Britischer Humor

Schwarz, schräg und hart an der Kante

Der britische Komiker Ian Hislop hält bei einer Signierstunde für sein Buch "Private Eye Annual 2005" in London einer Pappfigur des britischen Premierministers Tony Blair ein Weinglas an den Mund und grinst.
Der britische Komiker Ian Hislop bei einer Signierstunde für sein Buch "Private Eye Annual 2005" in London © imago/Unimedia Images
Von Gabi Biesinger  · 30.12.2015
Die Briten haben den Zweiten Weltkrieg gegen Deutschland gewonnen und schöpfen aus dieser Tatsache nach wie vor große Genugtuung. Bis heute stehen Kriegswitze in Großbritannien hoch im Kurs. Ziemlich unbefangen sind die Briten auch, was den Humor in Bezug auf Deutschland und die Nazis angeht.
Samstagabend im Leicester Square Theatre im Londoner Vergnügungsviertel Soho. Im Publikum sitzen Deutsche und Engländer. Und auf der Bühne erklärt der deutsche Comedian Paco Erhardt, warum die Deutschen eigentlich eine ziemlich erfolgreiche Nation sind:
"Vier Mal die Fußballweltmeisterschaft und acht, neun Mal die Formel 1 gewonnen. Und bei zwei Weltkriegen immerhin Zweiter geworden."
Deutschen Zuschauern bleibt bei diesem Gag gerne mal das Lachen im Hals stecken. Die Engländer im Publikum dagegen prusten befreit los. Ein witziger Deutscher, wer hätte das gedacht, der noch dazu britischen Humor zeigt und über dieses ewige Rumreiten auf dem Krieg scherzt. Sollte man als deutscher in England ausgerechnet über die Nazivergangenheit Witze machen? Paco Erhardt meint: unbedingt.
"Ich mache in meiner Show natürlich keine Witze über den Holocaust selber. Ich mach' mich viel mehr über uns selbst lustig, wie wir damit umgehen, dass wir nicht loslassen können. Und die meisten jüdischen Freunde, die ich hier habe, die lachen immer noch über mich und sagen: Was willst Du eigentlich, Du warst nicht geboren, jetzt mach Dich mal locker."
Die Briten haben kein Problem damit, über den Zweiten Weltkrieg zu lachen und dabei sind die Grenzen zur Geschmacklosigkeit fließend. Man kann in Großbritannien T-Shirts kaufen, die in Anlehnung an Fan-T-Shirts von Rockbands mit deren Tourneedaten folgenden Aufdruck tragen: Hitler's European Tour. Hitlers Europatournee. Und dann die Besetzungsdaten der einzelnen Länder: Polen 1939 usw. Wenn ein deutsch-englisches Fußballspiel ansteht, fahren die Zeitungen noch regelmäßig schweres Kriegsgeschütz auf und warnen "Achtunk! Achtunk!" vor den deutschen Scharfschützen auf dem Elfmeterpunkt. Auch die Briten können nämlich nicht loslassen. Zu bezeichnend ist der Zweite Weltkrieg für das deutsch-britische Verhältnis, er bietet immer wieder einen Anknüpfungspunkt. Der berühmteste Sketch dazu stammt wohl von John Clesse, von der Komikertruppe Monty Python
"Listen! Don't mention the war!" - "Erwähnt auf keinen Fall den Krieg", schwört Cleese als schlecht gelaunter Hotelbesitzer Basil Fawlty in der Fernsehserie "Fawlty Towers" sein Personal ein. Die deutschen Touristen, die er bewirten soll, bringen ihn ganz durcheinander, und natürlich kennt Fawlty fortan kein anderes Thema mehr, als den Krieg:
"Krabbencocktail, Göbbels und ein Herman Göring. Die deutsche Frau fängt an zu weinen und Fawlty fragt – gibt es ein Problem?"
"Hören Sie auf, über den Krieg zu reden", fordert der deutsche Tourist. "Wieso, Sie haben doch damit angefangen! Haben wird nicht! Doch, Sie sind in Polen einmarschiert…"
"Das ist nicht lustig, für keinen Deutschen", beharrt der Tourist. "Typisch", kontert Basil Fawlty – "die Deutschen haben einfach keinen Sinn für Humor".
Jahrhundertealte Tradition bei Satire und Karikaturen
Aber auch in Großbritannien haben Nazi-Witze ihre Grenzen. Als Prinz Harry bei einer Kostümparty mit Nazi-Uniform und Hakenkreuzbinde auftauchte, gab es landesweite Empörung, erinnert sich der Satiriker Ian Hislop:
"Die Leute dachten, was für eine Knalltüte. Das ist einfach kein Halloween-Kostüm. Ich erinnere mich wie vor etwa zehn Jahren der deutsche Botschafter nach einem Scherz von mir, den ich im Fernsehen gemacht hatte, sagte: Müsst Ihr immer auf dem Krieg rumreiten? Und er hatte völlig Recht. Die Zeit ist gewiss nicht reif, für Nazi-Uniformen auf Partys."
