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Terror
Die Strategie des IS in Europa

Der sogenannte Islamische Staat hat nach Aussage eines ehemaligen Sympathisanten der Terrororganisation Hunderte von ehemaligen Kämpfern in Europa platziert. In Deutschland und Großbritannien fehle es dem IS aber an Sympathisanten, die zu Selbstmordattentätern werden wollten - ganz im Gegensatz zu Frankreich.

Von Ralph Sina | 04.08.2016
    Französische Polizisten, im Hintergrund ist der Eiffelturm zu sehen
    Paris ein Tag nach den islamistisch motivierten Terroranschlägen an mehreren Orten in der Stadt. (picture alliance / dpa/ Philippe Pauchet)
    Diese Erkenntnisse stammen von einem ehemaligen IS-Sympathisanten aus Bremen, der seit einem Jahr in Haft ist.
    Vor einem Jahr veröffentlichte der sogenannte Islamische Staat sein erstes Propagandavideo in deutscher Sprache.
    "Das ist euer Zuhause…"
    Kurze Zeit später ergaben Recherchen von "Radio Bremen": Zwei Mitglieder des Bremer Kultur-und Familienvereins hatten an diesem Video mitgewirkt. Einer von ihnen, Harry S., ein Deutscher mit ghanaischen Wurzeln, trug in dem Video die schwarze Flagge der Terrororganisation.
    "Du bist schwarz, du bist ein Deutscher - das kommt doch gut, wenn du als schwarzer Deutscher die schwarze Flagge des IS trägst."
    Seit einem Jahr in Haft und Informant
    An diesen Ausspruch der IS-Propagandaexperten erinnert sich Harry S. Der 25-Jährige hat mittlerweile ein Jahr Einzelhaft in einem Gefängnis nahe Bremen hinter sich. Aus einem Camp der Terrororganisation in Syrien mit vielen europäischen Kämpfern war der ehemalige IS-Sympathisant über die Türkei zurück nach Deutschland geflohen. Harry S. ist einer der wichtigsten Informanten der europäischen Sicherheitsbehörden. Und einer der wichtigsten Gesprächspartner dieser Journalistin.
    "My name is Rukmini Callimachi. I work for the 'New York Times' where I cover terrorism."
    Der "New-York-Times"-Journalistin und IS-Expertin Rukmini Callimachi und ihrem Team schilderte der ehemalige IS-Anhänger die Strategie der Terrororganisation für Europa. Besonders dringend sucht der sogenannte IS offenbar Selbstmordattentäter in Großbritannien und in Deutschland.
    "Ich habe gehört, du hast in London und in Deutschland gelebt", wurde der Bremer von einem IS-Terroristen gefragt. Ob er noch irgendwelche Kontakte oder Netzwerke in Deutschland habe, die bereit seien, für den Anführer des IS zu sterben.
    IS sucht Sympathisanten in Deutschland und Großbritannien
    Speziell in Deutschland und Großbritannien fehle es dem IS offenbar an Sympathisanten, die bereit seien, ihr Leben zu geben, sagt der Bremer im Gespräch mit der "New-York-Times". Im Gegensatz zu Frankreich. Auf die Frage, ob sie da weitere Selbstmordattentäter brauchen, hätten die IS-Terroristen buchstäblich Tränen gelacht, erinnert sich der Bremer.
    In Frankreich hätten sie genug Leute, so die Aussage der Terrororganisation. Sämtliche Europa-Operationen werden nach den Informationen des ehemaligen Bremer IS-Anhängers seit 2014 von Abu Muhammad al-Adnani kommandiert. Eine Europa-Strategie der Terrororganisation bestehe darin, langjährige kriminelle Freundeskreise und Netzwerke für sich zu rekrutieren. Wie zum Beispiel das kleinkriminelle Molenbeek-Netzwerk von Salah Abdeslam und Abdelhamid Abbaoud, der späteren Drahtzieher der Terroranschläge von Paris und Brüssel.
    Hunderte ehemalige Kämpfer in Europa platziert
    "There's hundreds, definitely."
    Hunderte von ehemaligen Kämpfern habe die Terrororganisation in Europa platziert.
    "Diese ausländischen Kämpfer haben Freunde im IS und können jederzeit von dem Terrornetzwerk aktiviert werden."
    Sogenannte "clean men", saubere Männer, die noch in keinem EU-Polizeicomputer erfasst seien, übernähmen die Aufgabe, Waffen und Sprengstoff für die Attentäter zu besorgen. Angeblich signalisiert der IS in letzter Zeit europäischen Sympathisanten verstärkt, nicht mehr nach Syrien zu kommen, sondern in ihren Heimatländern zu bleiben. Um sich dort als sogenannte "Schläfer" für Anschläge bereit zu halten.