladen für ein Gespräch, am Donnerstag um 13.30 Uhr auf dem Blauen Sofa soll es stattfinden. Wird sie überhaupt teilnehmen können?
    Skipis: Es wird das Buch "Nicht einmal das Schweigen gehört uns noch" mit ihren Essays vorgestellt. Wir wollten in Leipzig mit ihr darüber diskutieren. Wir haben einen Antrag auf Ausreiseerlaubnis gestellt – der ist abgelehnt worden, sie darf nicht kommen. An sich schon ein Skandal für sich in einem angeblich freiheitlichen Land wie der Türkei. Wir werden wahrscheinlich, wenn das nicht auch irgendwie sabotiert wird, über Skype mit ihr diskutieren können. Aber wir müssen sehen, ob da tatsächlich diese Verbindung zustande kommt.
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