Tantiemen im Streamingmarkt

Initiative für ein neues Vergütungsmodell

07:59 Minuten
Ein Geschäftsmann in der Rückansicht mit Kopfhörern.
Der Streamingdienst Deezer will seine Künstler demnächst nach einem Nutzer-zentrierten Abrechnungssystem bezahlen. © Eyeem / Merethe Svarstad Eeg
Richard Wernicke im Gespräch mit Carsten Beyer · 17.09.2019
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Ein Problem am Streaming ist der Lohn der Künstler. Der Dienst Deezer will zwar nicht insgesamt mehr ausschütten, glaubt aber, ein faireres Abrechnungssystem anbieten zu können. Nun gehe es darum, Künstler und Rechteinhaber zu überzeugen.
Die Vergütung von Musikstreaming ist schon lange in der Diskussion: Erstens sind die Tantiemen äußerst niedrig und zweitens ist die Verteilung der Einnahmen umstritten. Musikerinnen und Musiker, die sehr viel gestreamt werden, bekommen auch einen hohen Anteil an den Einnahmen. Das liegt daran, dass alle Einnahmen in einem großen Topf landen und dann prozentual verteilt werden. Es kann also sein, dass das Geld eines Users an Künstler geht, die er gar nicht gehört hat.
Das möchte der Streaminganbieter Deezer gerne ändern: Er würde gern nach einem neuen Modell, genannt User Centric Payment System (kurz: UCPS), abrechnen und hat dazu eine Initiative gestartet. Bei diesem nutzerzentrierten Abrechnungssystem würde das Geld eines Deezer-Kunden nur an jene Künstler gehen, die er auch gehört hat.

Zahlen für das Gehörte

Richard Wernicke, Redaktionsleiter von Deezer Europe, sagt zu dem von seinem Unternehmen vorgeschlagenen Modell: "UCPS rückt die Künstler wieder näher an die Hörer ran." Es gehe dabei nur um die Streams, die Nutzer auch tatsächlich getätigt hätten. Wernicke verdeutlicht das mit einem Extrembeispiel: "Wenn ich in einem Monat nur einen einzigen Song meiner Lieblingsband über 30 Sekunden – das ist bei uns die Regel – anhöre, dann fließt meine gesamte Abogebühr an exakt diesen Künstler."
Auf die Frage hin, warum Deezer nur eine Initiative startet und das Modell nicht gleich umsetze, antwortet Wernicke, dass auch die Rechteinhaber, also Plattenfirmen und Musikverleger, zustimmen müssten. "Deswegen geht es im ersten Schritt darum, ein Bewusstsein zu schaffen – bei den Künstlern, bei den Labelverantwortlichen, bei den Verlegern, dass es dieses neue System gibt und dass wir auf Knopfdruck bereit sind, dies relativ zügig umzusetzen."
Wernicke sagt, die Gesamtausschüttung an die Rechteinhaber bleibe gleich, würde aber anders verteilt. "Genres, die bislang nichts oder wenig vom Kuchen abgekriegt haben, können jetzt vom Streaming profitieren." Deezer hofft darauf, neue Nutzer zu gewinnen, wenn UCPS eingeführt würde.

Von Rechteinhabern und Künstlern

Kritik am Streamingsystem, dass Künstler generell zu wenig entlohnt würden, reicht Wernicke an die Rechteinhaber weiter, denn die würden die Verträge mit Künstlern verhandeln. "Wir haben Verträge mit Rechteinhabern, wir schließen keine Verträge direkt mit den Künstlern. Deezer schüttet aktuell 70 Prozent seiner Einnahmen an seine Rechteinhaber – Musikverlage und Musiklabels – aus. Wie dann diese 70 Prozent weiter an die Künstler verteilt werden, ist ein Thema zwischen diesen beiden Parteien. Da können wir keinen Einfluss drauf nehmen."
Unrealistisch findet Wernicke Gedankenspiele, die Abogebühr zu erhöhen, um den Künstlern mehr Geld zukommen zu lassen. Die User hätten sich an die Gebühr von zehn Euro gewöhnt: "Ich glaube jetzt die Preisschraube nach oben zu drehen, wäre am Markt nicht durchsetzbar und für einen Streamingservice einfach selbstmörderisch."
(mfu)
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