Brückenbauer zu den neuen Klängen des Iran

Von Dirk Schneider · 13.10.2013
Wie sich die jahrtausendealte musikalische Tradition des Iran mit verschiedenen Einflüssen vermischt hat, war am Wochenende auf dem Festival "New Sounds of Iran" in Köln und Hamburg zu hören. Zu Gast waren vor allem Musiker, die im Exil leben.
Die Tombak- und die Daf-Trommel sind die Instrumente des 35-jährigen Mohammad Reza Mortazavi – uralte persische Instrumente, die allerdings traditionell nicht als Soloinstrumente eingesetzt wurden.

"Ganz selten habe ich iranisches Publikum. Weil ich durch die Musik über die Grenze gehe, und viele Iraner können sich gar nicht vorstellen: Ah, nur Solotrommel? Ohne Gesang und großes Orchester, das akzeptieren sie nicht so richtig."

An diesem Freitagabend ist das anders: Deutsche und iranischstämmige Besucher halten sich die Waage im Hamburger Mojo-Club. Und dieser Ort, sonst eher der Clubmusik gewidmet, passt perfekt: Die Menschen tanzen. Was Mortazavi auf der Tombak spielt, könnte zum Teil auch unter dem Etikett "Minimal Techno" präsentiert werden."

"Zum Beispiel sufische Musik oder Rhythmus, das ist das gleiche wie Techno."

"New Sounds Of Iran" heißt das Festival, in dessen Rahmen Mortazavi auftritt – die Musik, die an drei Abenden präsentiert wird, lässt sich auch kaum auf einen kleineren gemeinsamen Nenner bringen. Das einzige, das allen sechs Musikern beziehungsweise Bands gemeinsam ist, ist die Tatsache, dass sie traditionelle iranische Musik mit neuen Einflüssen anreichern – wie die in London ansässige Band Ajam.

Hört man dieses wilde Crossover mit Sprechgesang, würde man erstmal nicht auf die Idee kommen, dass Ajam sich als Botschafter persischer Tradition verstehen: Regelmäßig reisen die sechs gebürtigen Iraner in den Iran, auf der Suche nach unverfälschter Musik, wie Sänger Amin Ajami erzählt:

"Wir treffen dort Menschen, die ein Glied in einer Kette mündlicher Überlieferung sind. Sie haben ein lokales musikalisches Erbe von ihren Lehrmeistern übernommen, das noch nicht durch den Einfluss der Massenmedien verwässert ist. Wir hoffen natürlich, dass wir die Menschen mit unseren Liedern neugierig auf die Ursprünge dieser Musik machen. Wir verstehen uns als Brückenbauer."

Wer solche Brücken bauen möchte, muss vorsichtig sein: Fragen nach der Politik des iranischen Regimes haben sich Ajam strikt verbeten, auch wenn sie nur als Gäste in den Iran reisen. Gerade Musiker stehen unter starker Beobachtung, was sich auch auf die Organisation des Festivals ausgewirkt hat:

"Wir haben ja tatsächlich eine einzige Band aus dem Iran herfliegen können. Das ist natürlich sehr schwierig. Wenn die Regierung davon Wind bekommen würde, dass eine Veranstaltung hier ist und die Musiker eingeladen werden sollen, vielleicht mehr als eine Band, dann kann es sein, dass sie keine Ausreiseerlaubnis mehr bekommen."

...erklärt Nahjibi Behnush vom deutsch-iranischen Verein Diwan. Der in Köln und Hamburg ansässige Kulturverein hat das Festival initiiert und mit Kölner Philharmonie und Elbphilharmonie umgesetzt. Alle Künstler spielen in beiden Städten, wodurch es sich auch eher auszahlt, einen Star wie die in Los Angeles lebende Sängerin Mamak Khadem extra einzufliegen.

Khadems Band besteht neben ihr aus einem weiteren Iraner und drei Griechen. Ihre Musik speist sich aus unterschiedlichen Musiktraditionen: griechischen, türkischen, armenischen oder indischen. Im Iran war Khadem früher regelmäßig, ein Konzert hat sie dort aber nie gegeben:

"Ich darf im Iran nur vor einem reinen Frauenpublikum auftreten. Und das möchte ich nicht, ich bin oft gefragt worden."

Einziger noch im Iran lebender Gast war Pedram Derakshani, der auf dem Santur, einer Art Hackbrett, mit seiner Band ein Gemisch aus Jazz, Rock und klassischer persischer Musik spielt.

Einen Überblick über die "New Sounds Of Iran" konnte das Festival natürlich nicht bieten, doch der neugierige Besucher durfte einige absolut beglückende Konzerte vor kleinem Publikum erleben – dargeboten von Weltklassemusikern, die nicht nur mit ihrer Musik berührt haben, sondern auch mit ihrer Dankbarkeit an ein begeistertes Publikum.

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