Brücken ins Leere Viertel

Von Dirk Fuhrig · 02.04.2013
Mit seinem Jemen-Roman "Rub’ al-Khali – Leeres Viertel" hatte Michael Roes Mitte der 90er-Jahre einen starken Auftritt: Niemand zuvor hatte eine derart hochkomplexe ethnologisch-literarische Expedition in das von Wüsten und Hitze geprägte Land am Indischen Ozean unternommen.
Lange bevor die arabische Welt zu einem Dauerthema in Aktualität und zeitgenössischer Literatur wurde, entwarf Roes das Panorama einer im Westen kaum beachteten, aber unerhört reichen Kultur.

In seinem jüngsten Roman kehrt Michael Roes in einen mittlerweile durch gewalttätige Auseinandersetzungen, aber auch durch die Schwingungen des "arabischen Frühlings" völlig veränderten Jemen zurück. "Die Laute" ist die Geschichte eines gehörlosen Jungen aus einem kleinen Dorf, der in Europa zu einem bedeutenden Komponisten Neuer Musik wird. Wie wenige andere seiner Generation setzt sich der 1960 am Niederrhein geborene, in Berlin lebende und viel reisende Schriftsteller radikal vorurteilsfrei mit unbekannten Kulturen auseinander. Sein Blick auf "das Andere" vermeidet vorgefertigte Denkmuster. Er ist fasziniert vom Fremden, auch vom Archaischen.

Jenseits kultureller Zuschreibungen geht es ihm um grundlegende Fragen: Wie treffen Individuen aufeinander, welche Bedeutung haben Religion und Tradition, wie werden Sexualität und Freundschaft gelebt? Michael Roes’ auch stilistisch herausragendes Werk ist ein Brückenschlag nicht nur zwischen Europa und der arabischen Welt – sondern auch zwischen Vertrautem und Fremdem.

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