Ian Hislop sitzt jeden Freitag in der Fernseh-Show "Have I got news for you", in der die Ereignisse der Woche in Form eines absurden Quiz durch den Kakao gezogen werden. Und Hislop ist Herausgeber der Zeitschrift "Privat Eye", dem deutschen Gegenstück zur "Titanic". Hislop gilt als der meistverklagte Mann in Großbritannien. Eine Ausgabe von "Private Eye" nach dem Tod von Prinzessin Diana wurde sogar mal von den Zeitschriftenkiosken als geschmacklos boykottiert, erzählt Hislop:
"Das Titelbild zeigte die Massen vor dem Buckingham Palast. Und ein Typ sagt: 'Die Boulevardzeitungen sind wirklich abscheulich.' Ein anderer antwortet: 'Ja furchtbar. Ich konnte nicht mal mehr eine bekommen.' Damit wollten wir nur zeigen, dass die Zeitungen in der Weise über Diana berichtet haben, wonach ihre Leser lechzten."
"Wenn es ums Königshaus geht, können eben nicht alle Briten lachen, bei Politikern fällt das den meisten schon leichter. Und vor allem Politiker müssen Häme aushalten können, sonst stehen sie schlecht da",
erklärt Hislop. Messerscharfe Satire, entlarvende Karikaturen – diese Arten von Humor haben eine jahrhundertealte Tradition auf der britischen Insel, schildert Hislop:
"Schon vor über 300 Jahren, mit Schriftstellern wie Jonathan Swift, der Gullivers Reisen schrieb, Alexander Pope oder William Hogarth sind wir mit dem öffentlichen Leben sehr hart ins Gericht gegangen. Das ist Teil des demokratischen Prozesses."
Selbst während des Zweiten Weltkriegs scheuten die Briten sich nicht, im Radio ihre eigenen Entscheidungsträger lächerlich zu machen:
"Es gab zum Beispiel diese Radioserie 'Die Männer vom Ministerium', da wurden die eigenen Beamten veräppelt und nicht etwa der Feind! Mitten im Krieg war die Satire nach innen gerichtet und ich finde das war gut so."
Monty Python als Vorbild
In diese humoristischen Fußstapfen trat auch Rowan Atkinson mit seiner Fernsehserie Blackadder. Atkinson ist in Deutschland vor allem als Mr. Bean bekannt, der sich unbeholfen durch die Tücken des Alltags brabbelt.
Berühmt in Großbritannien wurde er dagegen als Blackadder, die schwarze Natter. Atkinson spielt sich in der Serie durch die britische Geschichte, zieht am Hof von Königin Elizabeth I die Strippen oder erlebt als Hauptmann Blackadder die Absurditäten in den Schützengräben des ersten Weltkriegs:
"Wir werden in 15 Tagen in Berlin sein und Eiskrem essen", verspricht der Vorgesetzte. "Oder in 15 Sekunden eiskalt im Niemandsland liegen", kontert Blackadder.
Humoristisches Vorbild war für Atkinson nach eigenen Angaben übrigens die Komikertruppe Monty Python, die in den 70er-Jahren die absurde Variante des britischen Humors weltberühmt machte: Ob als Sketch über das Ministry of Silly Walks, das Ministerium für sonderbare Gangarten, bei dem John Cleese wie ein Storch im Salat durch die Gegens stakste; oder der Dialog in der Zoohandlung, als der Verkäufer dem Kunden weismachen will, dass der tote Papagei angeblich nur schläft.
Im Sommer 2014 brachten die inzwischen über 70-jährigen Pythons ihre Kultsketche in London noch einmal auf die Bühne. Die Shows waren innerhalb von Minuten ausverkauft. Einschlägiger Bestandteil der britischen Humorgeschichte sind auch die Filme der Monty Pythons, wie "Das Leben des Brian": Jesu Krippennachbar Brian wird irrtümlich für den Messias gehalten. Am Ende des Films singt ein Chor Gekreuzigter über die Sonnenseiten des Lebens.
Bei der Premiere des Films 1979 gab es heftige Proteste. Aber etwa der Dialog über die Abspaltung der Volksfront von Judäa von der judäischen Volksfront hat auch 25 Jahre später ihren Charme nicht verloren.
Ein erfolgreicher britischer Humor-Exportschlager war auch eine Kultserie mit hässlichen Gummipuppen, für die übrigens auch Ian Hislop Dialoge schrieb: Spitting Image.
"Die Serie war ein großes Phänomen in den 80er-Jahren. Das war eine Zeit, als jeden Sonntag zwölf Millionen Briten vor dem Fernseher hockten, und Politiksendungen guckten. Jeder kannte damals alle Minister. Es waren zehn Stars im Kabinett. Ich könnte heute übrigens kaum einen einzigen Minister benennen. Aber damals waren das wirklich schillernde, politische Persönlichkeiten."
Kathartischer Humor in den 80er-Jahren unter der Eisernen Lady Margret Thatcher:
"Die Premierministerin will Atommüll erst dann in Bergwerksschächten entsorgen, wenn die streikenden Bergarbeiter wieder dort unten arbeiten."
Und nicht nur die britischen Politiker seien wunderbar gewesen, schmunzelnd Hislop rückblickend:
"Auch Helmut Kohl kannte hier damals jeder. Er hatte eine tolle Puppe."
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