Britain by Bike

Mit dem Fahrrad durch das "Brexit"-Land

Die Kölner Abiturientin Clara Grothkopp ist 1300 Kilometer von England nach Schottland gefahren.
Die Kölner Abiturientin Clara Grothkopp ist 1300 Kilometer von England nach Schottland gefahren. © Deutschlandradio/Friedbert Meurer
Von Friedbert Meurer · 22.09.2016
Die 19-jährige Abiturientin Clara Grothkopp ist sieben Wochen lang alleine 1300 Kilometer von England hoch nach Schottland geradelt. Zeit für viele persönliche Beobachtungen - auch mit Blick auf die Frage, warum das Land von Europa wegdriftet. Festgestellt hat sie dabei eins: Ob für oder gegen den "Brexit", das sei vor allem eine Frage von reich oder arm.
Clara Grothkopp ist eine eher zierliche Person, der Fahrradhelm wirft einen leichten Schatten in ihr Gesicht. Ihr Rad selbst ist vorne und hinten mit je zwei Fahrradtaschen beladen wie ein Packesel.
"Es ist ein wunderschönes Land mit ganz viel Küste. Die Ferienorte sind total cool hier, weil die Engländer auch selber dahinkommen, aus der Stadt da Urlaub machen und mit ihrer weißen Haut am Strand verbrennen."
Immer wieder spricht Clara, die gerne Journalistin werden möchte, die Menschen auf den Brexit an, wenn man erst einmal etwas Smalltalk gemacht hat.
"In Whitstable, ein kleiner Ferienort, wo die Londoner übers Wochenende hinfahren, hab ich mich auch mit einer Frau unterhalten, die Wissenschaftlerin ist und meinte, dass das jetzt eine riesige Katastrophe sei, weil sie total viele internationale Beziehungen haben."

"Der hat kein Blatt vor den Mund genommen"

Dann geht es die Ostküste hoch. Das erste Mal, dass das Bild vom wunderschönen England einen Riss erhält, ist ausgerechnet im beliebten Badeort Wells-next-the Sea. Hier im Norden Norfolks haben fast 60 Prozent beim Referendum dafür gestimmt, dass England englisch bleiben soll. Ein etwa 40-jähriger Tourist aus Birmingham zieht vom Leder.
"Mit dem hab ich halt auch darüber geredet. Der hat kein Blatt vor den Mund genommen. Der hat einfach gerade heraus gesagt, was alle Leute denken. Die ganzen Polen, die nehmen uns hier die Jobs weg."
Clara Grothkopp setzt ihre Fahrradtour fort Richtung Norden, 300 Kilometer weiter nach Middlesbrough. Bis dahin lernt sie fast ausschließlich die Freundlichkeit und Höflichkeit der Engländer schätzen und kennen, sie genießt die herrliche Landschaft. In Middlesbrough aber lernt sie den armen, abgehängten Teil Englands kennen. Zwei Drittel stimmten hier für den Brexit.
"Middlesbrough war furchtbar, das ist nur meine persönliche Erfahrung. Als ich da war, hab ich eine ganz furchtbare Ecke von diesem Land gesehen. Als ich da stand, habe ich mir schon vorstellen können, wenn ich hier in der Stadt wohne, es mich wahrscheinlich auch getroffen hätte und ich auch für den Brexit gestimmt hätte."

Brexit Ja - oder Nein: eine Frage von jung oder alt

Ausnahmsweise ist sie im Middlesbrough im Hostel, nicht auf einem Campingplatz. Die Gegend sei schäbig, vor ihrem Haus liefern sich junge Männer eine so wüste Prügelei, dass es auf die junge Kölnerin wie eine Straßenschlacht wirkt. Die da aufeinander einschlagen, seien weit überwiegend osteuropäische junge Männer gewesen. Für oder gegen den Brexit zu sein, das erlebt Clara Grothkopp bei ihrer Großbritannien-Radtour weniger als Frage von jung oder alt, sondern von reich oder arm.
"Vor allem ging es um diese Ausländerfeindlichkeit und dass das Land sich verändert hätte in der letzten Zeit und dass es nicht mehr das Land ist, was es mal war, und die Leute verdrängt werden von den Ausländern."
Anders erlebt die Kölner Abiturientin dann die Stimmung im pro-europäischen Schottland. Die Natur dort sei phantastisch, die Menschen erlebt sie als noch offener, aber auch manchmal als etwas bequemer, nicht so getrieben von Business und Beruf.
"Man versteht die Schotten überhaupt nicht. Ich hab auch das Gefühl, dass sie so ein bisschen offener sind. Aber ich muss auch zugeben, dass bei denen der Ausländeranteil kleiner ist."
Clara Grothkopp würde die Reise sechs Wochen lang alleine über 1300 Kilometer auf der Insel jederzeit wieder machen. Und eines hat sie auch zu schätzen gelernt: die sprichwörtliche Tasse Tee der Briten.
"Ich bin ab und zu wirklich zum Tee eingeladen worden. Einmal bin ich mitten im Regen stecken geblieben in Yorkshire. Dann kam dann eine Frau aus ihrem Caravan heraus, die dann mir erst mal einen Tee vorbeigebracht hat. Das ist mir öfters passiert. Und Tee ist immer gut hier."
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